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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 7. Berlin, Wien, 1915.

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begründeten Arbeitsvorgängen oder aus besonderen Anlässen gewährt werden. Es kommen hierbei in Betracht die Aufwandsentschädigungen bei Dienstleistungen außerhalb des ständigen Dienstortes, die namentlich für die im Zugbeförderungs- und Zugbegleitungsdienst beschäftigten Arbeiter von Bedeutung sind, ferner einmalige Zulagen zum Lohn als Anerkennung für verdienstvolle Einzelleistungen, sparsamen Materialverbrauch u. dgl., sowie für langjährige zufriedenstellende Tätigkeit. Auch können zu diesen Gebühren die Vergütungen gerechnet werden, die den Arbeitern als Ersatz für die Unkosten gezahlt werden, die ihnen bei einem auf dienstlicher Veranlassung beruhenden Wechsel des Dienstortes erwachsen (Umzugsentschädigungen).

Die Auszahlung des Lohnverdienstes ist aus Rücksichten auf die Wirtschaftsführung der Arbeiter verschieden geregelt. In der Arbeiterbevölkerung ist der Wunsch nach wöchentlicher Lohnzahlung ziemlich weit verbreitet. Wöchentliche Zahlungen erfordern aber im Eisenbahnwesen namentlich mit Rücksicht darauf viel Zeit- und Arbeitsaufwand, daß die Eisenbahnarbeiterschaft nur zum Teil in geschlossenen großen Arbeitsstätten tätig ist. Es sind aus Erwägungen solcher Art vielfach halbmonatliche Lohnzahlungen eingeführt. Dabei ist von einer Anzahl von Eisenbahnverwaltungen die Maßnahme so getroffen, daß eine eingehende Lohnrechnung nur monatlich aufgestellt, dem Arbeiter aber freigestellt wird, sich zwischenzeitlich eine Abschlagszahlung geben zu lassen. Als Löhnungszeitraum gilt alsdann in der Regel der Kalendermonat, so daß also der Arbeiter am Monatsende die Hauptzahlung und in der Mitte des Monats, soweit er es wünscht, eine Abschlagszahlung erhält. Die Auszahlung der Löhne geschieht in der Regel auf Grund von Lohnlisten, die der unmittelbare Dienstvorstand ausfertigt und die vorgesetzte Dienststelle überprüft. An die Streckenwärter werden die Löhne vielfach durch Bedienstete ausbezahlt, die zu diesem Zwecke die Strecke bereisen.

Art und Höhe des als Entgelt für die übernommene Arbeitsleistung zu gewährenden Lohnes und der sonst etwa dem Arbeiter zuzubilligenden Vergütungen, Zeitpunkt und Formen der Lohnzahlung u. dgl. bilden einen Teil der mit dem Arbeiter bei Übernahme seiner Dienstverpflichtung zu treffenden Vereinbarung. Für die Form, durch die diese Vereinbarung gegenüber den Eisenbahnarbeitern beurkundet wird, sind gesetzliche Bestimmungen und Landesgebrauch maßgebend. Bei einer Reihe von Eisenbahnverwaltungen wird das Lohnverhältnis der Arbeiter zur Verwaltung durch besondere Ordnungen, die sog. Lohnordnungen geregelt. Diese Ordnungen geben im allgemeinen eine übersichtliche Zusammenstellung alles dessen, was für den Arbeiter bei der Beurteilung seines Lohnverhältnisses von Wichtigkeit ist. Sie treffen demgemäß Bestimmung über die Festsetzung des Lohnes, seine Berechnung und Zahlung, das Lohndienstalter, die Vergütung von Überstunden und Sonntagsarbeit, die besonderen Lohnzuschläge bei auswärtiger Beschäftigung, Belohnungen, Fortbezug des Lohnes bei Arbeitsversäumnis, über Stücklöhne u. dgl. Ferner enthält die Lohnordnung den ordentlichen Lohntarif, aus dem der Arbeiter die Höhe des ihm zustehenden Lohnsatzes und, soweit das im Lohnsystem begründet ist, die Höhe der ihm neben dem Lohn gebührenden Zulagen, die Vergütungssätze für Stücklohnarbeit und sonstige Angaben entnehmen kann, die ihn in den Stand setzen, seinen Lohnverdienst nachzuprüfen. Die Lohnordnung wird dem Arbeiter entweder persönlich ausgehändigt oder aber so bei der Beschäftigungsstelle ausgelegt, daß der Arbeiter sie ohne Inanspruchnahme von Amtsstellen einsehen kann.

Bei der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft ist am 1. Oktober 1912 in allen Fahrzeugwerkstätten endgültig ein neues Verfahren für die Lohnberechnung der Handwerker und Handarbeiter eingeführt worden. Es wird im Gegensatz zu dem früheren Stückpreisverfahren kurz als Stückzeitverfahren bezeichnet. Die Lohnreform erstreckte sich auf mehr als 80.000 Personen. Vor der Lohnreform bestand in den Werkstätten der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft ein Stückpreisverfahren, das dem in Privatwerken gebräuchlichen Verfahren nachgebildet war. Die vorkommenden Arbeiten waren in möglichst viele Einzelstücke zerlegt und jedes Einzelstück war mit einem Stückpreis bewertet. Der Stückpreis war bestimmungsmäßig so zu bilden, das die durchschnittliche Zeit, die ein Arbeiter auf die Ausführung eines Stückes zu verwenden hatte, mit dem Durchschnittsverdienste zu vervielfachen war, den ein Arbeiter gleicher Fachrichtung zu verdienen pflegte. Die Stückpreise waren für jede Eisenbahnwerkstätte besonders festgesetzt, während für die Zerlegung der Arbeiten in Einzelstücke einheitliche Grundsätze aufgestellt waren. Die Zahl der Stückpreise betrug über zehntausend. Der Stückpreis wurde für jede ordnungsmäßig geleistete Arbeit vergütet; irgendwelche Beschränkung des Höchstverdienstes, der sich nach Fleiß und Geschicklichkeit der Arbeiter mehr oder minder günstig stellte, war nicht zulässig. Tatsächlich haben mitunter geschickte Arbeiter, sei es bei geringerem, sei es bei höherem Beschäftigungsalter, sehr hohen Verdienst erzielt, während sich für die Hauptmasse der Arbeiterschaft ein ungefähr gleicher Durchschnittsverdienst ergab.

Dieses Verfahren befriedigte die Arbeiterschaft der staatlichen Betriebe immer weniger, namentlich drängten die Arbeiter, die schon längere Zeit in der Beschäftigung bei der Eisenbahnverwaltung standen, immer mehr auf Lohnsteigerung mit dem Hinweise, daß der Verdienst zwar für jüngere Leute ausreiche, für sie aber nicht zulange. Eine zeitgemäße, den Wünschen der Arbeiterschaft entsprechende Umgestaltung

begründeten Arbeitsvorgängen oder aus besonderen Anlässen gewährt werden. Es kommen hierbei in Betracht die Aufwandsentschädigungen bei Dienstleistungen außerhalb des ständigen Dienstortes, die namentlich für die im Zugbeförderungs- und Zugbegleitungsdienst beschäftigten Arbeiter von Bedeutung sind, ferner einmalige Zulagen zum Lohn als Anerkennung für verdienstvolle Einzelleistungen, sparsamen Materialverbrauch u. dgl., sowie für langjährige zufriedenstellende Tätigkeit. Auch können zu diesen Gebühren die Vergütungen gerechnet werden, die den Arbeitern als Ersatz für die Unkosten gezahlt werden, die ihnen bei einem auf dienstlicher Veranlassung beruhenden Wechsel des Dienstortes erwachsen (Umzugsentschädigungen).

Die Auszahlung des Lohnverdienstes ist aus Rücksichten auf die Wirtschaftsführung der Arbeiter verschieden geregelt. In der Arbeiterbevölkerung ist der Wunsch nach wöchentlicher Lohnzahlung ziemlich weit verbreitet. Wöchentliche Zahlungen erfordern aber im Eisenbahnwesen namentlich mit Rücksicht darauf viel Zeit- und Arbeitsaufwand, daß die Eisenbahnarbeiterschaft nur zum Teil in geschlossenen großen Arbeitsstätten tätig ist. Es sind aus Erwägungen solcher Art vielfach halbmonatliche Lohnzahlungen eingeführt. Dabei ist von einer Anzahl von Eisenbahnverwaltungen die Maßnahme so getroffen, daß eine eingehende Lohnrechnung nur monatlich aufgestellt, dem Arbeiter aber freigestellt wird, sich zwischenzeitlich eine Abschlagszahlung geben zu lassen. Als Löhnungszeitraum gilt alsdann in der Regel der Kalendermonat, so daß also der Arbeiter am Monatsende die Hauptzahlung und in der Mitte des Monats, soweit er es wünscht, eine Abschlagszahlung erhält. Die Auszahlung der Löhne geschieht in der Regel auf Grund von Lohnlisten, die der unmittelbare Dienstvorstand ausfertigt und die vorgesetzte Dienststelle überprüft. An die Streckenwärter werden die Löhne vielfach durch Bedienstete ausbezahlt, die zu diesem Zwecke die Strecke bereisen.

Art und Höhe des als Entgelt für die übernommene Arbeitsleistung zu gewährenden Lohnes und der sonst etwa dem Arbeiter zuzubilligenden Vergütungen, Zeitpunkt und Formen der Lohnzahlung u. dgl. bilden einen Teil der mit dem Arbeiter bei Übernahme seiner Dienstverpflichtung zu treffenden Vereinbarung. Für die Form, durch die diese Vereinbarung gegenüber den Eisenbahnarbeitern beurkundet wird, sind gesetzliche Bestimmungen und Landesgebrauch maßgebend. Bei einer Reihe von Eisenbahnverwaltungen wird das Lohnverhältnis der Arbeiter zur Verwaltung durch besondere Ordnungen, die sog. Lohnordnungen geregelt. Diese Ordnungen geben im allgemeinen eine übersichtliche Zusammenstellung alles dessen, was für den Arbeiter bei der Beurteilung seines Lohnverhältnisses von Wichtigkeit ist. Sie treffen demgemäß Bestimmung über die Festsetzung des Lohnes, seine Berechnung und Zahlung, das Lohndienstalter, die Vergütung von Überstunden und Sonntagsarbeit, die besonderen Lohnzuschläge bei auswärtiger Beschäftigung, Belohnungen, Fortbezug des Lohnes bei Arbeitsversäumnis, über Stücklöhne u. dgl. Ferner enthält die Lohnordnung den ordentlichen Lohntarif, aus dem der Arbeiter die Höhe des ihm zustehenden Lohnsatzes und, soweit das im Lohnsystem begründet ist, die Höhe der ihm neben dem Lohn gebührenden Zulagen, die Vergütungssätze für Stücklohnarbeit und sonstige Angaben entnehmen kann, die ihn in den Stand setzen, seinen Lohnverdienst nachzuprüfen. Die Lohnordnung wird dem Arbeiter entweder persönlich ausgehändigt oder aber so bei der Beschäftigungsstelle ausgelegt, daß der Arbeiter sie ohne Inanspruchnahme von Amtsstellen einsehen kann.

Bei der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft ist am 1. Oktober 1912 in allen Fahrzeugwerkstätten endgültig ein neues Verfahren für die Lohnberechnung der Handwerker und Handarbeiter eingeführt worden. Es wird im Gegensatz zu dem früheren Stückpreisverfahren kurz als Stückzeitverfahren bezeichnet. Die Lohnreform erstreckte sich auf mehr als 80.000 Personen. Vor der Lohnreform bestand in den Werkstätten der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft ein Stückpreisverfahren, das dem in Privatwerken gebräuchlichen Verfahren nachgebildet war. Die vorkommenden Arbeiten waren in möglichst viele Einzelstücke zerlegt und jedes Einzelstück war mit einem Stückpreis bewertet. Der Stückpreis war bestimmungsmäßig so zu bilden, das die durchschnittliche Zeit, die ein Arbeiter auf die Ausführung eines Stückes zu verwenden hatte, mit dem Durchschnittsverdienste zu vervielfachen war, den ein Arbeiter gleicher Fachrichtung zu verdienen pflegte. Die Stückpreise waren für jede Eisenbahnwerkstätte besonders festgesetzt, während für die Zerlegung der Arbeiten in Einzelstücke einheitliche Grundsätze aufgestellt waren. Die Zahl der Stückpreise betrug über zehntausend. Der Stückpreis wurde für jede ordnungsmäßig geleistete Arbeit vergütet; irgendwelche Beschränkung des Höchstverdienstes, der sich nach Fleiß und Geschicklichkeit der Arbeiter mehr oder minder günstig stellte, war nicht zulässig. Tatsächlich haben mitunter geschickte Arbeiter, sei es bei geringerem, sei es bei höherem Beschäftigungsalter, sehr hohen Verdienst erzielt, während sich für die Hauptmasse der Arbeiterschaft ein ungefähr gleicher Durchschnittsverdienst ergab.

Dieses Verfahren befriedigte die Arbeiterschaft der staatlichen Betriebe immer weniger, namentlich drängten die Arbeiter, die schon längere Zeit in der Beschäftigung bei der Eisenbahnverwaltung standen, immer mehr auf Lohnsteigerung mit dem Hinweise, daß der Verdienst zwar für jüngere Leute ausreiche, für sie aber nicht zulange. Eine zeitgemäße, den Wünschen der Arbeiterschaft entsprechende Umgestaltung

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begründeten Arbeitsvorgängen oder aus besonderen Anlässen gewährt werden. Es kommen hierbei in Betracht die Aufwandsentschädigungen bei Dienstleistungen außerhalb des ständigen Dienstortes, die namentlich für die im Zugbeförderungs- und Zugbegleitungsdienst beschäftigten Arbeiter von Bedeutung sind, ferner einmalige Zulagen zum Lohn als Anerkennung für verdienstvolle Einzelleistungen, sparsamen Materialverbrauch u. dgl., sowie für langjährige zufriedenstellende Tätigkeit. Auch können zu diesen Gebühren die Vergütungen gerechnet werden, die den Arbeitern als Ersatz für die Unkosten gezahlt werden, die ihnen bei einem auf dienstlicher Veranlassung beruhenden Wechsel des Dienstortes erwachsen (Umzugsentschädigungen).</p><lb/>
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[126/0134] begründeten Arbeitsvorgängen oder aus besonderen Anlässen gewährt werden. Es kommen hierbei in Betracht die Aufwandsentschädigungen bei Dienstleistungen außerhalb des ständigen Dienstortes, die namentlich für die im Zugbeförderungs- und Zugbegleitungsdienst beschäftigten Arbeiter von Bedeutung sind, ferner einmalige Zulagen zum Lohn als Anerkennung für verdienstvolle Einzelleistungen, sparsamen Materialverbrauch u. dgl., sowie für langjährige zufriedenstellende Tätigkeit. Auch können zu diesen Gebühren die Vergütungen gerechnet werden, die den Arbeitern als Ersatz für die Unkosten gezahlt werden, die ihnen bei einem auf dienstlicher Veranlassung beruhenden Wechsel des Dienstortes erwachsen (Umzugsentschädigungen). Die Auszahlung des Lohnverdienstes ist aus Rücksichten auf die Wirtschaftsführung der Arbeiter verschieden geregelt. In der Arbeiterbevölkerung ist der Wunsch nach wöchentlicher Lohnzahlung ziemlich weit verbreitet. Wöchentliche Zahlungen erfordern aber im Eisenbahnwesen namentlich mit Rücksicht darauf viel Zeit- und Arbeitsaufwand, daß die Eisenbahnarbeiterschaft nur zum Teil in geschlossenen großen Arbeitsstätten tätig ist. Es sind aus Erwägungen solcher Art vielfach halbmonatliche Lohnzahlungen eingeführt. Dabei ist von einer Anzahl von Eisenbahnverwaltungen die Maßnahme so getroffen, daß eine eingehende Lohnrechnung nur monatlich aufgestellt, dem Arbeiter aber freigestellt wird, sich zwischenzeitlich eine Abschlagszahlung geben zu lassen. Als Löhnungszeitraum gilt alsdann in der Regel der Kalendermonat, so daß also der Arbeiter am Monatsende die Hauptzahlung und in der Mitte des Monats, soweit er es wünscht, eine Abschlagszahlung erhält. Die Auszahlung der Löhne geschieht in der Regel auf Grund von Lohnlisten, die der unmittelbare Dienstvorstand ausfertigt und die vorgesetzte Dienststelle überprüft. An die Streckenwärter werden die Löhne vielfach durch Bedienstete ausbezahlt, die zu diesem Zwecke die Strecke bereisen. Art und Höhe des als Entgelt für die übernommene Arbeitsleistung zu gewährenden Lohnes und der sonst etwa dem Arbeiter zuzubilligenden Vergütungen, Zeitpunkt und Formen der Lohnzahlung u. dgl. bilden einen Teil der mit dem Arbeiter bei Übernahme seiner Dienstverpflichtung zu treffenden Vereinbarung. Für die Form, durch die diese Vereinbarung gegenüber den Eisenbahnarbeitern beurkundet wird, sind gesetzliche Bestimmungen und Landesgebrauch maßgebend. Bei einer Reihe von Eisenbahnverwaltungen wird das Lohnverhältnis der Arbeiter zur Verwaltung durch besondere Ordnungen, die sog. Lohnordnungen geregelt. Diese Ordnungen geben im allgemeinen eine übersichtliche Zusammenstellung alles dessen, was für den Arbeiter bei der Beurteilung seines Lohnverhältnisses von Wichtigkeit ist. Sie treffen demgemäß Bestimmung über die Festsetzung des Lohnes, seine Berechnung und Zahlung, das Lohndienstalter, die Vergütung von Überstunden und Sonntagsarbeit, die besonderen Lohnzuschläge bei auswärtiger Beschäftigung, Belohnungen, Fortbezug des Lohnes bei Arbeitsversäumnis, über Stücklöhne u. dgl. Ferner enthält die Lohnordnung den ordentlichen Lohntarif, aus dem der Arbeiter die Höhe des ihm zustehenden Lohnsatzes und, soweit das im Lohnsystem begründet ist, die Höhe der ihm neben dem Lohn gebührenden Zulagen, die Vergütungssätze für Stücklohnarbeit und sonstige Angaben entnehmen kann, die ihn in den Stand setzen, seinen Lohnverdienst nachzuprüfen. Die Lohnordnung wird dem Arbeiter entweder persönlich ausgehändigt oder aber so bei der Beschäftigungsstelle ausgelegt, daß der Arbeiter sie ohne Inanspruchnahme von Amtsstellen einsehen kann. Bei der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft ist am 1. Oktober 1912 in allen Fahrzeugwerkstätten endgültig ein neues Verfahren für die Lohnberechnung der Handwerker und Handarbeiter eingeführt worden. Es wird im Gegensatz zu dem früheren Stückpreisverfahren kurz als Stückzeitverfahren bezeichnet. Die Lohnreform erstreckte sich auf mehr als 80.000 Personen. Vor der Lohnreform bestand in den Werkstätten der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft ein Stückpreisverfahren, das dem in Privatwerken gebräuchlichen Verfahren nachgebildet war. Die vorkommenden Arbeiten waren in möglichst viele Einzelstücke zerlegt und jedes Einzelstück war mit einem Stückpreis bewertet. Der Stückpreis war bestimmungsmäßig so zu bilden, das die durchschnittliche Zeit, die ein Arbeiter auf die Ausführung eines Stückes zu verwenden hatte, mit dem Durchschnittsverdienste zu vervielfachen war, den ein Arbeiter gleicher Fachrichtung zu verdienen pflegte. Die Stückpreise waren für jede Eisenbahnwerkstätte besonders festgesetzt, während für die Zerlegung der Arbeiten in Einzelstücke einheitliche Grundsätze aufgestellt waren. Die Zahl der Stückpreise betrug über zehntausend. Der Stückpreis wurde für jede ordnungsmäßig geleistete Arbeit vergütet; irgendwelche Beschränkung des Höchstverdienstes, der sich nach Fleiß und Geschicklichkeit der Arbeiter mehr oder minder günstig stellte, war nicht zulässig. Tatsächlich haben mitunter geschickte Arbeiter, sei es bei geringerem, sei es bei höherem Beschäftigungsalter, sehr hohen Verdienst erzielt, während sich für die Hauptmasse der Arbeiterschaft ein ungefähr gleicher Durchschnittsverdienst ergab. Dieses Verfahren befriedigte die Arbeiterschaft der staatlichen Betriebe immer weniger, namentlich drängten die Arbeiter, die schon längere Zeit in der Beschäftigung bei der Eisenbahnverwaltung standen, immer mehr auf Lohnsteigerung mit dem Hinweise, daß der Verdienst zwar für jüngere Leute ausreiche, für sie aber nicht zulange. Eine zeitgemäße, den Wünschen der Arbeiterschaft entsprechende Umgestaltung

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 7. Berlin, Wien, 1915, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen07_1915/134>, abgerufen am 12.12.2024.