Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 6. Berlin, Wien, 1914.der Ertrag reichte vielfach nicht einmal zur Deckung der Obligationenzinsen aus; die zur Bauvollendung nötigen Gelder wurden oft unter sehr lästigen Bedingungen aufgenommen. Einzelne Gesellschaften gerieten in Konkurs und die Rettung wurde insbesondere durch Fusionen gesucht und vielfach gefunden. Das Bundesgesetz vom 23. Dezember 1872, das die Konzessionierung dem Bunde übertrug, brachte nur vorübergehende Abhilfe. Seit 1873 wurden wieder zahlreiche überflüssige und kostspielige Linien von großen Gesellschaften sowie von kleinen selbständigen Unternehmungen gebaut. 1876 stellte sich eine neue schwere K. ein. Die Aktienkurse sanken auf 1/3, ja bis auf 1/10 der Kurse von 1872. Einzelne Bahnen kamen in Konkurs und wurden um einen Bruchteil des Anlagekapitals veräußert. Die Dividenden sanken z. B. bei der Jura-Simplon-Bahn von 1·97% im Jahre 1872 auf 0·55% im Jahre 1878, die Nordostbahn, die 1872-1875 8% Dividende gezahlt hatte, stellte die Dividendenzahlung 1877-1879 ganz ein u. s. w. Erst Mitte der Achtzigerjahre erfolgte eine Gesundung. England hatte die größte K. in den Vierzigerjahren des vorigen Jahrhunderts zu bestehen, die durch die vorausgegangene Eisenbahnbauwut verursacht war und zur Folge hatte, daß schon Ende 1847 die Vollendungstermine zahlreicher bereits konzessionierter Bahnen vom Parlament verlängert und eine Anzahl von Konzessionen (für mehr als 2500 km) für verfallen erklärt wurden. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind sozusagen das klassische Land der Eisenbahnkrisen. In keinem Lande kommen so häufig, wie in den Ver. Staaten, K. einzelner Eisenbahnen vor, die zum Bankerott führen. Mit wenigen Ausnahmen haben alle größeren Eisenbahnen solche kritische Zeiten durchgemacht. Hauptgründe dafür sind die unsolide Finanzgebarung und die maßlosen, sich zu heftigen Tarifkriegen wiederholt steigernden, mit starken Einbußen in den Verkehrseinnahmen verbundenen Wettbewerbe. Außerdem sind wiederholt allgemeine wirtschaftliche K. durch die Eisenbahnverhältnisse herbeigeführt worden und umgekehrt haben die Eisenbahnen unter wirtschaftlichen K. gelitten, die zu Eisenbahnkrisen Anlaß gegeben haben. Seit dem Jahre 1876 - seit dem regelmäßige statistische Aufzeichnungen veröffentlicht werden - bis Ende 1913 sind 754 Bahnen mit einer Länge von 145.176 Meilen und einem Kapital von 8.262,453.699 $ in Konkurs verfallen und 994 Bahnen mit einer Länge von 121.026 Meilen und einem Anlagekapital von 7.392,978.502 $ zwangsweise versteigert worden. Bei diesen Zahlen ist zu beachten, daß viele Bahnen wiederholt in Konkurs verfallen und versteigert worden sind und daß nicht alle Konkurse zu Zwangsverkäufen führen. In jedem statistischen Jahresberichte des Bundesverkehrsamtes muß über Bankerotte und Zwangsversteigerungen berichtet werden (s. Konkursrecht, z. B. die Zusammenstellung im Archiv f. Ebw., Jahrg. 1910, S. 444 ff.). Das schlimmste Jahr für die Eisenbahnen war 1893, wo 132 Eisenbahnen mit einer Länge von 29.340 Meilen und einem Anlagekapital von 1781 Millionen Dollar in Konkurs verfielen. Abgesehen von diesem Jahre, in dem die Eisenbahnkrise in nahem Zusammenhang stand mit der Überspannung und demnächstigen Abflauung der wirtschaftlichen Verhältnisse infolge der Weltausstellung in Chicago waren schlimme Krisenjahre die Jahre 1857 (allgemeine Weltkrisis), 1873 (Überspannung des Kredits, Zusammenbruch des Welthauses Jay Cook und der Northern-Pacific-Railway) 1887 (erste Kämpfe der Überlandbahnen gegeneinander, Überstürzung des Eisenbahnbaues). Es folgten verhältnismäßig ruhige Zeiten, die Zusammenschlüsse der großen Bahnen, Einschränkung des Eisenbahnbaues. Eine Folge und Begleiterscheinung der Geldkrisis im Herbste 1907 war Anfang 1908 eine schwere Eisenbahnkrisis. In den ersten 10 Wochen dieses Jahres waren Eisenbahnen in einer Länge von 9600 km und einem Anlagekapital von 4 Milliarden Mark genötigt, ihre Zahlungen einzustellen. Die Zahlungseinstellungen der St. Louis and San Francisco und der New York-Newhaven and Hartfort-Eisenbahn in den Jahren 1913 und 1914 haben größere allgemeine wirtschaftliche Krisen nicht zur Folge gehabt. Literatur: Die an den betreffenden Stellen verzeichneten Werke über die geschichtliche Entwicklung der Eisenbahnen. Außerdem: Offenberg, Konjunktur und Eisenbahnen. Berlin 1914. - Insbesondere für Amerika: van Oss, American Railroads as investments. London u. New York 1883. - Swaine, Economic aspects of Railroad receiverships. (New York 1898.) - Daggett, Railroad reorganisation. Boston u. New York 1908. Hierzu Besprechung von v. der Leyen, Göttinger Gelehrte Anzeigen. 1908, S. 922 ff. - Edwards, Das Anlagekapital der nordamerikanischen Eisenbahnen und seine Beziehungen zum Reinertrag. Arch. f. Ebw. 1913, S. 885 ff, 1222 ff. v. der Leyen. der Ertrag reichte vielfach nicht einmal zur Deckung der Obligationenzinsen aus; die zur Bauvollendung nötigen Gelder wurden oft unter sehr lästigen Bedingungen aufgenommen. Einzelne Gesellschaften gerieten in Konkurs und die Rettung wurde insbesondere durch Fusionen gesucht und vielfach gefunden. Das Bundesgesetz vom 23. Dezember 1872, das die Konzessionierung dem Bunde übertrug, brachte nur vorübergehende Abhilfe. Seit 1873 wurden wieder zahlreiche überflüssige und kostspielige Linien von großen Gesellschaften sowie von kleinen selbständigen Unternehmungen gebaut. 1876 stellte sich eine neue schwere K. ein. Die Aktienkurse sanken auf 1/3, ja bis auf 1/10 der Kurse von 1872. Einzelne Bahnen kamen in Konkurs und wurden um einen Bruchteil des Anlagekapitals veräußert. Die Dividenden sanken z. B. bei der Jura-Simplon-Bahn von 1·97% im Jahre 1872 auf 0·55% im Jahre 1878, die Nordostbahn, die 1872–1875 8% Dividende gezahlt hatte, stellte die Dividendenzahlung 1877–1879 ganz ein u. s. w. Erst Mitte der Achtzigerjahre erfolgte eine Gesundung. England hatte die größte K. in den Vierzigerjahren des vorigen Jahrhunderts zu bestehen, die durch die vorausgegangene Eisenbahnbauwut verursacht war und zur Folge hatte, daß schon Ende 1847 die Vollendungstermine zahlreicher bereits konzessionierter Bahnen vom Parlament verlängert und eine Anzahl von Konzessionen (für mehr als 2500 km) für verfallen erklärt wurden. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind sozusagen das klassische Land der Eisenbahnkrisen. In keinem Lande kommen so häufig, wie in den Ver. Staaten, K. einzelner Eisenbahnen vor, die zum Bankerott führen. Mit wenigen Ausnahmen haben alle größeren Eisenbahnen solche kritische Zeiten durchgemacht. Hauptgründe dafür sind die unsolide Finanzgebarung und die maßlosen, sich zu heftigen Tarifkriegen wiederholt steigernden, mit starken Einbußen in den Verkehrseinnahmen verbundenen Wettbewerbe. Außerdem sind wiederholt allgemeine wirtschaftliche K. durch die Eisenbahnverhältnisse herbeigeführt worden und umgekehrt haben die Eisenbahnen unter wirtschaftlichen K. gelitten, die zu Eisenbahnkrisen Anlaß gegeben haben. Seit dem Jahre 1876 – seit dem regelmäßige statistische Aufzeichnungen veröffentlicht werden – bis Ende 1913 sind 754 Bahnen mit einer Länge von 145.176 Meilen und einem Kapital von 8.262,453.699 $ in Konkurs verfallen und 994 Bahnen mit einer Länge von 121.026 Meilen und einem Anlagekapital von 7.392,978.502 $ zwangsweise versteigert worden. 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Abgesehen von diesem Jahre, in dem die Eisenbahnkrise in nahem Zusammenhang stand mit der Überspannung und demnächstigen Abflauung der wirtschaftlichen Verhältnisse infolge der Weltausstellung in Chicago waren schlimme Krisenjahre die Jahre 1857 (allgemeine Weltkrisis), 1873 (Überspannung des Kredits, Zusammenbruch des Welthauses Jay Cook und der Northern-Pacific-Railway) 1887 (erste Kämpfe der Überlandbahnen gegeneinander, Überstürzung des Eisenbahnbaues). Es folgten verhältnismäßig ruhige Zeiten, die Zusammenschlüsse der großen Bahnen, Einschränkung des Eisenbahnbaues. Eine Folge und Begleiterscheinung der Geldkrisis im Herbste 1907 war Anfang 1908 eine schwere Eisenbahnkrisis. In den ersten 10 Wochen dieses Jahres waren Eisenbahnen in einer Länge von 9600 km und einem Anlagekapital von 4 Milliarden Mark genötigt, ihre Zahlungen einzustellen. Die Zahlungseinstellungen der St. Louis and San Francisco und der New York-Newhaven and Hartfort-Eisenbahn in den Jahren 1913 und 1914 haben größere allgemeine wirtschaftliche Krisen nicht zur Folge gehabt. Literatur: Die an den betreffenden Stellen verzeichneten Werke über die geschichtliche Entwicklung der Eisenbahnen. Außerdem: Offenberg, Konjunktur und Eisenbahnen. Berlin 1914. – Insbesondere für Amerika: van Oss, American Railroads as investments. London u. New York 1883. – Swaine, Economic aspects of Railroad receiverships. (New York 1898.) – Daggett, Railroad reorganisation. Boston u. New York 1908. Hierzu Besprechung von v. der Leyen, Göttinger Gelehrte Anzeigen. 1908, S. 922 ff. – Edwards, Das Anlagekapital der nordamerikanischen Eisenbahnen und seine Beziehungen zum Reinertrag. Arch. f. 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Ebw., Jahrg. 1910, S. 444 ff.). Das schlimmste Jahr für die Eisenbahnen war 1893, wo 132 Eisenbahnen mit einer Länge von 29.340 Meilen und einem Anlagekapital von 1781 Millionen Dollar in Konkurs verfielen. Abgesehen von diesem Jahre, in dem die Eisenbahnkrise in nahem Zusammenhang stand mit der Überspannung und demnächstigen Abflauung der wirtschaftlichen Verhältnisse infolge der Weltausstellung in Chicago waren schlimme Krisenjahre die Jahre 1857 (allgemeine Weltkrisis), 1873 (Überspannung des Kredits, Zusammenbruch des Welthauses Jay Cook und der Northern-Pacific-Railway) 1887 (erste Kämpfe der Überlandbahnen gegeneinander, Überstürzung des Eisenbahnbaues). Es folgten verhältnismäßig ruhige Zeiten, die Zusammenschlüsse der großen Bahnen, Einschränkung des Eisenbahnbaues. Eine Folge und Begleiterscheinung der Geldkrisis im Herbste 1907 war Anfang 1908 eine schwere Eisenbahnkrisis. 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England hatte die größte K. in den Vierzigerjahren des vorigen Jahrhunderts zu bestehen, die durch die vorausgegangene Eisenbahnbauwut verursacht war und zur Folge hatte, daß schon Ende 1847 die Vollendungstermine zahlreicher bereits konzessionierter Bahnen vom Parlament verlängert und eine Anzahl von Konzessionen (für mehr als 2500 km) für verfallen erklärt wurden.
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind sozusagen das klassische Land der Eisenbahnkrisen. In keinem Lande kommen so häufig, wie in den Ver. Staaten, K. einzelner Eisenbahnen vor, die zum Bankerott führen. Mit wenigen Ausnahmen haben alle größeren Eisenbahnen solche kritische Zeiten durchgemacht. Hauptgründe dafür sind die unsolide Finanzgebarung und die maßlosen, sich zu heftigen Tarifkriegen wiederholt steigernden, mit starken Einbußen in den Verkehrseinnahmen verbundenen Wettbewerbe. Außerdem sind wiederholt allgemeine wirtschaftliche K. durch die Eisenbahnverhältnisse herbeigeführt worden und umgekehrt haben die Eisenbahnen unter wirtschaftlichen K. gelitten, die zu Eisenbahnkrisen Anlaß gegeben haben.
Seit dem Jahre 1876 – seit dem regelmäßige statistische Aufzeichnungen veröffentlicht werden – bis Ende 1913 sind 754 Bahnen mit einer Länge von 145.176 Meilen und einem Kapital von 8.262,453.699 $ in Konkurs verfallen und 994 Bahnen mit einer Länge von 121.026 Meilen und einem Anlagekapital von 7.392,978.502 $ zwangsweise versteigert worden. Bei diesen Zahlen ist zu beachten, daß viele Bahnen wiederholt in Konkurs verfallen und versteigert worden sind und daß nicht alle Konkurse zu Zwangsverkäufen führen. In jedem statistischen Jahresberichte des Bundesverkehrsamtes muß über Bankerotte und Zwangsversteigerungen berichtet werden (s. Konkursrecht, z. B. die Zusammenstellung im Archiv f. Ebw., Jahrg. 1910, S. 444 ff.). Das schlimmste Jahr für die Eisenbahnen war 1893, wo 132 Eisenbahnen mit einer Länge von 29.340 Meilen und einem Anlagekapital von 1781 Millionen Dollar in Konkurs verfielen. Abgesehen von diesem Jahre, in dem die Eisenbahnkrise in nahem Zusammenhang stand mit der Überspannung und demnächstigen Abflauung der wirtschaftlichen Verhältnisse infolge der Weltausstellung in Chicago waren schlimme Krisenjahre die Jahre 1857 (allgemeine Weltkrisis), 1873 (Überspannung des Kredits, Zusammenbruch des Welthauses Jay Cook und der Northern-Pacific-Railway) 1887 (erste Kämpfe der Überlandbahnen gegeneinander, Überstürzung des Eisenbahnbaues). Es folgten verhältnismäßig ruhige Zeiten, die Zusammenschlüsse der großen Bahnen, Einschränkung des Eisenbahnbaues. Eine Folge und Begleiterscheinung der Geldkrisis im Herbste 1907 war Anfang 1908 eine schwere Eisenbahnkrisis. In den ersten 10 Wochen dieses Jahres waren Eisenbahnen in einer Länge von 9600 km und einem Anlagekapital von 4 Milliarden Mark genötigt, ihre Zahlungen einzustellen. Die Zahlungseinstellungen der St. Louis and San Francisco und der New York-Newhaven and Hartfort-Eisenbahn in den Jahren 1913 und 1914 haben größere allgemeine wirtschaftliche Krisen nicht zur Folge gehabt.
Literatur: Die an den betreffenden Stellen verzeichneten Werke über die geschichtliche Entwicklung der Eisenbahnen. Außerdem: Offenberg, Konjunktur und Eisenbahnen. Berlin 1914. – Insbesondere für Amerika: van Oss, American Railroads as investments. London u. New York 1883. – Swaine, Economic aspects of Railroad receiverships. (New York 1898.) – Daggett, Railroad reorganisation. Boston u. New York 1908. Hierzu Besprechung von v. der Leyen, Göttinger Gelehrte Anzeigen. 1908, S. 922 ff. – Edwards, Das Anlagekapital der nordamerikanischen Eisenbahnen und seine Beziehungen zum Reinertrag. Arch. f. Ebw. 1913, S. 885 ff, 1222 ff.
v. der Leyen.
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