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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 7. Berlin, Wien, 1915.

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um 70 m zusammen 14.605 m lang. Die Höhen-, Neigungs- und Richtungsverhältnisse sind aus Abb. 172 a und b zu ersehen.

Der Tunnel sollte anfänglich in gerader Richtung mit 13.735 m Länge (genaue Messung 13.744 m) ausgeführt werden.

Bei Eintritt des durchschnittlich 6·0 m2 großen und später bis auf 10 m2 erweiterten Richtstollens


Abb. 172 a und b. Höhen-, Neigungs- und Richtungsverhältnisse zum Lötschbergtunnel.
in die Auffüllung des Gasterntales 2675 m vom Nordmunde (Kandersteg) und 173 m unter Talsohle (s. Abb. 173) ereignete sich am 24. Juli 1908 ein Wasser- und Sandeinbruch. Hierbei wurde der Stollen auf etwa 1500 m Länge und in so kurzer Zeit mit Sand und Kies vollgefüllt, daß 25 Arbeiter nicht mehr Zeit fanden, sich zu retten, und den Tod fanden. Aus diesem Einbruch und einigen im Gasterntale ausgeführten Probebohrungen ergab sich, daß die Fortsetzung des Tunnelbaues in gerader Richtung unter dem Gasterntale auf etwa 350 m Länge jedenfalls auf beträchtliche Schwierigkeiten stoßen werde und die gewöhnlichen Bauweisen von Gebirgstunneln nicht mehr ausreichen dürften, daher außergewöhnliche Verfahren wie Schildvortrieb mit Preßluft, Gefrier- oder Versteinerungsverfahren zur Anwendung kommen müßten. Da die Möglichkeit vorlag, daß die Wasserdruckhöhe über dem Tunnel wenn auch nicht das volle Maß von 173 m erreichen, so doch die für Preßluftvorgang noch zulässige Grenze von etwa 30 m (3 Atm. Überdruck) überschreiten dürfte und deshalb das sehr kostspielige und langwierige Gefrier- oder Versteinerungsverfahren mindestens teilweise zur Anwendung kommen müßte, worüber wohl im Schachtbaue aber nur in unzureichendem Maße im Tunnelbaue Erfahrungen vorlagen, so entschloß man sich, die vorgesehene gerade Linie zu verlassen und den Tunnel in der aus Abb. 172 a u. b ersichtlichen Weise so zu führen, daß er nicht mehr die Sand- und Kiesauffüllung des Gasterntales, sondern festes Gebirge zu durchfahren hat. Infolgedessen mußte der Tunnel um 801 m verlängert und ein Teil des auf der Nordseite bereits hergestellten Richtstollens mit 1340 m Länge aufgegeben werden. Diese Abänderungen von dem ursprünglichen Entwürfe bedingten

Abb. 173.
Zeitverluste, daher Verlängerung der vorgesehenen Bauzeit.

In der Richtung von Nord nach Süd hatte der Tunnel zu durchfahren: auf 4 km sedimentäre Ablagerungen der Berriaskreide und des Jura auf 6·6 km Gastern-Granit und auf den Rest der Länge kristallinische Schiefer. Der Wasserabfluß wurde am Nordmunde im April 1911

um 70 m zusammen 14.605 m lang. Die Höhen-, Neigungs- und Richtungsverhältnisse sind aus Abb. 172 a und b zu ersehen.

Der Tunnel sollte anfänglich in gerader Richtung mit 13.735 m Länge (genaue Messung 13.744 m) ausgeführt werden.

Bei Eintritt des durchschnittlich 6·0 m2 großen und später bis auf 10 m2 erweiterten Richtstollens


Abb. 172 a und b. Höhen-, Neigungs- und Richtungsverhältnisse zum Lötschbergtunnel.
in die Auffüllung des Gasterntales 2675 m vom Nordmunde (Kandersteg) und 173 m unter Talsohle (s. Abb. 173) ereignete sich am 24. Juli 1908 ein Wasser- und Sandeinbruch. Hierbei wurde der Stollen auf etwa 1500 m Länge und in so kurzer Zeit mit Sand und Kies vollgefüllt, daß 25 Arbeiter nicht mehr Zeit fanden, sich zu retten, und den Tod fanden. Aus diesem Einbruch und einigen im Gasterntale ausgeführten Probebohrungen ergab sich, daß die Fortsetzung des Tunnelbaues in gerader Richtung unter dem Gasterntale auf etwa 350 m Länge jedenfalls auf beträchtliche Schwierigkeiten stoßen werde und die gewöhnlichen Bauweisen von Gebirgstunneln nicht mehr ausreichen dürften, daher außergewöhnliche Verfahren wie Schildvortrieb mit Preßluft, Gefrier- oder Versteinerungsverfahren zur Anwendung kommen müßten. Da die Möglichkeit vorlag, daß die Wasserdruckhöhe über dem Tunnel wenn auch nicht das volle Maß von 173 m erreichen, so doch die für Preßluftvorgang noch zulässige Grenze von etwa 30 m (3 Atm. Überdruck) überschreiten dürfte und deshalb das sehr kostspielige und langwierige Gefrier- oder Versteinerungsverfahren mindestens teilweise zur Anwendung kommen müßte, worüber wohl im Schachtbaue aber nur in unzureichendem Maße im Tunnelbaue Erfahrungen vorlagen, so entschloß man sich, die vorgesehene gerade Linie zu verlassen und den Tunnel in der aus Abb. 172 a u. b ersichtlichen Weise so zu führen, daß er nicht mehr die Sand- und Kiesauffüllung des Gasterntales, sondern festes Gebirge zu durchfahren hat. Infolgedessen mußte der Tunnel um 801 m verlängert und ein Teil des auf der Nordseite bereits hergestellten Richtstollens mit 1340 m Länge aufgegeben werden. Diese Abänderungen von dem ursprünglichen Entwürfe bedingten

Abb. 173.
Zeitverluste, daher Verlängerung der vorgesehenen Bauzeit.

In der Richtung von Nord nach Süd hatte der Tunnel zu durchfahren: auf 4 km sedimentäre Ablagerungen der Berriaskreide und des Jura auf 6·6 km Gastern-Granit und auf den Rest der Länge kristallinische Schiefer. Der Wasserabfluß wurde am Nordmunde im April 1911

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[123/0131] um 70 m zusammen 14.605 m lang. Die Höhen-, Neigungs- und Richtungsverhältnisse sind aus Abb. 172 a und b zu ersehen. Der Tunnel sollte anfänglich in gerader Richtung mit 13.735 m Länge (genaue Messung 13.744 m) ausgeführt werden. Bei Eintritt des durchschnittlich 6·0 m2 großen und später bis auf 10 m2 erweiterten Richtstollens [Abbildung Abb. 172 a und b. Höhen-, Neigungs- und Richtungsverhältnisse zum Lötschbergtunnel. ] in die Auffüllung des Gasterntales 2675 m vom Nordmunde (Kandersteg) und 173 m unter Talsohle (s. Abb. 173) ereignete sich am 24. Juli 1908 ein Wasser- und Sandeinbruch. Hierbei wurde der Stollen auf etwa 1500 m Länge und in so kurzer Zeit mit Sand und Kies vollgefüllt, daß 25 Arbeiter nicht mehr Zeit fanden, sich zu retten, und den Tod fanden. Aus diesem Einbruch und einigen im Gasterntale ausgeführten Probebohrungen ergab sich, daß die Fortsetzung des Tunnelbaues in gerader Richtung unter dem Gasterntale auf etwa 350 m Länge jedenfalls auf beträchtliche Schwierigkeiten stoßen werde und die gewöhnlichen Bauweisen von Gebirgstunneln nicht mehr ausreichen dürften, daher außergewöhnliche Verfahren wie Schildvortrieb mit Preßluft, Gefrier- oder Versteinerungsverfahren zur Anwendung kommen müßten. Da die Möglichkeit vorlag, daß die Wasserdruckhöhe über dem Tunnel wenn auch nicht das volle Maß von 173 m erreichen, so doch die für Preßluftvorgang noch zulässige Grenze von etwa 30 m (3 Atm. Überdruck) überschreiten dürfte und deshalb das sehr kostspielige und langwierige Gefrier- oder Versteinerungsverfahren mindestens teilweise zur Anwendung kommen müßte, worüber wohl im Schachtbaue aber nur in unzureichendem Maße im Tunnelbaue Erfahrungen vorlagen, so entschloß man sich, die vorgesehene gerade Linie zu verlassen und den Tunnel in der aus Abb. 172 a u. b ersichtlichen Weise so zu führen, daß er nicht mehr die Sand- und Kiesauffüllung des Gasterntales, sondern festes Gebirge zu durchfahren hat. Infolgedessen mußte der Tunnel um 801 m verlängert und ein Teil des auf der Nordseite bereits hergestellten Richtstollens mit 1340 m Länge aufgegeben werden. Diese Abänderungen von dem ursprünglichen Entwürfe bedingten [Abbildung Abb. 173. ] Zeitverluste, daher Verlängerung der vorgesehenen Bauzeit. In der Richtung von Nord nach Süd hatte der Tunnel zu durchfahren: auf 4 km sedimentäre Ablagerungen der Berriaskreide und des Jura auf 6·6 km Gastern-Granit und auf den Rest der Länge kristallinische Schiefer. Der Wasserabfluß wurde am Nordmunde im April 1911

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 7. Berlin, Wien, 1915, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen07_1915/131>, abgerufen am 04.12.2024.