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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 10. Berlin, Wien, 1923.

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keine (bei den natürlichen Wasserstraßen) oder geringe Gebühren zu zahlen sind, daß in den Schiffsgefäßen größere Mengen von Gütern gleichzeitig befördert werden können und die reinen Beförderungskosten auf dem Wasser geringer sind als die auf der Schiene. Dem steht der Nachteil gegenüber, daß die Wassertransporte vom Wind und Wetter abhängig sind (Frost, Niedrigwasser), daß sie länger dauern und besonders bei den natürlichen Strömen, deren Lauf die Schiffe folgen müssen, der Transportweg ein weiterer ist als bei den Eisenbahnen, die ihre Linie, u. zw. die direkte Linie, sich selbst wählen. Der W. äußert sich darin, daß die Wasserstraßen den Eisenbahnen, besonders bei der Benutzung der natürlichen Ströme, Transporte abgenommen haben, die in Ermanglung von Wasserstraßen dem Eisenbahnweg hätten zufallen können. Zur Bekämpfung dieses W. würde den Eisenbahnen das Mittel der Tarifermäßigung zur Verfügung stehen, von dem sie aber wenigstens in Deutschland kaum jemals Gebrauch gemacht haben. Anderseits haben die Schiffer sich wiederholt darüber beschwert, daß, wenn die Eisenbahnen aus allgemeinen Gründen und zur Hebung des Verkehrs ihre Tarife ermäßigten - z. B. in Deutschland während des Weltkriegs unter der Herrschaft der Blockade -, dadurch ihnen Frachten entzogen würden, und bei den Verhandlungen (1920) der Deutschen Eisenbahnen über die Erhöhung der Gütertarife haben Vertreter der Schiffahrt geradezu bedeutende Erhöhungen der Eisenbahntarife verlangt, weil die vorgeschlagenen nicht genügten, um lohnende Tarife für die Schiffer aufzustellen. Auf diese in den letzten Jahrzehnten sich in allen Ländern abspielende Kämpfe kann hier nicht eingegangen werden (vgl. Ulrich, Staffeltarife und Wasserstraßen. 1894; Sax, Verkehrsmittel, 2. Aufl., Bd. II, S. 25 ff., 31 ff., 250 ff.). Ein derartiger W. ist selbstverständlich in den Landesteilen ausgeschlossen, in denen schiffbare Ströme nicht vorhanden sind.

Ein W. mit der Post ist nur bei Paketen möglich, da diese mit der Post, der die Eisenbahnen durch gesetzliche Bestimmungen Vorzüge zu gewähren verpflichtet sind, billiger befördert werden können als mit der Eisenbahn, ferner ein W. im Geldverkehr (Nachnahmen der Eisenbahnen oft dem Verfrachter bequemer als Postwertsendungen). Ein W. der Telegraphie ist ausgeschlossen, weil diese nur Nachrichten befördert. Die Luftschiffahrt kann im Güterverkehr mit der Eisenbahn nicht in W. treten, im Personenverkehr wäre ein solcher denkbar, wenn die Preise der Luftschiffahrt bedeutend herabgesetzt würden.

Soweit diese Verkehrsanstalten in W. mit der Eisenbahn treten, haben die Eisenbahnen sich in ihrer Preispolitik nicht dadurch beeinflussen lassen. Wenn ihnen auch ein gewisser Verkehr entzogen wurde, so ist dies ein so unbedeutender Teil des Gesamtverkehrs, daß es sich nicht verlohnt, besondere Maßregeln zu treffen, um ihn für die Eisenbahnen zu gewinnen.

III. Die geschichtliche Entwicklung des W.

Es sind zu unterscheiden die Länder, in denen, sei es durch Gesetz, sei es durch organisatorische Maßregeln, die Monopolstellung der Eisenbahnen festgelegt und damit der W., wenn nicht ganz ausgeschlossen so doch stark beschränkt wird und die Länder, in denen der W., durch keinerlei staatliche Maßregeln eingeschränkt, sich frei entwickeln konnte.

Zu den ersteren gehören alle die, in denen das Staatsbahnsystem von Anfang an bestand oder später eingeführt worden ist, also Belgien, die deutschen Mittelstaaten, die Schweiz u. a. In Preußen wird durch § 44 des Ges. über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. November 1838 der Bau von Parallelbahnen auf 30 Jahre untersagt. Andrerseits wird, wie oben bemerkt, durch § 27 desselben Gesetzes der W. auf der Schiene theoretisch zugelassen. Durch Art. 41 der früheren Verfassung des Deutschen Reiches wurden die gesetzlichen Bestimmungen, die bestehenden Eisenbahnunternehmungen ein Widerspruchsrecht gegen die Anlage von Parallel- und Konkurrenzbahnen einräumten, unbeschadet bereits erworbener Rechte aufgehoben. Ein solches Widerspruchsrecht durfte auch in künftig zu erteilenden Konzessionen nicht weiter verliehen werden. Nach Art. 94 der Verfassung vom 11. August 1919 ist das Eisenbahnmonopol des Reiches tatsächlich festgestellt. Die Freiheit des Eisenbahnbaus besteht nur für Bahnen, die nicht dem allgemeinen Verkehr dienen (Kleinbahnen). Ein W. dieser mit den Reichsbahnen ist aber, wenn überhaupt, so nur in beschränktem Umfang möglich.

Von Einfluß auf die Eisenbahnen kann in Deutschland nur der W. der Wasserstraßen sein, u. zw. besonders der großen, durch Ausbau, Vertiefung und Geradlegung unter Aufwand bedeutender Kosten regulierter natürlicher Ströme, des Rheins, der Elbe, der Weser, der Oder in Nord- und Mitteldeutschland, der Donau in Süddeutschland. An einigen Beispielen möge gezeigt werden, wie der Verkehr auf den Wasserstraßen wesentlich stärker gewachsen ist

keine (bei den natürlichen Wasserstraßen) oder geringe Gebühren zu zahlen sind, daß in den Schiffsgefäßen größere Mengen von Gütern gleichzeitig befördert werden können und die reinen Beförderungskosten auf dem Wasser geringer sind als die auf der Schiene. Dem steht der Nachteil gegenüber, daß die Wassertransporte vom Wind und Wetter abhängig sind (Frost, Niedrigwasser), daß sie länger dauern und besonders bei den natürlichen Strömen, deren Lauf die Schiffe folgen müssen, der Transportweg ein weiterer ist als bei den Eisenbahnen, die ihre Linie, u. zw. die direkte Linie, sich selbst wählen. Der W. äußert sich darin, daß die Wasserstraßen den Eisenbahnen, besonders bei der Benutzung der natürlichen Ströme, Transporte abgenommen haben, die in Ermanglung von Wasserstraßen dem Eisenbahnweg hätten zufallen können. Zur Bekämpfung dieses W. würde den Eisenbahnen das Mittel der Tarifermäßigung zur Verfügung stehen, von dem sie aber wenigstens in Deutschland kaum jemals Gebrauch gemacht haben. Anderseits haben die Schiffer sich wiederholt darüber beschwert, daß, wenn die Eisenbahnen aus allgemeinen Gründen und zur Hebung des Verkehrs ihre Tarife ermäßigten – z. B. in Deutschland während des Weltkriegs unter der Herrschaft der Blockade –, dadurch ihnen Frachten entzogen würden, und bei den Verhandlungen (1920) der Deutschen Eisenbahnen über die Erhöhung der Gütertarife haben Vertreter der Schiffahrt geradezu bedeutende Erhöhungen der Eisenbahntarife verlangt, weil die vorgeschlagenen nicht genügten, um lohnende Tarife für die Schiffer aufzustellen. Auf diese in den letzten Jahrzehnten sich in allen Ländern abspielende Kämpfe kann hier nicht eingegangen werden (vgl. Ulrich, Staffeltarife und Wasserstraßen. 1894; Sax, Verkehrsmittel, 2. Aufl., Bd. II, S. 25 ff., 31 ff., 250 ff.). Ein derartiger W. ist selbstverständlich in den Landesteilen ausgeschlossen, in denen schiffbare Ströme nicht vorhanden sind.

Ein W. mit der Post ist nur bei Paketen möglich, da diese mit der Post, der die Eisenbahnen durch gesetzliche Bestimmungen Vorzüge zu gewähren verpflichtet sind, billiger befördert werden können als mit der Eisenbahn, ferner ein W. im Geldverkehr (Nachnahmen der Eisenbahnen oft dem Verfrachter bequemer als Postwertsendungen). Ein W. der Telegraphie ist ausgeschlossen, weil diese nur Nachrichten befördert. Die Luftschiffahrt kann im Güterverkehr mit der Eisenbahn nicht in W. treten, im Personenverkehr wäre ein solcher denkbar, wenn die Preise der Luftschiffahrt bedeutend herabgesetzt würden.

Soweit diese Verkehrsanstalten in W. mit der Eisenbahn treten, haben die Eisenbahnen sich in ihrer Preispolitik nicht dadurch beeinflussen lassen. Wenn ihnen auch ein gewisser Verkehr entzogen wurde, so ist dies ein so unbedeutender Teil des Gesamtverkehrs, daß es sich nicht verlohnt, besondere Maßregeln zu treffen, um ihn für die Eisenbahnen zu gewinnen.

III. Die geschichtliche Entwicklung des W.

Es sind zu unterscheiden die Länder, in denen, sei es durch Gesetz, sei es durch organisatorische Maßregeln, die Monopolstellung der Eisenbahnen festgelegt und damit der W., wenn nicht ganz ausgeschlossen so doch stark beschränkt wird und die Länder, in denen der W., durch keinerlei staatliche Maßregeln eingeschränkt, sich frei entwickeln konnte.

Zu den ersteren gehören alle die, in denen das Staatsbahnsystem von Anfang an bestand oder später eingeführt worden ist, also Belgien, die deutschen Mittelstaaten, die Schweiz u. a. In Preußen wird durch § 44 des Ges. über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. November 1838 der Bau von Parallelbahnen auf 30 Jahre untersagt. Andrerseits wird, wie oben bemerkt, durch § 27 desselben Gesetzes der W. auf der Schiene theoretisch zugelassen. Durch Art. 41 der früheren Verfassung des Deutschen Reiches wurden die gesetzlichen Bestimmungen, die bestehenden Eisenbahnunternehmungen ein Widerspruchsrecht gegen die Anlage von Parallel- und Konkurrenzbahnen einräumten, unbeschadet bereits erworbener Rechte aufgehoben. Ein solches Widerspruchsrecht durfte auch in künftig zu erteilenden Konzessionen nicht weiter verliehen werden. Nach Art. 94 der Verfassung vom 11. August 1919 ist das Eisenbahnmonopol des Reiches tatsächlich festgestellt. Die Freiheit des Eisenbahnbaus besteht nur für Bahnen, die nicht dem allgemeinen Verkehr dienen (Kleinbahnen). Ein W. dieser mit den Reichsbahnen ist aber, wenn überhaupt, so nur in beschränktem Umfang möglich.

Von Einfluß auf die Eisenbahnen kann in Deutschland nur der W. der Wasserstraßen sein, u. zw. besonders der großen, durch Ausbau, Vertiefung und Geradlegung unter Aufwand bedeutender Kosten regulierter natürlicher Ströme, des Rheins, der Elbe, der Weser, der Oder in Nord- und Mitteldeutschland, der Donau in Süddeutschland. An einigen Beispielen möge gezeigt werden, wie der Verkehr auf den Wasserstraßen wesentlich stärker gewachsen ist

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keine (bei den natürlichen Wasserstraßen) oder geringe Gebühren zu zahlen sind, daß in den Schiffsgefäßen größere Mengen von Gütern gleichzeitig befördert werden können und die reinen Beförderungskosten auf dem Wasser geringer sind als die auf der Schiene. Dem steht der Nachteil gegenüber, daß die Wassertransporte vom Wind und Wetter abhängig sind (Frost, Niedrigwasser), daß sie länger dauern und besonders bei den natürlichen Strömen, deren Lauf die Schiffe folgen müssen, der Transportweg ein weiterer ist als bei den Eisenbahnen, die ihre Linie, u. zw. die direkte Linie, sich selbst wählen. Der W. äußert sich darin, daß die Wasserstraßen den Eisenbahnen, besonders bei der Benutzung der natürlichen Ströme, Transporte abgenommen haben, die in Ermanglung von Wasserstraßen dem Eisenbahnweg hätten zufallen können. Zur Bekämpfung dieses W. würde den Eisenbahnen das Mittel der Tarifermäßigung zur Verfügung stehen, von dem sie aber wenigstens in Deutschland kaum jemals Gebrauch gemacht haben. Anderseits haben die Schiffer sich wiederholt darüber beschwert, daß, wenn die Eisenbahnen aus allgemeinen Gründen und zur Hebung des Verkehrs ihre Tarife ermäßigten &#x2013; z. B. in Deutschland während des Weltkriegs unter der Herrschaft der Blockade &#x2013;, dadurch ihnen Frachten entzogen würden, und bei den Verhandlungen (1920) der Deutschen Eisenbahnen über die Erhöhung der Gütertarife haben Vertreter der Schiffahrt geradezu bedeutende Erhöhungen der Eisenbahntarife verlangt, weil die vorgeschlagenen nicht genügten, um lohnende Tarife für die Schiffer aufzustellen. Auf diese in den letzten Jahrzehnten sich in allen Ländern abspielende Kämpfe kann hier nicht eingegangen werden (vgl. <hi rendition="#g">Ulrich</hi>, Staffeltarife und Wasserstraßen. 1894; <hi rendition="#g">Sax</hi>, Verkehrsmittel, 2. Aufl., Bd. II, S. 25 ff., 31 ff., 250 ff.). Ein derartiger W. ist selbstverständlich in den Landesteilen ausgeschlossen, in denen schiffbare Ströme nicht vorhanden sind.</p><lb/>
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[374/0404] keine (bei den natürlichen Wasserstraßen) oder geringe Gebühren zu zahlen sind, daß in den Schiffsgefäßen größere Mengen von Gütern gleichzeitig befördert werden können und die reinen Beförderungskosten auf dem Wasser geringer sind als die auf der Schiene. Dem steht der Nachteil gegenüber, daß die Wassertransporte vom Wind und Wetter abhängig sind (Frost, Niedrigwasser), daß sie länger dauern und besonders bei den natürlichen Strömen, deren Lauf die Schiffe folgen müssen, der Transportweg ein weiterer ist als bei den Eisenbahnen, die ihre Linie, u. zw. die direkte Linie, sich selbst wählen. Der W. äußert sich darin, daß die Wasserstraßen den Eisenbahnen, besonders bei der Benutzung der natürlichen Ströme, Transporte abgenommen haben, die in Ermanglung von Wasserstraßen dem Eisenbahnweg hätten zufallen können. Zur Bekämpfung dieses W. würde den Eisenbahnen das Mittel der Tarifermäßigung zur Verfügung stehen, von dem sie aber wenigstens in Deutschland kaum jemals Gebrauch gemacht haben. Anderseits haben die Schiffer sich wiederholt darüber beschwert, daß, wenn die Eisenbahnen aus allgemeinen Gründen und zur Hebung des Verkehrs ihre Tarife ermäßigten – z. B. in Deutschland während des Weltkriegs unter der Herrschaft der Blockade –, dadurch ihnen Frachten entzogen würden, und bei den Verhandlungen (1920) der Deutschen Eisenbahnen über die Erhöhung der Gütertarife haben Vertreter der Schiffahrt geradezu bedeutende Erhöhungen der Eisenbahntarife verlangt, weil die vorgeschlagenen nicht genügten, um lohnende Tarife für die Schiffer aufzustellen. Auf diese in den letzten Jahrzehnten sich in allen Ländern abspielende Kämpfe kann hier nicht eingegangen werden (vgl. Ulrich, Staffeltarife und Wasserstraßen. 1894; Sax, Verkehrsmittel, 2. Aufl., Bd. II, S. 25 ff., 31 ff., 250 ff.). Ein derartiger W. ist selbstverständlich in den Landesteilen ausgeschlossen, in denen schiffbare Ströme nicht vorhanden sind. Ein W. mit der Post ist nur bei Paketen möglich, da diese mit der Post, der die Eisenbahnen durch gesetzliche Bestimmungen Vorzüge zu gewähren verpflichtet sind, billiger befördert werden können als mit der Eisenbahn, ferner ein W. im Geldverkehr (Nachnahmen der Eisenbahnen oft dem Verfrachter bequemer als Postwertsendungen). Ein W. der Telegraphie ist ausgeschlossen, weil diese nur Nachrichten befördert. Die Luftschiffahrt kann im Güterverkehr mit der Eisenbahn nicht in W. treten, im Personenverkehr wäre ein solcher denkbar, wenn die Preise der Luftschiffahrt bedeutend herabgesetzt würden. Soweit diese Verkehrsanstalten in W. mit der Eisenbahn treten, haben die Eisenbahnen sich in ihrer Preispolitik nicht dadurch beeinflussen lassen. Wenn ihnen auch ein gewisser Verkehr entzogen wurde, so ist dies ein so unbedeutender Teil des Gesamtverkehrs, daß es sich nicht verlohnt, besondere Maßregeln zu treffen, um ihn für die Eisenbahnen zu gewinnen. III. Die geschichtliche Entwicklung des W. Es sind zu unterscheiden die Länder, in denen, sei es durch Gesetz, sei es durch organisatorische Maßregeln, die Monopolstellung der Eisenbahnen festgelegt und damit der W., wenn nicht ganz ausgeschlossen so doch stark beschränkt wird und die Länder, in denen der W., durch keinerlei staatliche Maßregeln eingeschränkt, sich frei entwickeln konnte. Zu den ersteren gehören alle die, in denen das Staatsbahnsystem von Anfang an bestand oder später eingeführt worden ist, also Belgien, die deutschen Mittelstaaten, die Schweiz u. a. In Preußen wird durch § 44 des Ges. über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. November 1838 der Bau von Parallelbahnen auf 30 Jahre untersagt. Andrerseits wird, wie oben bemerkt, durch § 27 desselben Gesetzes der W. auf der Schiene theoretisch zugelassen. Durch Art. 41 der früheren Verfassung des Deutschen Reiches wurden die gesetzlichen Bestimmungen, die bestehenden Eisenbahnunternehmungen ein Widerspruchsrecht gegen die Anlage von Parallel- und Konkurrenzbahnen einräumten, unbeschadet bereits erworbener Rechte aufgehoben. Ein solches Widerspruchsrecht durfte auch in künftig zu erteilenden Konzessionen nicht weiter verliehen werden. Nach Art. 94 der Verfassung vom 11. August 1919 ist das Eisenbahnmonopol des Reiches tatsächlich festgestellt. Die Freiheit des Eisenbahnbaus besteht nur für Bahnen, die nicht dem allgemeinen Verkehr dienen (Kleinbahnen). Ein W. dieser mit den Reichsbahnen ist aber, wenn überhaupt, so nur in beschränktem Umfang möglich. Von Einfluß auf die Eisenbahnen kann in Deutschland nur der W. der Wasserstraßen sein, u. zw. besonders der großen, durch Ausbau, Vertiefung und Geradlegung unter Aufwand bedeutender Kosten regulierter natürlicher Ströme, des Rheins, der Elbe, der Weser, der Oder in Nord- und Mitteldeutschland, der Donau in Süddeutschland. An einigen Beispielen möge gezeigt werden, wie der Verkehr auf den Wasserstraßen wesentlich stärker gewachsen ist

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 10. Berlin, Wien, 1923, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen10_1923/404>, abgerufen am 25.11.2024.