Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 7. Berlin, Wien, 1915.u. dgl. ist zu berücksichtigen, daß sie bei unmittelbarer Nähe des Empfangsgebäudes in Form und Farbe äußerst zurückhaltend behandelt werden müssen, damit dieses unbedingt die Dominante des ganzen Baukomplexes bleibe. Stehen sie dagegen in solcher Entfernung vom Hauptgebäude, daß sie mit diesem nicht zu einer Bildwirkung kommen, dürfen sie wohl etwas selbständiger und anspruchsvoller gestaltet werden. Jedoch ist auch hierbei zu beachten, daß überflüssige Aufbauten und aufdringliche Farben vermieden werden. Besonders sorgfältig ist die Farbengebung des Holzwerks zu erwägen. Im übrigen ergibt sich die äußere und innere Durchbildung der Nebengebäude im großen und ganzen aus ihrer Zweckbestimmung und stehen hierbei die technischen Gesichtspunkte gegenüber den künstlerischen im Vordergrund. 2. Kunstbauten. Den "Kunstbauten", zu denen Brücken, Übergänge, Tunnelportale u. s. w. gehören, wird seit einer Reihe von Jahren seitens der Eisenbahnverwaltungen eine besondere Sorgfalt zugewendet. Noch vor wenigen Jahrzehnten kannte man als Material für größere Brücken nur Stein und Eisen. Dank den Bemühungen hervorragender Künstler gelang es allmählich, auch den eisernen Brücken gefällige und materialgemäße Formen abzugewinnen. Beispiele hiervon findet man bei den meisten Hochbahnen der modernen Großstädte (in Berlin von Tettau und Grenander, in Wien von Wagner und Hoffmann). Die Erfindung des Eisenbetons hat im Brückenbau eine gewaltige Umwälzung hervorgerufen, die allerdings allmählich zu einer Überschätzung der künstlerischen und wirtschaftlichen Bedeutung dieses Materials führte. Zuerst von Architekten wie Ingenieuren mit Widerstreben aufgenommen, schien es bald alle übrigen Materialien verdrängen zu wollen. Das Eisen wurde als unkünstlerisches Material fortan in Acht und Bann getan und seine Verwendung auch bei den bescheidensten Bauwerken ausgeschlossen. Eisenbeton wurde auch da vorgeschrieben, wo das leichtere, elegantere Material des Eisens am Platz gewesen wäre. Man könnte Fälle aus dem Bahnbau der allerletzten Zeit anführen, wo die prächtigsten Täler in ihrer ganzen Breite von den riesigen Betonmassen übereinanderliegender, sich kreuzender Bahnkörper angefüllt und dadurch der landschaftlichen Schönheit und Übersichtlichkeit beraubt wurden, was bei häufigerer Verwendung durchsichtiger eiserner Konstruktionen hätte vermieden werden können. Solche Fälle sind dort um so bedauerlicher, wo die Anwendung von Eisenbeton auch wirtschaftlich von zweifelhaftem Wert ist. Die unbedingte und ausschließliche Verwendung dieses Materials dürfte dann wirtschaftlich bedenklich sein, wenn Veränderungen oder gar Auswechslungen des Bahnkörpers oder von Brückenteilen notwendig werden. Daß solche nur mit unverhältnismäßig großen Anforderungen von Zeit und Geld bewerkstelligt werden können, weiß jeder Kenner des Eisenbetons. Es ist ein großes Verdienst des Stahlwerkverbands, durch seine Propaganda auf den wirtschaftlichen und namentlich künstlerischen Wert des Eisens wieder aufmerksam gemacht und damit die Verwendung des Eisenbetons auf sein normales Maß zurückgebracht zu haben. Der Wettstreit zwischen Eisen und Eisenbeton läßt sich wohl dahin entscheiden, daß keines der beiden Materialien vor dem andern einen grundsätzlichen und absoluten Vorzug hat, daß vielmehr in jedem einzelnen Fall nach Erwägung der wirtschaftlichen und künstlerischen Momente die Wahl zu treffen ist. Besonders schwierige Aufgaben werden dem Baukünstler bei der architektonischen Ausgestaltung der Eisenbrücken gestellt. Und zwar ist es nicht etwa die künstlerische Durchbildung der Eisenteile selbst, die recht erfreuliche Lösungen gefunden hat, sondern vielmehr die Verbindung des Eisens mit Stein am Ortpfeiler. Eine künstlerisch einwandfreie Lösung dieses Problems liegt bisher nicht vor. Bei großen Brücken wurde meist das Motiv eines mittelalterlichen Tores verwendet und man glaubte dabei durch Anhäufung von riesigen Massen der monumentalen Gestaltung der Eisenkonstruktionen ein Gegengewicht geben zu können. Daß der Erfolg ausgeblieben, nimmt nicht wunder, da die Steigerung des absoluten Maßstabs und der Größe der Baumassen nicht auch eine Steigerung des monumentalen Charakters im Gefolge zu haben braucht. So manche Riesendenkmäler der neuesten Zeit geben Zeugnis davon. Stehen die Brücken in freier Landschaft, sollte von der Verwendung steinerner Ortpfeiler ganz abgesehen und die künstlerische Wirkung in der schönen Linienführung und klaren Disposition der Eisenteile gesucht werden. Daß in der Tat mit solchen Mitteln prächtige Wirkungen erzielt werden können, zeigt die alte Britannia-Brücke in London sowie die Kaiser-Wilhelm-Brücke in Münster. Wo die Brücke jedoch in unmittelbare Nähe von Wohngebäuden zu stehen kommt, wird man auf eine Beziehung zu deren steinerner Architektur nicht ganz verzichten können. Allein auch hier scheint die äußerste Beschränkung in der Verwendung u. dgl. ist zu berücksichtigen, daß sie bei unmittelbarer Nähe des Empfangsgebäudes in Form und Farbe äußerst zurückhaltend behandelt werden müssen, damit dieses unbedingt die Dominante des ganzen Baukomplexes bleibe. Stehen sie dagegen in solcher Entfernung vom Hauptgebäude, daß sie mit diesem nicht zu einer Bildwirkung kommen, dürfen sie wohl etwas selbständiger und anspruchsvoller gestaltet werden. Jedoch ist auch hierbei zu beachten, daß überflüssige Aufbauten und aufdringliche Farben vermieden werden. Besonders sorgfältig ist die Farbengebung des Holzwerks zu erwägen. Im übrigen ergibt sich die äußere und innere Durchbildung der Nebengebäude im großen und ganzen aus ihrer Zweckbestimmung und stehen hierbei die technischen Gesichtspunkte gegenüber den künstlerischen im Vordergrund. 2. Kunstbauten. Den „Kunstbauten“, zu denen Brücken, Übergänge, Tunnelportale u. s. w. gehören, wird seit einer Reihe von Jahren seitens der Eisenbahnverwaltungen eine besondere Sorgfalt zugewendet. Noch vor wenigen Jahrzehnten kannte man als Material für größere Brücken nur Stein und Eisen. Dank den Bemühungen hervorragender Künstler gelang es allmählich, auch den eisernen Brücken gefällige und materialgemäße Formen abzugewinnen. Beispiele hiervon findet man bei den meisten Hochbahnen der modernen Großstädte (in Berlin von Tettau und Grenander, in Wien von Wagner und Hoffmann). Die Erfindung des Eisenbetons hat im Brückenbau eine gewaltige Umwälzung hervorgerufen, die allerdings allmählich zu einer Überschätzung der künstlerischen und wirtschaftlichen Bedeutung dieses Materials führte. Zuerst von Architekten wie Ingenieuren mit Widerstreben aufgenommen, schien es bald alle übrigen Materialien verdrängen zu wollen. Das Eisen wurde als unkünstlerisches Material fortan in Acht und Bann getan und seine Verwendung auch bei den bescheidensten Bauwerken ausgeschlossen. Eisenbeton wurde auch da vorgeschrieben, wo das leichtere, elegantere Material des Eisens am Platz gewesen wäre. Man könnte Fälle aus dem Bahnbau der allerletzten Zeit anführen, wo die prächtigsten Täler in ihrer ganzen Breite von den riesigen Betonmassen übereinanderliegender, sich kreuzender Bahnkörper angefüllt und dadurch der landschaftlichen Schönheit und Übersichtlichkeit beraubt wurden, was bei häufigerer Verwendung durchsichtiger eiserner Konstruktionen hätte vermieden werden können. Solche Fälle sind dort um so bedauerlicher, wo die Anwendung von Eisenbeton auch wirtschaftlich von zweifelhaftem Wert ist. Die unbedingte und ausschließliche Verwendung dieses Materials dürfte dann wirtschaftlich bedenklich sein, wenn Veränderungen oder gar Auswechslungen des Bahnkörpers oder von Brückenteilen notwendig werden. Daß solche nur mit unverhältnismäßig großen Anforderungen von Zeit und Geld bewerkstelligt werden können, weiß jeder Kenner des Eisenbetons. Es ist ein großes Verdienst des Stahlwerkverbands, durch seine Propaganda auf den wirtschaftlichen und namentlich künstlerischen Wert des Eisens wieder aufmerksam gemacht und damit die Verwendung des Eisenbetons auf sein normales Maß zurückgebracht zu haben. Der Wettstreit zwischen Eisen und Eisenbeton läßt sich wohl dahin entscheiden, daß keines der beiden Materialien vor dem andern einen grundsätzlichen und absoluten Vorzug hat, daß vielmehr in jedem einzelnen Fall nach Erwägung der wirtschaftlichen und künstlerischen Momente die Wahl zu treffen ist. Besonders schwierige Aufgaben werden dem Baukünstler bei der architektonischen Ausgestaltung der Eisenbrücken gestellt. Und zwar ist es nicht etwa die künstlerische Durchbildung der Eisenteile selbst, die recht erfreuliche Lösungen gefunden hat, sondern vielmehr die Verbindung des Eisens mit Stein am Ortpfeiler. Eine künstlerisch einwandfreie Lösung dieses Problems liegt bisher nicht vor. Bei großen Brücken wurde meist das Motiv eines mittelalterlichen Tores verwendet und man glaubte dabei durch Anhäufung von riesigen Massen der monumentalen Gestaltung der Eisenkonstruktionen ein Gegengewicht geben zu können. Daß der Erfolg ausgeblieben, nimmt nicht wunder, da die Steigerung des absoluten Maßstabs und der Größe der Baumassen nicht auch eine Steigerung des monumentalen Charakters im Gefolge zu haben braucht. So manche Riesendenkmäler der neuesten Zeit geben Zeugnis davon. Stehen die Brücken in freier Landschaft, sollte von der Verwendung steinerner Ortpfeiler ganz abgesehen und die künstlerische Wirkung in der schönen Linienführung und klaren Disposition der Eisenteile gesucht werden. Daß in der Tat mit solchen Mitteln prächtige Wirkungen erzielt werden können, zeigt die alte Britannia-Brücke in London sowie die Kaiser-Wilhelm-Brücke in Münster. Wo die Brücke jedoch in unmittelbare Nähe von Wohngebäuden zu stehen kommt, wird man auf eine Beziehung zu deren steinerner Architektur nicht ganz verzichten können. 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Die Erfindung des Eisenbetons hat im Brückenbau eine gewaltige Umwälzung hervorgerufen, die allerdings allmählich zu einer Überschätzung der künstlerischen und wirtschaftlichen Bedeutung dieses Materials führte. Zuerst von Architekten wie Ingenieuren mit Widerstreben aufgenommen, schien es bald alle übrigen Materialien verdrängen zu wollen. Das Eisen wurde als unkünstlerisches Material fortan in Acht und Bann getan und seine Verwendung auch bei den bescheidensten Bauwerken ausgeschlossen. Eisenbeton wurde auch da vorgeschrieben, wo das leichtere, elegantere Material des Eisens am Platz gewesen wäre. Man könnte Fälle aus dem Bahnbau der allerletzten Zeit anführen, wo die prächtigsten Täler in ihrer ganzen Breite von den riesigen Betonmassen übereinanderliegender, sich kreuzender Bahnkörper angefüllt und dadurch der landschaftlichen Schönheit und Übersichtlichkeit beraubt wurden, was bei häufigerer Verwendung durchsichtiger eiserner Konstruktionen hätte vermieden werden können. Solche Fälle sind dort um so bedauerlicher, wo die Anwendung von Eisenbeton auch wirtschaftlich von zweifelhaftem Wert ist. Die unbedingte und ausschließliche Verwendung dieses Materials dürfte dann wirtschaftlich bedenklich sein, wenn Veränderungen oder gar Auswechslungen des Bahnkörpers oder von Brückenteilen notwendig werden. Daß solche nur mit unverhältnismäßig großen Anforderungen von Zeit und Geld bewerkstelligt werden können, weiß jeder Kenner des Eisenbetons. Es ist ein großes Verdienst des Stahlwerkverbands, durch seine Propaganda auf den wirtschaftlichen und namentlich künstlerischen Wert des Eisens wieder aufmerksam gemacht und damit die Verwendung des Eisenbetons auf sein normales Maß zurückgebracht zu haben. Der Wettstreit zwischen Eisen und Eisenbeton läßt sich wohl dahin entscheiden, daß keines der beiden Materialien vor dem andern einen grundsätzlichen und absoluten Vorzug hat, daß vielmehr in jedem einzelnen Fall nach Erwägung der wirtschaftlichen und künstlerischen Momente die Wahl zu treffen ist.</p><lb/> <p>Besonders schwierige Aufgaben werden dem Baukünstler bei der architektonischen Ausgestaltung der <hi rendition="#g">Eisenbrücken</hi> gestellt. Und zwar ist es nicht etwa die künstlerische Durchbildung der Eisenteile selbst, die recht erfreuliche Lösungen gefunden hat, sondern vielmehr die Verbindung des Eisens mit Stein am Ortpfeiler. Eine künstlerisch einwandfreie Lösung dieses Problems liegt bisher nicht vor. Bei großen Brücken wurde meist das Motiv eines mittelalterlichen Tores verwendet und man glaubte dabei durch Anhäufung von riesigen Massen der monumentalen Gestaltung der Eisenkonstruktionen ein Gegengewicht geben zu können. Daß der Erfolg ausgeblieben, nimmt nicht wunder, da die Steigerung des absoluten Maßstabs und der Größe der Baumassen nicht auch eine Steigerung des monumentalen Charakters im Gefolge zu haben braucht. So manche Riesendenkmäler der neuesten Zeit geben Zeugnis davon. Stehen die Brücken in freier Landschaft, sollte von der Verwendung steinerner Ortpfeiler ganz abgesehen und die künstlerische Wirkung in der schönen Linienführung und klaren Disposition der Eisenteile gesucht werden. Daß in der Tat mit solchen Mitteln prächtige Wirkungen erzielt werden können, zeigt die alte Britannia-Brücke in London sowie die Kaiser-Wilhelm-Brücke in Münster. Wo die Brücke jedoch in unmittelbare Nähe von Wohngebäuden zu stehen kommt, wird man auf eine Beziehung zu deren steinerner Architektur nicht ganz verzichten können. Allein auch hier scheint die äußerste Beschränkung in der Verwendung </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0023]
u. dgl. ist zu berücksichtigen, daß sie bei unmittelbarer Nähe des Empfangsgebäudes in Form und Farbe äußerst zurückhaltend behandelt werden müssen, damit dieses unbedingt die Dominante des ganzen Baukomplexes bleibe. Stehen sie dagegen in solcher Entfernung vom Hauptgebäude, daß sie mit diesem nicht zu einer Bildwirkung kommen, dürfen sie wohl etwas selbständiger und anspruchsvoller gestaltet werden. Jedoch ist auch hierbei zu beachten, daß überflüssige Aufbauten und aufdringliche Farben vermieden werden. Besonders sorgfältig ist die Farbengebung des Holzwerks zu erwägen. Im übrigen ergibt sich die äußere und innere Durchbildung der Nebengebäude im großen und ganzen aus ihrer Zweckbestimmung und stehen hierbei die technischen Gesichtspunkte gegenüber den künstlerischen im Vordergrund.
2. Kunstbauten.
Den „Kunstbauten“, zu denen Brücken, Übergänge, Tunnelportale u. s. w. gehören, wird seit einer Reihe von Jahren seitens der Eisenbahnverwaltungen eine besondere Sorgfalt zugewendet.
Noch vor wenigen Jahrzehnten kannte man als Material für größere Brücken nur Stein und Eisen. Dank den Bemühungen hervorragender Künstler gelang es allmählich, auch den eisernen Brücken gefällige und materialgemäße Formen abzugewinnen. Beispiele hiervon findet man bei den meisten Hochbahnen der modernen Großstädte (in Berlin von Tettau und Grenander, in Wien von Wagner und Hoffmann). Die Erfindung des Eisenbetons hat im Brückenbau eine gewaltige Umwälzung hervorgerufen, die allerdings allmählich zu einer Überschätzung der künstlerischen und wirtschaftlichen Bedeutung dieses Materials führte. Zuerst von Architekten wie Ingenieuren mit Widerstreben aufgenommen, schien es bald alle übrigen Materialien verdrängen zu wollen. Das Eisen wurde als unkünstlerisches Material fortan in Acht und Bann getan und seine Verwendung auch bei den bescheidensten Bauwerken ausgeschlossen. Eisenbeton wurde auch da vorgeschrieben, wo das leichtere, elegantere Material des Eisens am Platz gewesen wäre. Man könnte Fälle aus dem Bahnbau der allerletzten Zeit anführen, wo die prächtigsten Täler in ihrer ganzen Breite von den riesigen Betonmassen übereinanderliegender, sich kreuzender Bahnkörper angefüllt und dadurch der landschaftlichen Schönheit und Übersichtlichkeit beraubt wurden, was bei häufigerer Verwendung durchsichtiger eiserner Konstruktionen hätte vermieden werden können. Solche Fälle sind dort um so bedauerlicher, wo die Anwendung von Eisenbeton auch wirtschaftlich von zweifelhaftem Wert ist. Die unbedingte und ausschließliche Verwendung dieses Materials dürfte dann wirtschaftlich bedenklich sein, wenn Veränderungen oder gar Auswechslungen des Bahnkörpers oder von Brückenteilen notwendig werden. Daß solche nur mit unverhältnismäßig großen Anforderungen von Zeit und Geld bewerkstelligt werden können, weiß jeder Kenner des Eisenbetons. Es ist ein großes Verdienst des Stahlwerkverbands, durch seine Propaganda auf den wirtschaftlichen und namentlich künstlerischen Wert des Eisens wieder aufmerksam gemacht und damit die Verwendung des Eisenbetons auf sein normales Maß zurückgebracht zu haben. Der Wettstreit zwischen Eisen und Eisenbeton läßt sich wohl dahin entscheiden, daß keines der beiden Materialien vor dem andern einen grundsätzlichen und absoluten Vorzug hat, daß vielmehr in jedem einzelnen Fall nach Erwägung der wirtschaftlichen und künstlerischen Momente die Wahl zu treffen ist.
Besonders schwierige Aufgaben werden dem Baukünstler bei der architektonischen Ausgestaltung der Eisenbrücken gestellt. Und zwar ist es nicht etwa die künstlerische Durchbildung der Eisenteile selbst, die recht erfreuliche Lösungen gefunden hat, sondern vielmehr die Verbindung des Eisens mit Stein am Ortpfeiler. Eine künstlerisch einwandfreie Lösung dieses Problems liegt bisher nicht vor. Bei großen Brücken wurde meist das Motiv eines mittelalterlichen Tores verwendet und man glaubte dabei durch Anhäufung von riesigen Massen der monumentalen Gestaltung der Eisenkonstruktionen ein Gegengewicht geben zu können. Daß der Erfolg ausgeblieben, nimmt nicht wunder, da die Steigerung des absoluten Maßstabs und der Größe der Baumassen nicht auch eine Steigerung des monumentalen Charakters im Gefolge zu haben braucht. So manche Riesendenkmäler der neuesten Zeit geben Zeugnis davon. Stehen die Brücken in freier Landschaft, sollte von der Verwendung steinerner Ortpfeiler ganz abgesehen und die künstlerische Wirkung in der schönen Linienführung und klaren Disposition der Eisenteile gesucht werden. Daß in der Tat mit solchen Mitteln prächtige Wirkungen erzielt werden können, zeigt die alte Britannia-Brücke in London sowie die Kaiser-Wilhelm-Brücke in Münster. Wo die Brücke jedoch in unmittelbare Nähe von Wohngebäuden zu stehen kommt, wird man auf eine Beziehung zu deren steinerner Architektur nicht ganz verzichten können. Allein auch hier scheint die äußerste Beschränkung in der Verwendung
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