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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 7. Berlin, Wien, 1915.

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des Stückverfahrens wurde in dem neuen Stückzeitverfahren so gefunden, daß einmal der Arbeiterschaft ein Anreiz, durch Fleiß und Geschicklichkeit die Höhe ihres Einkommens günstig zu beeinflussen, in vollem Umfange erhalten bleibt und daß zweitens das Lohneinkommen jedes Arbeiters staffelmäßig mit zunehmendem Beschäftigungsalter sich erhöht.

Zu den Grundzügen des neuen Verfahrens gehört zunächst die vollständige Beseitigung des Stückpreises. Keine Arbeitsausführung wird noch nach einem Preise vergütet. Vielmehr wird jede Arbeitsausführung nach Zeit (Stückzeit) bewertet. Grundsätzlich wird für j e d e im Stückverfahren auszuführende Arbeit eine Zeit bestimmt. Da sich die Arbeiten gleicher oder ähnlicher Art häufig wiederholen, wird ein für allemal eine Normalzeit festgesetzt. Sie wird auf Grund von Probearbeiten nach der Dauer bemessen, die von Arbeitern mittlerer Leistungsfähigkeit zur ordnungsmäßigen Herstellung der Arbeiten gebraucht wird. Da es sich meistens um Reparaturarbeiten handelt, die häufiger als Neuarbeiten schwanken, so wird die Dauer der Probearbeit um ein Fünftel verlängert, so daß mithin ein Arbeiter mit Fleiß und Geschicklichkeit in einer Arbeitsstunde etwa 1·2 Stückstunden oder in der täglichen neunstündigen Arbeitszeit etwa 10·8 Stückstunden leisten kann. Die Zeitbemessung ist nicht in allen Werkstätten gleich, da die Eisenbahnwerkstätten auch nicht annähernd mit gleich leistungsfähigen Werkzeugmaschinen, Laufkranen, Schiebebühnen u. s. w. ausgerüstet sind, die zur Herbeischaffung der Materialien zu machenden Wege ungleich groß sind u. s. w.

Der zweite wesentliche Bestandteil des neuen Stückverfahrens ist die Lohnstaffel. Die Stückzeit ist von den Lohnverhältnissen gänzlich unabhängig; sie wird sachverständig nach dem tatsächlichen durchschnittlichen Zeiterfordernis für die Arbeitsausführung bemessen. Die Lohnstaffel soll erstens den örtlichen Teuerungsverhältnissen Rechnung tragen, zweitens aber das planmäßige Aufsteigen der Arbeiterschaft im Lohneinkommen bis zu einem bestimmten Beschäftigungsalter sicherstellen. Aus diesem Grunde sind für die einzelnen Werkstätten, u. zw. je besonders für die Handwerker (Klasse A), für die handwerksmäßig ausgebildeten Handarbeiter (Klasse B) und für die anderen Handarbeiter (Klasse C) Lohnstaffeln festgesetzt.

Ein dringender Wunsch der Arbeiterschaft bestand darin, daß in allen Werkstätten der Eintritt in die Lohnstaffel mit einem für alle Werkstätten gleichen Lebensalter beginnen und ebenso die Erreichung des höchsten Staffelsatzes mit einem gleichen Lebensalter möglich sein solle. Beides ist im neuen Verfahren erreicht. Als Beginn des Lohndienstalters, d. h. als Zeitpunkt des Einrückens in die Lohnstaffel, rechnet die Vollendung des 18. Lebensjahres und, wenn ein Arbeiter später in die Beschäftigung bei der Eisenbahnverwaltung eintritt, der Tag des Eintritts, wobei aber den Werkstättenämtern freisteht, bereits anderweitig tätig gewesenen Arbeitern nach dem Grade ihrer Leistungsfähigkeit bis zu 7 Jahren dieser Tätigkeit anzurechnen. Den höchsten Staffelsatz erreicht allgemein die Klasse A 20 Jahre, die Klasse B 15 Jahre und die Klasse C 12 Jahre nach dem Beginn des Lohndienstalters.

Die Staffel besteht aus Stundenlohnsätzen derart, daß schon der unterste Staffelsatz dem jungen Arbeiter ein Einkommen ermöglicht, wie er es nach den örtlichen Teuerungsverhältnissen beanspruchen kann. Der Lohnsatz erhöht sich staffelmäßig tunlichst von Jahr zu Jahr, der Regel nach um 1 Pf., je nach den Umständen auch um 2 Pf. für die Stunde bis zum Höchstsatze. Nach dem neuen Verfahren steigt jeder Arbeiter, genau so wie der Beamte in seinem Gehalte, in der Lohnstaffel auf, sofern nicht - ebenfalls wie bei den Beamten - Untüchtigkeit oder Unfleiß dem Aufsteigen im Einzelfalle entgegenstehen.

Für die gruppenführenden Vormänner wurden Zulagesätze eingeführt, die zu dem ihrem Beschäftigungsalter entsprechenden Staffellohnsatze hinzutreten.

Die Stückzeit wird dem jungen Arbeiter mit einem geringeren Lohnstaffelsatze als dem älteren Arbeiter bezahlt. Dabei ist es aber allen Arbeitern ermöglicht, den ihrem Staffelsatze entsprechenden Verdienst durch fleißige und geschickte Arbeit zu erhöhen. Leisten sie die Arbeit in kürzerer Zeit, als die festgesetzte Stückzeit beträgt, so erzielen sie Zeitgewinn, der ihnen nach ihrem Staffelsatze vergütet wird.

Ein nach den gleichen Grundsätzen eingerichtetes Stückzeitverfahren ist am 1. April 1914 für die Arbeiter aller übrigen Dienstzweige der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft und der Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen eingeführt worden, soweit darin überhaupt Stückarbeiten vorkamen; es gilt dies namentlich für zusammenhängende Bahnunterhaltungs-, Güterboden- und Maschinenschuppenarbeiten.

Bei den österreichischen Staatsbahnen wird nach der Lohnordnung von 1913 zwischen ständigen, nicht ständigen und Aushilfsarbeitern unterschieden. Ständige Arbeiter sind jene, die dem Bedarfe der schwächsten Arbeitszeit des Jahres genügen. Nicht ständige Arbeiter sind jene, die für die Dauer größeren Arbeiterbedarfs zur Verstärkung der ständigen Arbeitsrotten aufgenommen werden; sie werden vor den ständigen Arbeitern von einer allfälligen Verminderung des Arbeiterstandes betroffen. Aushilfsarbeiter werden nur im Bau- und Bahnerhaltungsdienste für ganz bestimmte Zwecke, wie Schienenneulagen, Behebung von Elementarschäden, Schneeräumung u. s. w. aufgenommen.

Eine weitere Einteilung erfolgt nach Alter und Geschlecht, u. zw.: Erwachsene Arbeiter über 18 Jahre, jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren und weibliche Arbeiter.

Nach der Beschäftigung werden Arbeiter ohne Handwerk (Profession) von Handwerkern (Professionisten) unterschieden.

Die Arbeiter im Bahnerhaltungs- und Stationsdienst erhalten ausschließlich, jene im Werkstättendienst zumeist reinen Zeitlohn.

Die Anstellung der Arbeiter erfolgt mit dem Grundlohn oder Anfangslohn. Unter Grundlohn wird der für verschiedene Arbeitsgruppen festgesetzte Mindestlohn verstanden. Anfangslohn ist der dem einzelnen Arbeiter beim Eintritte individuell zugemessene Lohn. Der Grundlohn wird für die einzelnen Arbeitsorte oder Arbeitsstrecken festgesetzt und schwankt beispielsweise im Bereiche der Staatsbahndirektion Wien zwischen K 2·40 und 3 K.

Handwerker erhalten bei der Aufnahme einen provisorischen Lohn, mindestens in der Höhe des Grundlohnes, und haben vor der Erreichung des endgültigen Anfangslohnes eine Probezeit von zwei Wochen bis zu 3 Monaten zurückzulegen. Der Lohn der Aushilfsarbeiter richtet sich lediglich nach Angebot und Nachfrage.

Für gewisse Beschäftigungen sowie besondere Arbeiten sind Lohnzuschläge vorgesehen, die den

des Stückverfahrens wurde in dem neuen Stückzeitverfahren so gefunden, daß einmal der Arbeiterschaft ein Anreiz, durch Fleiß und Geschicklichkeit die Höhe ihres Einkommens günstig zu beeinflussen, in vollem Umfange erhalten bleibt und daß zweitens das Lohneinkommen jedes Arbeiters staffelmäßig mit zunehmendem Beschäftigungsalter sich erhöht.

Zu den Grundzügen des neuen Verfahrens gehört zunächst die vollständige Beseitigung des Stückpreises. Keine Arbeitsausführung wird noch nach einem Preise vergütet. Vielmehr wird jede Arbeitsausführung nach Zeit (Stückzeit) bewertet. Grundsätzlich wird für j e d e im Stückverfahren auszuführende Arbeit eine Zeit bestimmt. Da sich die Arbeiten gleicher oder ähnlicher Art häufig wiederholen, wird ein für allemal eine Normalzeit festgesetzt. Sie wird auf Grund von Probearbeiten nach der Dauer bemessen, die von Arbeitern mittlerer Leistungsfähigkeit zur ordnungsmäßigen Herstellung der Arbeiten gebraucht wird. Da es sich meistens um Reparaturarbeiten handelt, die häufiger als Neuarbeiten schwanken, so wird die Dauer der Probearbeit um ein Fünftel verlängert, so daß mithin ein Arbeiter mit Fleiß und Geschicklichkeit in einer Arbeitsstunde etwa 1·2 Stückstunden oder in der täglichen neunstündigen Arbeitszeit etwa 10·8 Stückstunden leisten kann. Die Zeitbemessung ist nicht in allen Werkstätten gleich, da die Eisenbahnwerkstätten auch nicht annähernd mit gleich leistungsfähigen Werkzeugmaschinen, Laufkranen, Schiebebühnen u. s. w. ausgerüstet sind, die zur Herbeischaffung der Materialien zu machenden Wege ungleich groß sind u. s. w.

Der zweite wesentliche Bestandteil des neuen Stückverfahrens ist die Lohnstaffel. Die Stückzeit ist von den Lohnverhältnissen gänzlich unabhängig; sie wird sachverständig nach dem tatsächlichen durchschnittlichen Zeiterfordernis für die Arbeitsausführung bemessen. Die Lohnstaffel soll erstens den örtlichen Teuerungsverhältnissen Rechnung tragen, zweitens aber das planmäßige Aufsteigen der Arbeiterschaft im Lohneinkommen bis zu einem bestimmten Beschäftigungsalter sicherstellen. Aus diesem Grunde sind für die einzelnen Werkstätten, u. zw. je besonders für die Handwerker (Klasse A), für die handwerksmäßig ausgebildeten Handarbeiter (Klasse B) und für die anderen Handarbeiter (Klasse C) Lohnstaffeln festgesetzt.

Ein dringender Wunsch der Arbeiterschaft bestand darin, daß in allen Werkstätten der Eintritt in die Lohnstaffel mit einem für alle Werkstätten gleichen Lebensalter beginnen und ebenso die Erreichung des höchsten Staffelsatzes mit einem gleichen Lebensalter möglich sein solle. Beides ist im neuen Verfahren erreicht. Als Beginn des Lohndienstalters, d. h. als Zeitpunkt des Einrückens in die Lohnstaffel, rechnet die Vollendung des 18. Lebensjahres und, wenn ein Arbeiter später in die Beschäftigung bei der Eisenbahnverwaltung eintritt, der Tag des Eintritts, wobei aber den Werkstättenämtern freisteht, bereits anderweitig tätig gewesenen Arbeitern nach dem Grade ihrer Leistungsfähigkeit bis zu 7 Jahren dieser Tätigkeit anzurechnen. Den höchsten Staffelsatz erreicht allgemein die Klasse A 20 Jahre, die Klasse B 15 Jahre und die Klasse C 12 Jahre nach dem Beginn des Lohndienstalters.

Die Staffel besteht aus Stundenlohnsätzen derart, daß schon der unterste Staffelsatz dem jungen Arbeiter ein Einkommen ermöglicht, wie er es nach den örtlichen Teuerungsverhältnissen beanspruchen kann. Der Lohnsatz erhöht sich staffelmäßig tunlichst von Jahr zu Jahr, der Regel nach um 1 Pf., je nach den Umständen auch um 2 Pf. für die Stunde bis zum Höchstsatze. Nach dem neuen Verfahren steigt jeder Arbeiter, genau so wie der Beamte in seinem Gehalte, in der Lohnstaffel auf, sofern nicht – ebenfalls wie bei den Beamten – Untüchtigkeit oder Unfleiß dem Aufsteigen im Einzelfalle entgegenstehen.

Für die gruppenführenden Vormänner wurden Zulagesätze eingeführt, die zu dem ihrem Beschäftigungsalter entsprechenden Staffellohnsatze hinzutreten.

Die Stückzeit wird dem jungen Arbeiter mit einem geringeren Lohnstaffelsatze als dem älteren Arbeiter bezahlt. Dabei ist es aber allen Arbeitern ermöglicht, den ihrem Staffelsatze entsprechenden Verdienst durch fleißige und geschickte Arbeit zu erhöhen. Leisten sie die Arbeit in kürzerer Zeit, als die festgesetzte Stückzeit beträgt, so erzielen sie Zeitgewinn, der ihnen nach ihrem Staffelsatze vergütet wird.

Ein nach den gleichen Grundsätzen eingerichtetes Stückzeitverfahren ist am 1. April 1914 für die Arbeiter aller übrigen Dienstzweige der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft und der Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen eingeführt worden, soweit darin überhaupt Stückarbeiten vorkamen; es gilt dies namentlich für zusammenhängende Bahnunterhaltungs-, Güterboden- und Maschinenschuppenarbeiten.

Bei den österreichischen Staatsbahnen wird nach der Lohnordnung von 1913 zwischen ständigen, nicht ständigen und Aushilfsarbeitern unterschieden. Ständige Arbeiter sind jene, die dem Bedarfe der schwächsten Arbeitszeit des Jahres genügen. Nicht ständige Arbeiter sind jene, die für die Dauer größeren Arbeiterbedarfs zur Verstärkung der ständigen Arbeitsrotten aufgenommen werden; sie werden vor den ständigen Arbeitern von einer allfälligen Verminderung des Arbeiterstandes betroffen. Aushilfsarbeiter werden nur im Bau- und Bahnerhaltungsdienste für ganz bestimmte Zwecke, wie Schienenneulagen, Behebung von Elementarschäden, Schneeräumung u. s. w. aufgenommen.

Eine weitere Einteilung erfolgt nach Alter und Geschlecht, u. zw.: Erwachsene Arbeiter über 18 Jahre, jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren und weibliche Arbeiter.

Nach der Beschäftigung werden Arbeiter ohne Handwerk (Profession) von Handwerkern (Professionisten) unterschieden.

Die Arbeiter im Bahnerhaltungs- und Stationsdienst erhalten ausschließlich, jene im Werkstättendienst zumeist reinen Zeitlohn.

Die Anstellung der Arbeiter erfolgt mit dem Grundlohn oder Anfangslohn. Unter Grundlohn wird der für verschiedene Arbeitsgruppen festgesetzte Mindestlohn verstanden. Anfangslohn ist der dem einzelnen Arbeiter beim Eintritte individuell zugemessene Lohn. Der Grundlohn wird für die einzelnen Arbeitsorte oder Arbeitsstrecken festgesetzt und schwankt beispielsweise im Bereiche der Staatsbahndirektion Wien zwischen K 2·40 und 3 K.

Handwerker erhalten bei der Aufnahme einen provisorischen Lohn, mindestens in der Höhe des Grundlohnes, und haben vor der Erreichung des endgültigen Anfangslohnes eine Probezeit von zwei Wochen bis zu 3 Monaten zurückzulegen. Der Lohn der Aushilfsarbeiter richtet sich lediglich nach Angebot und Nachfrage.

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[127/0135] des Stückverfahrens wurde in dem neuen Stückzeitverfahren so gefunden, daß einmal der Arbeiterschaft ein Anreiz, durch Fleiß und Geschicklichkeit die Höhe ihres Einkommens günstig zu beeinflussen, in vollem Umfange erhalten bleibt und daß zweitens das Lohneinkommen jedes Arbeiters staffelmäßig mit zunehmendem Beschäftigungsalter sich erhöht. Zu den Grundzügen des neuen Verfahrens gehört zunächst die vollständige Beseitigung des Stückpreises. Keine Arbeitsausführung wird noch nach einem Preise vergütet. Vielmehr wird jede Arbeitsausführung nach Zeit (Stückzeit) bewertet. Grundsätzlich wird für j e d e im Stückverfahren auszuführende Arbeit eine Zeit bestimmt. Da sich die Arbeiten gleicher oder ähnlicher Art häufig wiederholen, wird ein für allemal eine Normalzeit festgesetzt. Sie wird auf Grund von Probearbeiten nach der Dauer bemessen, die von Arbeitern mittlerer Leistungsfähigkeit zur ordnungsmäßigen Herstellung der Arbeiten gebraucht wird. Da es sich meistens um Reparaturarbeiten handelt, die häufiger als Neuarbeiten schwanken, so wird die Dauer der Probearbeit um ein Fünftel verlängert, so daß mithin ein Arbeiter mit Fleiß und Geschicklichkeit in einer Arbeitsstunde etwa 1·2 Stückstunden oder in der täglichen neunstündigen Arbeitszeit etwa 10·8 Stückstunden leisten kann. Die Zeitbemessung ist nicht in allen Werkstätten gleich, da die Eisenbahnwerkstätten auch nicht annähernd mit gleich leistungsfähigen Werkzeugmaschinen, Laufkranen, Schiebebühnen u. s. w. ausgerüstet sind, die zur Herbeischaffung der Materialien zu machenden Wege ungleich groß sind u. s. w. Der zweite wesentliche Bestandteil des neuen Stückverfahrens ist die Lohnstaffel. Die Stückzeit ist von den Lohnverhältnissen gänzlich unabhängig; sie wird sachverständig nach dem tatsächlichen durchschnittlichen Zeiterfordernis für die Arbeitsausführung bemessen. Die Lohnstaffel soll erstens den örtlichen Teuerungsverhältnissen Rechnung tragen, zweitens aber das planmäßige Aufsteigen der Arbeiterschaft im Lohneinkommen bis zu einem bestimmten Beschäftigungsalter sicherstellen. Aus diesem Grunde sind für die einzelnen Werkstätten, u. zw. je besonders für die Handwerker (Klasse A), für die handwerksmäßig ausgebildeten Handarbeiter (Klasse B) und für die anderen Handarbeiter (Klasse C) Lohnstaffeln festgesetzt. Ein dringender Wunsch der Arbeiterschaft bestand darin, daß in allen Werkstätten der Eintritt in die Lohnstaffel mit einem für alle Werkstätten gleichen Lebensalter beginnen und ebenso die Erreichung des höchsten Staffelsatzes mit einem gleichen Lebensalter möglich sein solle. Beides ist im neuen Verfahren erreicht. Als Beginn des Lohndienstalters, d. h. als Zeitpunkt des Einrückens in die Lohnstaffel, rechnet die Vollendung des 18. Lebensjahres und, wenn ein Arbeiter später in die Beschäftigung bei der Eisenbahnverwaltung eintritt, der Tag des Eintritts, wobei aber den Werkstättenämtern freisteht, bereits anderweitig tätig gewesenen Arbeitern nach dem Grade ihrer Leistungsfähigkeit bis zu 7 Jahren dieser Tätigkeit anzurechnen. Den höchsten Staffelsatz erreicht allgemein die Klasse A 20 Jahre, die Klasse B 15 Jahre und die Klasse C 12 Jahre nach dem Beginn des Lohndienstalters. Die Staffel besteht aus Stundenlohnsätzen derart, daß schon der unterste Staffelsatz dem jungen Arbeiter ein Einkommen ermöglicht, wie er es nach den örtlichen Teuerungsverhältnissen beanspruchen kann. Der Lohnsatz erhöht sich staffelmäßig tunlichst von Jahr zu Jahr, der Regel nach um 1 Pf., je nach den Umständen auch um 2 Pf. für die Stunde bis zum Höchstsatze. Nach dem neuen Verfahren steigt jeder Arbeiter, genau so wie der Beamte in seinem Gehalte, in der Lohnstaffel auf, sofern nicht – ebenfalls wie bei den Beamten – Untüchtigkeit oder Unfleiß dem Aufsteigen im Einzelfalle entgegenstehen. Für die gruppenführenden Vormänner wurden Zulagesätze eingeführt, die zu dem ihrem Beschäftigungsalter entsprechenden Staffellohnsatze hinzutreten. Die Stückzeit wird dem jungen Arbeiter mit einem geringeren Lohnstaffelsatze als dem älteren Arbeiter bezahlt. Dabei ist es aber allen Arbeitern ermöglicht, den ihrem Staffelsatze entsprechenden Verdienst durch fleißige und geschickte Arbeit zu erhöhen. Leisten sie die Arbeit in kürzerer Zeit, als die festgesetzte Stückzeit beträgt, so erzielen sie Zeitgewinn, der ihnen nach ihrem Staffelsatze vergütet wird. Ein nach den gleichen Grundsätzen eingerichtetes Stückzeitverfahren ist am 1. April 1914 für die Arbeiter aller übrigen Dienstzweige der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft und der Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen eingeführt worden, soweit darin überhaupt Stückarbeiten vorkamen; es gilt dies namentlich für zusammenhängende Bahnunterhaltungs-, Güterboden- und Maschinenschuppenarbeiten. Bei den österreichischen Staatsbahnen wird nach der Lohnordnung von 1913 zwischen ständigen, nicht ständigen und Aushilfsarbeitern unterschieden. Ständige Arbeiter sind jene, die dem Bedarfe der schwächsten Arbeitszeit des Jahres genügen. Nicht ständige Arbeiter sind jene, die für die Dauer größeren Arbeiterbedarfs zur Verstärkung der ständigen Arbeitsrotten aufgenommen werden; sie werden vor den ständigen Arbeitern von einer allfälligen Verminderung des Arbeiterstandes betroffen. Aushilfsarbeiter werden nur im Bau- und Bahnerhaltungsdienste für ganz bestimmte Zwecke, wie Schienenneulagen, Behebung von Elementarschäden, Schneeräumung u. s. w. aufgenommen. Eine weitere Einteilung erfolgt nach Alter und Geschlecht, u. zw.: Erwachsene Arbeiter über 18 Jahre, jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren und weibliche Arbeiter. Nach der Beschäftigung werden Arbeiter ohne Handwerk (Profession) von Handwerkern (Professionisten) unterschieden. Die Arbeiter im Bahnerhaltungs- und Stationsdienst erhalten ausschließlich, jene im Werkstättendienst zumeist reinen Zeitlohn. Die Anstellung der Arbeiter erfolgt mit dem Grundlohn oder Anfangslohn. Unter Grundlohn wird der für verschiedene Arbeitsgruppen festgesetzte Mindestlohn verstanden. Anfangslohn ist der dem einzelnen Arbeiter beim Eintritte individuell zugemessene Lohn. Der Grundlohn wird für die einzelnen Arbeitsorte oder Arbeitsstrecken festgesetzt und schwankt beispielsweise im Bereiche der Staatsbahndirektion Wien zwischen K 2·40 und 3 K. Handwerker erhalten bei der Aufnahme einen provisorischen Lohn, mindestens in der Höhe des Grundlohnes, und haben vor der Erreichung des endgültigen Anfangslohnes eine Probezeit von zwei Wochen bis zu 3 Monaten zurückzulegen. Der Lohn der Aushilfsarbeiter richtet sich lediglich nach Angebot und Nachfrage. Für gewisse Beschäftigungen sowie besondere Arbeiten sind Lohnzuschläge vorgesehen, die den

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 7. Berlin, Wien, 1915, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen07_1915/135>, abgerufen am 27.11.2024.