Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 8. Berlin, Wien, 1917.in jedem für den regelmäßigen Beförderungsdienst bestimmten Zug auf Verlangen und nach freier Wahl der Reichspostverwaltung: a) Die Beförderung der Postsendungen durch die Vermittlung des Zugpersonals gegen eine Vergütung bewirken zu lassen; b) Briefbeutel sowie Brief- und Zeitungspakete mit Ausschluß anderer Postsendungen zur Beförderung durch das Zugpersonal gegen Entschädigung zu übernehmen; c) die Beförderung von Briefbeuteln sowie Brief- und Zeitungspaketen durch einen Postbeamten zu gestatten, dem Platz in einem Wagen III. Klasse gegen Zahlung der Gebühr der IV. Klasse anzuweisen ist; d) eine Abteilung eines Eisenbahnwagens zur Beförderung der Postsendungen, des Postbegleitpersonals und der erforderlichen Postdienstgeräte gegen Vergütung einzuräumen; e) einen von der Postverwaltung gestellten Eisenbahnpostwagen gegen Vergütung zu befördern. 3. Für Kleinbahnen in Preußen (Ges. vom 28. Juli 1892, § 42). Auf Verlangen der Postverwaltung ist bei jeder regelmäßigen Fahrt ein Unterbeamter mit einem Briefsack zum Abonnements- oder zum halben tarifmäßigen Preis zu befördern. Dient die Bahn nicht ausschließlich dem Personenverkehr, so sind Postsendungen jeder Art durch Vermittlung des Zugpersonals gegen Zahlung der im Gesetz festgestellten Vergütung zu befördern. Die Bahnunternehmer sind verpflichtet, auf Verlangen in Zügen mit mehr als einem Personenwagen für die Postsendungen nebst Begleitpersonal und Geräten ein Wagenabteil zur Verfügung zu stellen, wofür gleichfalls eine Vergütung zu zahlen ist. An den Bahnwagen des regelmäßigen Verkehrs kann die Post Briefkasten anbringen und bedienen lassen. 4. Bayern. Postregal und Postzwang bestanden im wesentlichen in demselben Umfang wie in Preußen. Da in Bayern seit Erwerb der pfälzischen Bahnen fast alle Eisenbahnen im Besitz des Staates, Post- und Eisenbahnverwaltung also in einer Hand vereinigt sind, so beschränkt sich die Regierung darauf, den Wert der Leistungen für die Post rechnungsmäßig festzusetzen und die Einnahme dafür in den Eisenbahnetat einzustellen. Die Postverwaltung hat der Eisenbahn für die Beistellung, Unterhaltung, Erneuerung, Heizung, Beleuchtung, Reinigung und Beförderung der Eisenbahnpostwagen und Postabteilwagen einen Bauschbetrag von 5 Pf. f. d. Achs km eines Eisenbahnpostwagens und 5 Pf. f. d. Wagen km eines Postabteilwagens zu vergüten. Dieselbe Vergütung wird den wenigen in Bayern noch vorhandenen Privatbahnen und den fremden im bayerischen Gebiet gelegenen Bahnen gezahlt (vgl. Poppe, a. a. O., S. 31 ff.). 5. Württemberg. Die dort bestehenden Privilegien der Thurn und Taxis'schen Postverwaltung wurden im Jahre 1851 abgelöst, nachdem die württembergische Regierung bei Eröffnung der ersten Eisenbahn der Taxis'schen Verwaltung die Benutzung der Eisenbahnen von vornherein untersagt hatte (vgl. Poppe, Württemberg und die Taxis'sche Post. Arch. f. Post und Telegraphie 1915, S. 97 ff.). Da in Württemberg die Eisenbahn- und Postverwaltung in einer Hand ruhen, so wurde, wie in Bayern, im Verwaltungsweg der Wert der Eisenbahnleistungen für die Post in einer Bauschsumme festgesetzt und in den Etat der Eisenbahnverwaltung als Einnahmepost eingestellt. Die Post vergütet für Benutzung der den Eisenbahnen gehörigen Bahnpostwagen und Postabteile 31/2% der Anschaffungskosten und für die Beförderung, Unterhaltung, Schmierung, äußere Reinigung und Heizung der Bahnpostwagen 7 Pf. f. d. Achs km bei den Postwagen und 7 Pf. f. d. Wagen km bei den Postabteilen. Diese Beträge sollen den Selbstkosten ungefähr entsprechen (vgl. Poppe, a. a. O., S. 33 ff.). C. Wert der Leistungen der Eisenbahnen zu gunsten der Post. In den letzten Jahren ist in der Fachpresse und in den Parlamenten die Frage viel erörtert worden, wie hoch die Leistungen der Eisenbahnen für die Postverwaltung insbesondere im Gebiet des Eisenbahnpostgesetzes von 1875 finanziell zu bewerten sind. Da die Eisenbahnen einzelstaatliche Anstalten sind, die Post eine Reichsanstalt ist, und darüber kein Zweifel besteht, daß die Leistungen der Eisenbahnen durch die von der Post für einzelne Leistungen gezahlte Vergütung nicht voll ausgeglichen werden, so wurde gleichzeitig die Frage geprüft, ob eine derartige Unterstützung der Reichspost durch die Staatsbahnen innerlich berechtigt und ob, wenn dies nicht der Fall, eine andere Feststellung der von der Post zu zahlenden Vergütung durch Änderung der Eisenbahnpostgesetze zu empfehlen sei. Die preußische Staatsbahn Verwaltung hat seit 1892 alljährlich Berechnungen über die den preußischen Staatsbahnen durch die Leistungen für Postzwecke entstehenden Selbstkosten angestellt und im Betriebsbericht und im Etat veröffentlicht. Im Jahre 1910 sollte hiernach der Betrag der von der Postverwaltung nicht gedeckten Selbstkosten sich auf rd. 391/2 Mill. M. belaufen. Die Höhe dieser Summe ist von anderer Seite beanständet worden. Zu praktischen Ergebnissen haben diese Ermittlungen nicht geführt und sie sind seit dem Jahre 1911 eingestellt worden (vgl. hierzu die unter Literatur aufgeführte Denkschrift und den Aufsatz von Peters). 2. Österreich und Ungarn1. Nach § 68 der EBO. vom 16. November 1851 in Verbindung mit dem (österreichischen) Eisenbahnkonzessionsgesetz vom 14. September 1854 und den einschlägigen Konzessionsbestimmungen sind die Eisenbahnen zur unentgeltlichen 1 Wegen der geschichtlichen Entwicklung vgl. Röll, Die Entwicklung der Eisenbahngesetzgebung in Österreich in der Geschichte der Eisenbahnen der österreichisch-ungarischen Monarchie, Bd. IV.
in jedem für den regelmäßigen Beförderungsdienst bestimmten Zug auf Verlangen und nach freier Wahl der Reichspostverwaltung: a) Die Beförderung der Postsendungen durch die Vermittlung des Zugpersonals gegen eine Vergütung bewirken zu lassen; b) Briefbeutel sowie Brief- und Zeitungspakete mit Ausschluß anderer Postsendungen zur Beförderung durch das Zugpersonal gegen Entschädigung zu übernehmen; c) die Beförderung von Briefbeuteln sowie Brief- und Zeitungspaketen durch einen Postbeamten zu gestatten, dem Platz in einem Wagen III. Klasse gegen Zahlung der Gebühr der IV. Klasse anzuweisen ist; d) eine Abteilung eines Eisenbahnwagens zur Beförderung der Postsendungen, des Postbegleitpersonals und der erforderlichen Postdienstgeräte gegen Vergütung einzuräumen; e) einen von der Postverwaltung gestellten Eisenbahnpostwagen gegen Vergütung zu befördern. 3. Für Kleinbahnen in Preußen (Ges. vom 28. Juli 1892, § 42). Auf Verlangen der Postverwaltung ist bei jeder regelmäßigen Fahrt ein Unterbeamter mit einem Briefsack zum Abonnements- oder zum halben tarifmäßigen Preis zu befördern. Dient die Bahn nicht ausschließlich dem Personenverkehr, so sind Postsendungen jeder Art durch Vermittlung des Zugpersonals gegen Zahlung der im Gesetz festgestellten Vergütung zu befördern. Die Bahnunternehmer sind verpflichtet, auf Verlangen in Zügen mit mehr als einem Personenwagen für die Postsendungen nebst Begleitpersonal und Geräten ein Wagenabteil zur Verfügung zu stellen, wofür gleichfalls eine Vergütung zu zahlen ist. An den Bahnwagen des regelmäßigen Verkehrs kann die Post Briefkasten anbringen und bedienen lassen. 4. Bayern. Postregal und Postzwang bestanden im wesentlichen in demselben Umfang wie in Preußen. Da in Bayern seit Erwerb der pfälzischen Bahnen fast alle Eisenbahnen im Besitz des Staates, Post- und Eisenbahnverwaltung also in einer Hand vereinigt sind, so beschränkt sich die Regierung darauf, den Wert der Leistungen für die Post rechnungsmäßig festzusetzen und die Einnahme dafür in den Eisenbahnetat einzustellen. Die Postverwaltung hat der Eisenbahn für die Beistellung, Unterhaltung, Erneuerung, Heizung, Beleuchtung, Reinigung und Beförderung der Eisenbahnpostwagen und Postabteilwagen einen Bauschbetrag von 5 Pf. f. d. Achs km eines Eisenbahnpostwagens und 5 Pf. f. d. Wagen km eines Postabteilwagens zu vergüten. Dieselbe Vergütung wird den wenigen in Bayern noch vorhandenen Privatbahnen und den fremden im bayerischen Gebiet gelegenen Bahnen gezahlt (vgl. Poppe, a. a. O., S. 31 ff.). 5. Württemberg. Die dort bestehenden Privilegien der Thurn und Taxis'schen Postverwaltung wurden im Jahre 1851 abgelöst, nachdem die württembergische Regierung bei Eröffnung der ersten Eisenbahn der Taxis'schen Verwaltung die Benutzung der Eisenbahnen von vornherein untersagt hatte (vgl. Poppe, Württemberg und die Taxis'sche Post. Arch. f. Post und Telegraphie 1915, S. 97 ff.). Da in Württemberg die Eisenbahn- und Postverwaltung in einer Hand ruhen, so wurde, wie in Bayern, im Verwaltungsweg der Wert der Eisenbahnleistungen für die Post in einer Bauschsumme festgesetzt und in den Etat der Eisenbahnverwaltung als Einnahmepost eingestellt. Die Post vergütet für Benutzung der den Eisenbahnen gehörigen Bahnpostwagen und Postabteile 31/2% der Anschaffungskosten und für die Beförderung, Unterhaltung, Schmierung, äußere Reinigung und Heizung der Bahnpostwagen 7 Pf. f. d. Achs km bei den Postwagen und 7 Pf. f. d. Wagen km bei den Postabteilen. Diese Beträge sollen den Selbstkosten ungefähr entsprechen (vgl. Poppe, a. a. O., S. 33 ff.). C. Wert der Leistungen der Eisenbahnen zu gunsten der Post. In den letzten Jahren ist in der Fachpresse und in den Parlamenten die Frage viel erörtert worden, wie hoch die Leistungen der Eisenbahnen für die Postverwaltung insbesondere im Gebiet des Eisenbahnpostgesetzes von 1875 finanziell zu bewerten sind. Da die Eisenbahnen einzelstaatliche Anstalten sind, die Post eine Reichsanstalt ist, und darüber kein Zweifel besteht, daß die Leistungen der Eisenbahnen durch die von der Post für einzelne Leistungen gezahlte Vergütung nicht voll ausgeglichen werden, so wurde gleichzeitig die Frage geprüft, ob eine derartige Unterstützung der Reichspost durch die Staatsbahnen innerlich berechtigt und ob, wenn dies nicht der Fall, eine andere Feststellung der von der Post zu zahlenden Vergütung durch Änderung der Eisenbahnpostgesetze zu empfehlen sei. Die preußische Staatsbahn Verwaltung hat seit 1892 alljährlich Berechnungen über die den preußischen Staatsbahnen durch die Leistungen für Postzwecke entstehenden Selbstkosten angestellt und im Betriebsbericht und im Etat veröffentlicht. Im Jahre 1910 sollte hiernach der Betrag der von der Postverwaltung nicht gedeckten Selbstkosten sich auf rd. 391/2 Mill. M. belaufen. Die Höhe dieser Summe ist von anderer Seite beanständet worden. Zu praktischen Ergebnissen haben diese Ermittlungen nicht geführt und sie sind seit dem Jahre 1911 eingestellt worden (vgl. hierzu die unter Literatur aufgeführte Denkschrift und den Aufsatz von Peters). 2. Österreich und Ungarn1. Nach § 68 der EBO. vom 16. November 1851 in Verbindung mit dem (österreichischen) Eisenbahnkonzessionsgesetz vom 14. September 1854 und den einschlägigen Konzessionsbestimmungen sind die Eisenbahnen zur unentgeltlichen 1 Wegen der geschichtlichen Entwicklung vgl. Röll, Die Entwicklung der Eisenbahngesetzgebung in Österreich in der Geschichte der Eisenbahnen der österreichisch-ungarischen Monarchie, Bd. IV.
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Die Bahnunternehmer sind verpflichtet, auf Verlangen in Zügen mit mehr als einem Personenwagen für die Postsendungen nebst Begleitpersonal und Geräten ein Wagenabteil zur Verfügung zu stellen, wofür gleichfalls eine Vergütung zu zahlen ist. An den Bahnwagen des regelmäßigen Verkehrs kann die Post Briefkasten anbringen und bedienen lassen.</p><lb/> <p>4. <hi rendition="#g">Bayern</hi>. Postregal und Postzwang bestanden im wesentlichen in demselben Umfang wie in Preußen. 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in jedem für den regelmäßigen Beförderungsdienst bestimmten Zug auf Verlangen und nach freier Wahl der Reichspostverwaltung:
a) Die Beförderung der Postsendungen durch die Vermittlung des Zugpersonals gegen eine Vergütung bewirken zu lassen;
b) Briefbeutel sowie Brief- und Zeitungspakete mit Ausschluß anderer Postsendungen zur Beförderung durch das Zugpersonal gegen Entschädigung zu übernehmen;
c) die Beförderung von Briefbeuteln sowie Brief- und Zeitungspaketen durch einen Postbeamten zu gestatten, dem Platz in einem Wagen III. Klasse gegen Zahlung der Gebühr der IV. Klasse anzuweisen ist;
d) eine Abteilung eines Eisenbahnwagens zur Beförderung der Postsendungen, des Postbegleitpersonals und der erforderlichen Postdienstgeräte gegen Vergütung einzuräumen;
e) einen von der Postverwaltung gestellten Eisenbahnpostwagen gegen Vergütung zu befördern.
3. Für Kleinbahnen in Preußen (Ges. vom 28. Juli 1892, § 42).
Auf Verlangen der Postverwaltung ist bei jeder regelmäßigen Fahrt ein Unterbeamter mit einem Briefsack zum Abonnements- oder zum halben tarifmäßigen Preis zu befördern. Dient die Bahn nicht ausschließlich dem Personenverkehr, so sind Postsendungen jeder Art durch Vermittlung des Zugpersonals gegen Zahlung der im Gesetz festgestellten Vergütung zu befördern. Die Bahnunternehmer sind verpflichtet, auf Verlangen in Zügen mit mehr als einem Personenwagen für die Postsendungen nebst Begleitpersonal und Geräten ein Wagenabteil zur Verfügung zu stellen, wofür gleichfalls eine Vergütung zu zahlen ist. An den Bahnwagen des regelmäßigen Verkehrs kann die Post Briefkasten anbringen und bedienen lassen.
4. Bayern. Postregal und Postzwang bestanden im wesentlichen in demselben Umfang wie in Preußen. Da in Bayern seit Erwerb der pfälzischen Bahnen fast alle Eisenbahnen im Besitz des Staates, Post- und Eisenbahnverwaltung also in einer Hand vereinigt sind, so beschränkt sich die Regierung darauf, den Wert der Leistungen für die Post rechnungsmäßig festzusetzen und die Einnahme dafür in den Eisenbahnetat einzustellen.
Die Postverwaltung hat der Eisenbahn für die Beistellung, Unterhaltung, Erneuerung, Heizung, Beleuchtung, Reinigung und Beförderung der Eisenbahnpostwagen und Postabteilwagen einen Bauschbetrag von 5 Pf. f. d. Achs km eines Eisenbahnpostwagens und 5 Pf. f. d. Wagen km eines Postabteilwagens zu vergüten. Dieselbe Vergütung wird den wenigen in Bayern noch vorhandenen Privatbahnen und den fremden im bayerischen Gebiet gelegenen Bahnen gezahlt (vgl. Poppe, a. a. O., S. 31 ff.).
5. Württemberg. Die dort bestehenden Privilegien der Thurn und Taxis'schen Postverwaltung wurden im Jahre 1851 abgelöst, nachdem die württembergische Regierung bei Eröffnung der ersten Eisenbahn der Taxis'schen Verwaltung die Benutzung der Eisenbahnen von vornherein untersagt hatte (vgl. Poppe, Württemberg und die Taxis'sche Post. Arch. f. Post und Telegraphie 1915, S. 97 ff.). Da in Württemberg die Eisenbahn- und Postverwaltung in einer Hand ruhen, so wurde, wie in Bayern, im Verwaltungsweg der Wert der Eisenbahnleistungen für die Post in einer Bauschsumme festgesetzt und in den Etat der Eisenbahnverwaltung als Einnahmepost eingestellt.
Die Post vergütet für Benutzung der den Eisenbahnen gehörigen Bahnpostwagen und Postabteile 31/2% der Anschaffungskosten und für die Beförderung, Unterhaltung, Schmierung, äußere Reinigung und Heizung der Bahnpostwagen 7 Pf. f. d. Achs km bei den Postwagen und 7 Pf. f. d. Wagen km bei den Postabteilen. Diese Beträge sollen den Selbstkosten ungefähr entsprechen (vgl. Poppe, a. a. O., S. 33 ff.).
C. Wert der Leistungen der Eisenbahnen zu gunsten der Post.
In den letzten Jahren ist in der Fachpresse und in den Parlamenten die Frage viel erörtert worden, wie hoch die Leistungen der Eisenbahnen für die Postverwaltung insbesondere im Gebiet des Eisenbahnpostgesetzes von 1875 finanziell zu bewerten sind. Da die Eisenbahnen einzelstaatliche Anstalten sind, die Post eine Reichsanstalt ist, und darüber kein Zweifel besteht, daß die Leistungen der Eisenbahnen durch die von der Post für einzelne Leistungen gezahlte Vergütung nicht voll ausgeglichen werden, so wurde gleichzeitig die Frage geprüft, ob eine derartige Unterstützung der Reichspost durch die Staatsbahnen innerlich berechtigt und ob, wenn dies nicht der Fall, eine andere Feststellung der von der Post zu zahlenden Vergütung durch Änderung der Eisenbahnpostgesetze zu empfehlen sei. Die preußische Staatsbahn Verwaltung hat seit 1892 alljährlich Berechnungen über die den preußischen Staatsbahnen durch die Leistungen für Postzwecke entstehenden Selbstkosten angestellt und im Betriebsbericht und im Etat veröffentlicht. Im Jahre 1910 sollte hiernach der Betrag der von der Postverwaltung nicht gedeckten Selbstkosten sich auf rd. 391/2 Mill. M. belaufen. Die Höhe dieser Summe ist von anderer Seite beanständet worden. Zu praktischen Ergebnissen haben diese Ermittlungen nicht geführt und sie sind seit dem Jahre 1911 eingestellt worden (vgl. hierzu die unter Literatur aufgeführte Denkschrift und den Aufsatz von Peters).
2. Österreich und Ungarn 1.
Nach § 68 der EBO. vom 16. November 1851 in Verbindung mit dem (österreichischen) Eisenbahnkonzessionsgesetz vom 14. September 1854 und den einschlägigen Konzessionsbestimmungen sind die Eisenbahnen zur unentgeltlichen
1 Wegen der geschichtlichen Entwicklung vgl. Röll, Die Entwicklung der Eisenbahngesetzgebung in Österreich in der Geschichte der Eisenbahnen der österreichisch-ungarischen Monarchie, Bd. IV.
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Zitationshilfe: | Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 8. Berlin, Wien, 1917, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen08_1917/112>, abgerufen am 23.07.2024. |