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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 8. Berlin, Wien, 1917.

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Es empfiehlt sich, zur Herstellung solcher Verbände die Tetragaze zu verwenden1, die sich aus zahlreichen Gründen ganz vorzüglich dazu eignet. Die verschieden großen 4eckigen Stücke können nach Art eines Sack- oder Handtuches von jedermann leicht angelegt und mit 4 an den Ecken angenähten Bändern sofort in der richtigen Lage festgehalten werden; sie sind dann um so leichter mit Binde oder Tuch zu befestigen. Geeignete Größen sind:


Nr. 1, quadratisch,70 x 70 cm,für Stamm und ganze
Extremitäten,
Nr. 2, rechteckig,70 x 35 cm,für Teilverbände an
Arm und Bein,
Nr. 3, rechteckig,70 x 18 cm,für Kopf und Hals,
Nr. 4, quadratisch,35 x 35 cm,für Hand und Fuß,
Nr. 5, quadratisch,18 x 18 cm,für mehrere Finger,

Nr. 6, bequeme Fingerlinge, 6 x 10 cm, mit angenähter, 150 cm langer Gazebinde.

Die beste Packung dieser Verbände ist jene in runden flachen Blechbüchsen, die ebenso sichere Sterilisierung als unbegrenzte Haltbarkeit gewährleisten. Die nächstbeste Aufbewahrungsart ist jene in wasserdichtem Segeltuch (nach dem Vorbild der Militärpatronen); an letzter Stelle stehen als Notbehelf alle Papierpackungen, da sie stark verschmutzen, durch Einreißen der Hüllen die Keimfreiheit des Inhalts gefährden und im Regen oder auf nassem Boden bei nur einigermaßen unvorsichtiger Gebarung leicht der ganze Vorrat unbrauchbar werden kann.

Im allgemeinen sind dünne Gazelagen ausreichend, da die Verbände nur für wenige Stunden bestimmt sind, und auch deshalb empfehlenswert, weil sie die Eintrocknung des ausfließenden Blutes begünstigen. Brunssche Watte kann dabei ganz entbehrt werden; zur unmittelbaren Wundbedeckung ist sie nicht geeignet, weil ihre Fasern mit der Wunde verfilzen und später nur schwer zu entfernen sind; das Aufbinden dickerer Wattelagen über den Mull ist deshalb nicht zweckmäßig, weil Watte nur in den unteren Schichten gut aufsaugt, dann aber Blut und Sekret zu einer harten Kruste eintrocknen, die mit den Wundrändern verklebt, wodurch ein förmlicher Brutraum für etwa vorhandene Bakterien geschaffen wird.

Keine Wunde darf ausgestopft (tamponiert) werden, nur größere, tiefer reichende Substanzverluste oder weit klaffende Wunden legt der Arzt zweckmäßig mit Gazestreifen locker aus. Jede E. R. Z. (Eiselsberg-Rosmanit-Zdarsky-) Büchse enthält deshalb außer dem Einzelverband noch einen fächerartig gefalteten Streifen von Tetragaze, der mit einer sterilen Kornzange angefaßt und in dieser Art verwendet werden kann.

Die antiseptische2 Methode, die die Vernichtung der etwa in die Wunde bereits eingedrungenen Bakterien durch Verwendung chemischer Mittel anstrebt, kommt für die erste Laienhilfe nicht in Betracht, weil dieser Versuch an sich vollständig aussichtslos ist und alle fäulniswidrigen Mittel schädigend auf die verletzten Gewebe, reizend auf die Umgebung und nach ihrer Aufsaugung durch die Wunde vielfach vergiftend auf den ganzen Organismus wirken. Wunden sollen daher bei der ersten Hilfeleistung niemals mit antiseptischen Lösungen gespült und auch nicht mit Verbandzeug bedeckt werden, das mit derartigen Mitteln imprägniert ist.

Aber auch mit Wasser sollen Wunden und ihre Umgebung nicht gewaschen werden, da Erfahrung und Experiment ergeben haben, daß es auch durch noch so sorgfältige Waschung nicht gelingt, die menschliche Haut keimfrei zu machen und man durch oberflächliche Reinigung nichts weiter erreicht, als daß die Keime, die der umgebenden Haut anhaften, mobilisiert und in die Wunde hineingeschwemmt werden. Dieselben Erwägungen gelten auch für die Hände des Helfers; auch diese werden an der Unfallsstelle zweckmäßiger gar nicht gewaschen, weil die trockene Haut nicht leicht Keime abgibt, also weniger gefährlich ist als die feuchte und weil eine nur selten energisch gewaschene Hand gerade nach stärkerer Bearbeitung beim Abtrocknen reichlich Epidermisschuppen abschilfert, die keineswegs als harmlos zu betrachten sind. Die Fachchirurgen halten es ebenso und sind dadurch in der Lage, rasch von einem Verwundeten zum andern überzugehen, beim Zurechtlegen der Verletzten, beim Aufschneiden und Abnehmen der Kleider mitzuhelfen; zu einem etwa an der Wunde selbst notwendigen Eingriff legt der Arzt sterile Gummihandschuhe an. Nur wo genügend Zeit, heißes fließendes Wasser, Seife und sterilisierte Bürste vorhanden sind und Gelegenheit zur Abtrocknung mit sterilem Zeug gegeben ist, kann die Händereinigung mit Erfolg in Angriff genommen werden. Aber selbst dann muß man sich über das wirklich Erreichbare klar sein. Wenn z. B. dem Samariter vorgeschrieben wird, sich im Rettungswagen während der Fahrt zur Unfallstelle die Hände gründlich zu reinigen, so ist dieses Bestreben gewiß sehr lobenswert, hätte aber nur dann vollen Wert, wenn der Helfer unmittelbar von der Reinigung weg zur Wundversorgung schreiten könnte. Da seiner jedoch vorher noch zahlreiche andere Verrichtungen harren, bei denen neuerliche Verunreinigungen gar nicht zu vermeiden sind, so darf man sich

1 Prinzipien für die erste Hilfeleistung bei Eisenbahnunfällen. Arch. f. R. 1913, Bd. I, S. 199.
2 Fäulniswidrig, keimtötend.

Es empfiehlt sich, zur Herstellung solcher Verbände die Tetragaze zu verwenden1, die sich aus zahlreichen Gründen ganz vorzüglich dazu eignet. Die verschieden großen 4eckigen Stücke können nach Art eines Sack- oder Handtuches von jedermann leicht angelegt und mit 4 an den Ecken angenähten Bändern sofort in der richtigen Lage festgehalten werden; sie sind dann um so leichter mit Binde oder Tuch zu befestigen. Geeignete Größen sind:


Nr. 1, quadratisch,70 × 70 cm,für Stamm und ganze
Extremitäten,
Nr. 2, rechteckig,70 × 35 cm,für Teilverbände an
Arm und Bein,
Nr. 3, rechteckig,70 × 18 cm,für Kopf und Hals,
Nr. 4, quadratisch,35 × 35 cm,für Hand und Fuß,
Nr. 5, quadratisch,18 × 18 cm,für mehrere Finger,

Nr. 6, bequeme Fingerlinge, 6 × 10 cm, mit angenähter, 150 cm langer Gazebinde.

Die beste Packung dieser Verbände ist jene in runden flachen Blechbüchsen, die ebenso sichere Sterilisierung als unbegrenzte Haltbarkeit gewährleisten. Die nächstbeste Aufbewahrungsart ist jene in wasserdichtem Segeltuch (nach dem Vorbild der Militärpatronen); an letzter Stelle stehen als Notbehelf alle Papierpackungen, da sie stark verschmutzen, durch Einreißen der Hüllen die Keimfreiheit des Inhalts gefährden und im Regen oder auf nassem Boden bei nur einigermaßen unvorsichtiger Gebarung leicht der ganze Vorrat unbrauchbar werden kann.

Im allgemeinen sind dünne Gazelagen ausreichend, da die Verbände nur für wenige Stunden bestimmt sind, und auch deshalb empfehlenswert, weil sie die Eintrocknung des ausfließenden Blutes begünstigen. Brunssche Watte kann dabei ganz entbehrt werden; zur unmittelbaren Wundbedeckung ist sie nicht geeignet, weil ihre Fasern mit der Wunde verfilzen und später nur schwer zu entfernen sind; das Aufbinden dickerer Wattelagen über den Mull ist deshalb nicht zweckmäßig, weil Watte nur in den unteren Schichten gut aufsaugt, dann aber Blut und Sekret zu einer harten Kruste eintrocknen, die mit den Wundrändern verklebt, wodurch ein förmlicher Brutraum für etwa vorhandene Bakterien geschaffen wird.

Keine Wunde darf ausgestopft (tamponiert) werden, nur größere, tiefer reichende Substanzverluste oder weit klaffende Wunden legt der Arzt zweckmäßig mit Gazestreifen locker aus. Jede E. R. Z. (Eiselsberg-Rosmanit-Zdarsky-) Büchse enthält deshalb außer dem Einzelverband noch einen fächerartig gefalteten Streifen von Tetragaze, der mit einer sterilen Kornzange angefaßt und in dieser Art verwendet werden kann.

Die antiseptische2 Methode, die die Vernichtung der etwa in die Wunde bereits eingedrungenen Bakterien durch Verwendung chemischer Mittel anstrebt, kommt für die erste Laienhilfe nicht in Betracht, weil dieser Versuch an sich vollständig aussichtslos ist und alle fäulniswidrigen Mittel schädigend auf die verletzten Gewebe, reizend auf die Umgebung und nach ihrer Aufsaugung durch die Wunde vielfach vergiftend auf den ganzen Organismus wirken. Wunden sollen daher bei der ersten Hilfeleistung niemals mit antiseptischen Lösungen gespült und auch nicht mit Verbandzeug bedeckt werden, das mit derartigen Mitteln imprägniert ist.

Aber auch mit Wasser sollen Wunden und ihre Umgebung nicht gewaschen werden, da Erfahrung und Experiment ergeben haben, daß es auch durch noch so sorgfältige Waschung nicht gelingt, die menschliche Haut keimfrei zu machen und man durch oberflächliche Reinigung nichts weiter erreicht, als daß die Keime, die der umgebenden Haut anhaften, mobilisiert und in die Wunde hineingeschwemmt werden. Dieselben Erwägungen gelten auch für die Hände des Helfers; auch diese werden an der Unfallsstelle zweckmäßiger gar nicht gewaschen, weil die trockene Haut nicht leicht Keime abgibt, also weniger gefährlich ist als die feuchte und weil eine nur selten energisch gewaschene Hand gerade nach stärkerer Bearbeitung beim Abtrocknen reichlich Epidermisschuppen abschilfert, die keineswegs als harmlos zu betrachten sind. Die Fachchirurgen halten es ebenso und sind dadurch in der Lage, rasch von einem Verwundeten zum andern überzugehen, beim Zurechtlegen der Verletzten, beim Aufschneiden und Abnehmen der Kleider mitzuhelfen; zu einem etwa an der Wunde selbst notwendigen Eingriff legt der Arzt sterile Gummihandschuhe an. Nur wo genügend Zeit, heißes fließendes Wasser, Seife und sterilisierte Bürste vorhanden sind und Gelegenheit zur Abtrocknung mit sterilem Zeug gegeben ist, kann die Händereinigung mit Erfolg in Angriff genommen werden. Aber selbst dann muß man sich über das wirklich Erreichbare klar sein. Wenn z. B. dem Samariter vorgeschrieben wird, sich im Rettungswagen während der Fahrt zur Unfallstelle die Hände gründlich zu reinigen, so ist dieses Bestreben gewiß sehr lobenswert, hätte aber nur dann vollen Wert, wenn der Helfer unmittelbar von der Reinigung weg zur Wundversorgung schreiten könnte. Da seiner jedoch vorher noch zahlreiche andere Verrichtungen harren, bei denen neuerliche Verunreinigungen gar nicht zu vermeiden sind, so darf man sich

1 Prinzipien für die erste Hilfeleistung bei Eisenbahnunfällen. Arch. f. R. 1913, Bd. I, S. 199.
2 Fäulniswidrig, keimtötend.
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[200/0214] Es empfiehlt sich, zur Herstellung solcher Verbände die Tetragaze zu verwenden 1, die sich aus zahlreichen Gründen ganz vorzüglich dazu eignet. Die verschieden großen 4eckigen Stücke können nach Art eines Sack- oder Handtuches von jedermann leicht angelegt und mit 4 an den Ecken angenähten Bändern sofort in der richtigen Lage festgehalten werden; sie sind dann um so leichter mit Binde oder Tuch zu befestigen. Geeignete Größen sind: Nr. 1, quadratisch, 70 × 70 cm, für Stamm und ganze Extremitäten, Nr. 2, rechteckig, 70 × 35 cm, für Teilverbände an Arm und Bein, Nr. 3, rechteckig, 70 × 18 cm, für Kopf und Hals, Nr. 4, quadratisch, 35 × 35 cm, für Hand und Fuß, Nr. 5, quadratisch, 18 × 18 cm, für mehrere Finger, Nr. 6, bequeme Fingerlinge, 6 × 10 cm, mit angenähter, 150 cm langer Gazebinde. Die beste Packung dieser Verbände ist jene in runden flachen Blechbüchsen, die ebenso sichere Sterilisierung als unbegrenzte Haltbarkeit gewährleisten. Die nächstbeste Aufbewahrungsart ist jene in wasserdichtem Segeltuch (nach dem Vorbild der Militärpatronen); an letzter Stelle stehen als Notbehelf alle Papierpackungen, da sie stark verschmutzen, durch Einreißen der Hüllen die Keimfreiheit des Inhalts gefährden und im Regen oder auf nassem Boden bei nur einigermaßen unvorsichtiger Gebarung leicht der ganze Vorrat unbrauchbar werden kann. Im allgemeinen sind dünne Gazelagen ausreichend, da die Verbände nur für wenige Stunden bestimmt sind, und auch deshalb empfehlenswert, weil sie die Eintrocknung des ausfließenden Blutes begünstigen. Brunssche Watte kann dabei ganz entbehrt werden; zur unmittelbaren Wundbedeckung ist sie nicht geeignet, weil ihre Fasern mit der Wunde verfilzen und später nur schwer zu entfernen sind; das Aufbinden dickerer Wattelagen über den Mull ist deshalb nicht zweckmäßig, weil Watte nur in den unteren Schichten gut aufsaugt, dann aber Blut und Sekret zu einer harten Kruste eintrocknen, die mit den Wundrändern verklebt, wodurch ein förmlicher Brutraum für etwa vorhandene Bakterien geschaffen wird. Keine Wunde darf ausgestopft (tamponiert) werden, nur größere, tiefer reichende Substanzverluste oder weit klaffende Wunden legt der Arzt zweckmäßig mit Gazestreifen locker aus. Jede E. R. Z. (Eiselsberg-Rosmanit-Zdarsky-) Büchse enthält deshalb außer dem Einzelverband noch einen fächerartig gefalteten Streifen von Tetragaze, der mit einer sterilen Kornzange angefaßt und in dieser Art verwendet werden kann. Die antiseptische 2 Methode, die die Vernichtung der etwa in die Wunde bereits eingedrungenen Bakterien durch Verwendung chemischer Mittel anstrebt, kommt für die erste Laienhilfe nicht in Betracht, weil dieser Versuch an sich vollständig aussichtslos ist und alle fäulniswidrigen Mittel schädigend auf die verletzten Gewebe, reizend auf die Umgebung und nach ihrer Aufsaugung durch die Wunde vielfach vergiftend auf den ganzen Organismus wirken. Wunden sollen daher bei der ersten Hilfeleistung niemals mit antiseptischen Lösungen gespült und auch nicht mit Verbandzeug bedeckt werden, das mit derartigen Mitteln imprägniert ist. Aber auch mit Wasser sollen Wunden und ihre Umgebung nicht gewaschen werden, da Erfahrung und Experiment ergeben haben, daß es auch durch noch so sorgfältige Waschung nicht gelingt, die menschliche Haut keimfrei zu machen und man durch oberflächliche Reinigung nichts weiter erreicht, als daß die Keime, die der umgebenden Haut anhaften, mobilisiert und in die Wunde hineingeschwemmt werden. Dieselben Erwägungen gelten auch für die Hände des Helfers; auch diese werden an der Unfallsstelle zweckmäßiger gar nicht gewaschen, weil die trockene Haut nicht leicht Keime abgibt, also weniger gefährlich ist als die feuchte und weil eine nur selten energisch gewaschene Hand gerade nach stärkerer Bearbeitung beim Abtrocknen reichlich Epidermisschuppen abschilfert, die keineswegs als harmlos zu betrachten sind. Die Fachchirurgen halten es ebenso und sind dadurch in der Lage, rasch von einem Verwundeten zum andern überzugehen, beim Zurechtlegen der Verletzten, beim Aufschneiden und Abnehmen der Kleider mitzuhelfen; zu einem etwa an der Wunde selbst notwendigen Eingriff legt der Arzt sterile Gummihandschuhe an. Nur wo genügend Zeit, heißes fließendes Wasser, Seife und sterilisierte Bürste vorhanden sind und Gelegenheit zur Abtrocknung mit sterilem Zeug gegeben ist, kann die Händereinigung mit Erfolg in Angriff genommen werden. Aber selbst dann muß man sich über das wirklich Erreichbare klar sein. Wenn z. B. dem Samariter vorgeschrieben wird, sich im Rettungswagen während der Fahrt zur Unfallstelle die Hände gründlich zu reinigen, so ist dieses Bestreben gewiß sehr lobenswert, hätte aber nur dann vollen Wert, wenn der Helfer unmittelbar von der Reinigung weg zur Wundversorgung schreiten könnte. Da seiner jedoch vorher noch zahlreiche andere Verrichtungen harren, bei denen neuerliche Verunreinigungen gar nicht zu vermeiden sind, so darf man sich 1 Prinzipien für die erste Hilfeleistung bei Eisenbahnunfällen. Arch. f. R. 1913, Bd. I, S. 199. 2 Fäulniswidrig, keimtötend.

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 8. Berlin, Wien, 1917, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen08_1917/214>, abgerufen am 25.11.2024.