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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 6. Berlin, Wien, 1914.

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bereits 1870 eine Rentabilitätsberechnung der wichtigen ins Auge gefaßten Linien aufgestellt. Diese Berechnung ist als Vorbild aller bis heute mit derselben Genauigkeit ausgearbeiteten Zusammenstellungen und Berechnungen bei japanischen Eisenbahnbauplänen anzusehen. Weittragend und schwerwiegend war die Entscheidung über die Spurweite. Es heißt, ein australisch-englischer Ingenieur, dem die "Kapspur" aus seinen Erfahrungen in Australien bekannt war, habe sie der Regierung anempfohlen, und so sei es zur Annahme der Spurweite von 1·06 m gekommen. Nach Inouyes Darstellung war für diese Spur die Erwägung ausschlaggebend, daß für das gebirgige Land die Schmalspur besser geeignet sei, daß sie vor allem ökonomischer sein werde, und daß man lieber 130 Meilen Schmalspur als 100 Meilen Normalspur haben wolle. Und damit hatte man für die damalige Zeit nicht Unrecht. Unterdes war der durch technische Schwierigkeiten nicht behelligte Bau der ersten Linie fortgeschritten und am 7. Mai 1872 konnte der erste Eisenbahnzug auf japanischem Boden auf einer Teilstrecke der gedachten Bahn fahren, die in der ganzen Ausdehnung von 29 km von Tokio bis Jokohama am 12. September 1872 feierlich durch den Kaiser eröffnet wurde. Schon 1880 wurde ein zweites Gleis hinzugefügt. Bei der Menge hochbezahlter Fremder und angesichts des Umstandes, daß es ein erster Versuch war, für den alle unterstützenden Mittel, wie Reparaturwerkstätten u. dgl. erst geschaffen werden mußten, nimmt es nicht wunder, wenn die Kosten außerordentlich hoch waren. Abgesehen von mehreren großen Brücken war der Bau technisch einfach - Steigung höchstens 1 : 100 - und erforderte insgesamt 12,334.688 M. oder für das km rd. 425.000 M.

Diese Linie bedeutet den Anfang der noch heute wichtigsten Bahn, der Tokaidobahn, von Tokio über Jokohama-Nagoya-Gipu-Otsu-Kioto-Osaka nach Kobe. Nach ihrer Vollendung verschob sich das Interesse am Bahnbau allein auf die Strecke bei Osaka und so wurde das Eisenbahnamt 1884 dorthin verlegt, zumal schon im Dezember 1873 der Beginn der Bauarbeiten an der 27 Meilen langen Linie Kioto-Osaka gemeldet werden konnte. Im November 1874 wurde die zweite Bahnlinie Japans eröffnet, die 35 km lange Strecke von der verkehrsreichen Hafenstadt Kobe zu dem gewerbefleißigen Osaka (Adjikawa). Die Kosten dieser technisch gleichfalls nicht besonders schwierigen Linie - höchste Steigungen 1 : 100 - waren noch höher als die der ersten und haben damit die Linie zur teuersten Japans gemacht, sie betrugen nämlich 17,936.912 M. oder 512.000 M. für das km. Zur Zeit ihrer Eröffnung war auch die als dritte in Angriff genommene Bahn, nämlich die von Kioto nach Osaka fast vollendet. Aber über die so frisch begonnene Entwicklung brach der Sturm des letzten großen inneren Krieges Japans herein. Und so wurde diese 47 km lange Linie erst drei Jahre später ganz fertig und im Februar 1878 vom Kaiser feierlich eröffnet. Die Kosten dieser Linie betragen nur noch 262.000 M. für das km, obschon die technische Leistung eine höhere war und Höchststeigungen von 1 : 40 zu überwinden waren. Die Finanzierung der beiden letzten Linien erfolgte noch aus der Anleihe im Gesamtbetrage von 3 Mill. Pfund Sterling. Die drei genannten Bahnlinien und ihr Bau bilden insofern einen Geschichtsabschnitt für sich, als nunmehr Japan dazu übergeht, aus eigener Kraft Eisenbahnen herzustellen. Als erster Versuch hierfür wird der Bau der Linie Kioto-Otsu gewählt. Der große Bürgerkrieg in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre hatte die kaiserliche Regierung von neuem gestärkt, und sie ging nun zu einem Eisenbahnbauprogramm größeren Stiles über. Es wurde eine Anleihe von 121/2 Mill. Yen - damals 1 Yen gegen 4 M. - aufgenommen, von denen fünf für öffentliche Arbeiten, u. zw. davon wieder die Hälfte für Eisenbahnen bestimmt wurden. Außer der Linie Kioto-Otsu wurde noch eine Linie von Shiozu oder Nagahama nach Tsuruga ins Auge gefaßt, um eine Verbindung zwischen dem Südufer und Nordufer Hondos zu schaffen und sich dabei des Bootverkehrs auf dem Biwasee, einem ganz von Land umschlossenen Binnengewässer, zu bedienen. Im August 1878 begann die Arbeit auf der 18 km langen Strecke Kioto-Otsu, deren Bau in zwei Jahren vollendet wurde und trotz technischer Schwierigkeiten (die z. B. der große Tunnel bei Osakayama verursachte, der ein Gefälle von 1 : 40 aufweist) und des Fehlens fremder Ingenieure als Bauleiter nur 175.000 M. das km kostete. Im Juli 1881 konnte die Eröffnung der ganzen Linie stattfinden. Nach dieser Tat selbständiger japanischer Ingenieurkunst, deren wirtschaftliche Ergebnisse günstig waren, wuchs das Vertrauen in die eigene Kraft und es wurden allmählich die meisten Fremden aus dem Eisenbahnbau- und -betriebsdienst entfernt und nur zwei oder drei hervorragende Fachleute als Ratgeber beibehalten.

Die Verbindung der beiden Küsten erschien als eine ganz besonders wichtige Aufgabe. In

bereits 1870 eine Rentabilitätsberechnung der wichtigen ins Auge gefaßten Linien aufgestellt. Diese Berechnung ist als Vorbild aller bis heute mit derselben Genauigkeit ausgearbeiteten Zusammenstellungen und Berechnungen bei japanischen Eisenbahnbauplänen anzusehen. Weittragend und schwerwiegend war die Entscheidung über die Spurweite. Es heißt, ein australisch-englischer Ingenieur, dem die „Kapspur“ aus seinen Erfahrungen in Australien bekannt war, habe sie der Regierung anempfohlen, und so sei es zur Annahme der Spurweite von 1·06 m gekommen. Nach Inouyes Darstellung war für diese Spur die Erwägung ausschlaggebend, daß für das gebirgige Land die Schmalspur besser geeignet sei, daß sie vor allem ökonomischer sein werde, und daß man lieber 130 Meilen Schmalspur als 100 Meilen Normalspur haben wolle. Und damit hatte man für die damalige Zeit nicht Unrecht. Unterdes war der durch technische Schwierigkeiten nicht behelligte Bau der ersten Linie fortgeschritten und am 7. Mai 1872 konnte der erste Eisenbahnzug auf japanischem Boden auf einer Teilstrecke der gedachten Bahn fahren, die in der ganzen Ausdehnung von 29 km von Tokio bis Jokohama am 12. September 1872 feierlich durch den Kaiser eröffnet wurde. Schon 1880 wurde ein zweites Gleis hinzugefügt. Bei der Menge hochbezahlter Fremder und angesichts des Umstandes, daß es ein erster Versuch war, für den alle unterstützenden Mittel, wie Reparaturwerkstätten u. dgl. erst geschaffen werden mußten, nimmt es nicht wunder, wenn die Kosten außerordentlich hoch waren. Abgesehen von mehreren großen Brücken war der Bau technisch einfach – Steigung höchstens 1 : 100 – und erforderte insgesamt 12,334.688 M. oder für das km rd. 425.000 M.

Diese Linie bedeutet den Anfang der noch heute wichtigsten Bahn, der Tokaidobahn, von Tokio über Jokohama-Nagoya-Gipu-Otsu-Kioto-Osaka nach Kobe. Nach ihrer Vollendung verschob sich das Interesse am Bahnbau allein auf die Strecke bei Osaka und so wurde das Eisenbahnamt 1884 dorthin verlegt, zumal schon im Dezember 1873 der Beginn der Bauarbeiten an der 27 Meilen langen Linie Kioto-Osaka gemeldet werden konnte. Im November 1874 wurde die zweite Bahnlinie Japans eröffnet, die 35 km lange Strecke von der verkehrsreichen Hafenstadt Kobe zu dem gewerbefleißigen Osaka (Adjikawa). Die Kosten dieser technisch gleichfalls nicht besonders schwierigen Linie – höchste Steigungen 1 : 100 – waren noch höher als die der ersten und haben damit die Linie zur teuersten Japans gemacht, sie betrugen nämlich 17,936.912 M. oder 512.000 M. für das km. Zur Zeit ihrer Eröffnung war auch die als dritte in Angriff genommene Bahn, nämlich die von Kioto nach Osaka fast vollendet. Aber über die so frisch begonnene Entwicklung brach der Sturm des letzten großen inneren Krieges Japans herein. Und so wurde diese 47 km lange Linie erst drei Jahre später ganz fertig und im Februar 1878 vom Kaiser feierlich eröffnet. Die Kosten dieser Linie betragen nur noch 262.000 M. für das km, obschon die technische Leistung eine höhere war und Höchststeigungen von 1 : 40 zu überwinden waren. Die Finanzierung der beiden letzten Linien erfolgte noch aus der Anleihe im Gesamtbetrage von 3 Mill. Pfund Sterling. Die drei genannten Bahnlinien und ihr Bau bilden insofern einen Geschichtsabschnitt für sich, als nunmehr Japan dazu übergeht, aus eigener Kraft Eisenbahnen herzustellen. Als erster Versuch hierfür wird der Bau der Linie Kioto-Otsu gewählt. Der große Bürgerkrieg in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre hatte die kaiserliche Regierung von neuem gestärkt, und sie ging nun zu einem Eisenbahnbauprogramm größeren Stiles über. Es wurde eine Anleihe von 121/2 Mill. Yen – damals 1 Yen gegen 4 M. – aufgenommen, von denen fünf für öffentliche Arbeiten, u. zw. davon wieder die Hälfte für Eisenbahnen bestimmt wurden. Außer der Linie Kioto-Otsu wurde noch eine Linie von Shiozu oder Nagahama nach Tsuruga ins Auge gefaßt, um eine Verbindung zwischen dem Südufer und Nordufer Hondos zu schaffen und sich dabei des Bootverkehrs auf dem Biwasee, einem ganz von Land umschlossenen Binnengewässer, zu bedienen. Im August 1878 begann die Arbeit auf der 18 km langen Strecke Kioto-Otsu, deren Bau in zwei Jahren vollendet wurde und trotz technischer Schwierigkeiten (die z. B. der große Tunnel bei Osakayama verursachte, der ein Gefälle von 1 : 40 aufweist) und des Fehlens fremder Ingenieure als Bauleiter nur 175.000 M. das km kostete. Im Juli 1881 konnte die Eröffnung der ganzen Linie stattfinden. Nach dieser Tat selbständiger japanischer Ingenieurkunst, deren wirtschaftliche Ergebnisse günstig waren, wuchs das Vertrauen in die eigene Kraft und es wurden allmählich die meisten Fremden aus dem Eisenbahnbau- und -betriebsdienst entfernt und nur zwei oder drei hervorragende Fachleute als Ratgeber beibehalten.

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[300/0316] bereits 1870 eine Rentabilitätsberechnung der wichtigen ins Auge gefaßten Linien aufgestellt. Diese Berechnung ist als Vorbild aller bis heute mit derselben Genauigkeit ausgearbeiteten Zusammenstellungen und Berechnungen bei japanischen Eisenbahnbauplänen anzusehen. Weittragend und schwerwiegend war die Entscheidung über die Spurweite. Es heißt, ein australisch-englischer Ingenieur, dem die „Kapspur“ aus seinen Erfahrungen in Australien bekannt war, habe sie der Regierung anempfohlen, und so sei es zur Annahme der Spurweite von 1·06 m gekommen. Nach Inouyes Darstellung war für diese Spur die Erwägung ausschlaggebend, daß für das gebirgige Land die Schmalspur besser geeignet sei, daß sie vor allem ökonomischer sein werde, und daß man lieber 130 Meilen Schmalspur als 100 Meilen Normalspur haben wolle. Und damit hatte man für die damalige Zeit nicht Unrecht. Unterdes war der durch technische Schwierigkeiten nicht behelligte Bau der ersten Linie fortgeschritten und am 7. Mai 1872 konnte der erste Eisenbahnzug auf japanischem Boden auf einer Teilstrecke der gedachten Bahn fahren, die in der ganzen Ausdehnung von 29 km von Tokio bis Jokohama am 12. September 1872 feierlich durch den Kaiser eröffnet wurde. Schon 1880 wurde ein zweites Gleis hinzugefügt. Bei der Menge hochbezahlter Fremder und angesichts des Umstandes, daß es ein erster Versuch war, für den alle unterstützenden Mittel, wie Reparaturwerkstätten u. dgl. erst geschaffen werden mußten, nimmt es nicht wunder, wenn die Kosten außerordentlich hoch waren. Abgesehen von mehreren großen Brücken war der Bau technisch einfach – Steigung höchstens 1 : 100 – und erforderte insgesamt 12,334.688 M. oder für das km rd. 425.000 M. Diese Linie bedeutet den Anfang der noch heute wichtigsten Bahn, der Tokaidobahn, von Tokio über Jokohama-Nagoya-Gipu-Otsu-Kioto-Osaka nach Kobe. Nach ihrer Vollendung verschob sich das Interesse am Bahnbau allein auf die Strecke bei Osaka und so wurde das Eisenbahnamt 1884 dorthin verlegt, zumal schon im Dezember 1873 der Beginn der Bauarbeiten an der 27 Meilen langen Linie Kioto-Osaka gemeldet werden konnte. Im November 1874 wurde die zweite Bahnlinie Japans eröffnet, die 35 km lange Strecke von der verkehrsreichen Hafenstadt Kobe zu dem gewerbefleißigen Osaka (Adjikawa). Die Kosten dieser technisch gleichfalls nicht besonders schwierigen Linie – höchste Steigungen 1 : 100 – waren noch höher als die der ersten und haben damit die Linie zur teuersten Japans gemacht, sie betrugen nämlich 17,936.912 M. oder 512.000 M. für das km. Zur Zeit ihrer Eröffnung war auch die als dritte in Angriff genommene Bahn, nämlich die von Kioto nach Osaka fast vollendet. Aber über die so frisch begonnene Entwicklung brach der Sturm des letzten großen inneren Krieges Japans herein. Und so wurde diese 47 km lange Linie erst drei Jahre später ganz fertig und im Februar 1878 vom Kaiser feierlich eröffnet. Die Kosten dieser Linie betragen nur noch 262.000 M. für das km, obschon die technische Leistung eine höhere war und Höchststeigungen von 1 : 40 zu überwinden waren. Die Finanzierung der beiden letzten Linien erfolgte noch aus der Anleihe im Gesamtbetrage von 3 Mill. Pfund Sterling. Die drei genannten Bahnlinien und ihr Bau bilden insofern einen Geschichtsabschnitt für sich, als nunmehr Japan dazu übergeht, aus eigener Kraft Eisenbahnen herzustellen. Als erster Versuch hierfür wird der Bau der Linie Kioto-Otsu gewählt. Der große Bürgerkrieg in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre hatte die kaiserliche Regierung von neuem gestärkt, und sie ging nun zu einem Eisenbahnbauprogramm größeren Stiles über. Es wurde eine Anleihe von 121/2 Mill. Yen – damals 1 Yen gegen 4 M. – aufgenommen, von denen fünf für öffentliche Arbeiten, u. zw. davon wieder die Hälfte für Eisenbahnen bestimmt wurden. Außer der Linie Kioto-Otsu wurde noch eine Linie von Shiozu oder Nagahama nach Tsuruga ins Auge gefaßt, um eine Verbindung zwischen dem Südufer und Nordufer Hondos zu schaffen und sich dabei des Bootverkehrs auf dem Biwasee, einem ganz von Land umschlossenen Binnengewässer, zu bedienen. Im August 1878 begann die Arbeit auf der 18 km langen Strecke Kioto-Otsu, deren Bau in zwei Jahren vollendet wurde und trotz technischer Schwierigkeiten (die z. B. der große Tunnel bei Osakayama verursachte, der ein Gefälle von 1 : 40 aufweist) und des Fehlens fremder Ingenieure als Bauleiter nur 175.000 M. das km kostete. Im Juli 1881 konnte die Eröffnung der ganzen Linie stattfinden. Nach dieser Tat selbständiger japanischer Ingenieurkunst, deren wirtschaftliche Ergebnisse günstig waren, wuchs das Vertrauen in die eigene Kraft und es wurden allmählich die meisten Fremden aus dem Eisenbahnbau- und -betriebsdienst entfernt und nur zwei oder drei hervorragende Fachleute als Ratgeber beibehalten. Die Verbindung der beiden Küsten erschien als eine ganz besonders wichtige Aufgabe. In

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 6. Berlin, Wien, 1914, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen06_1914/316>, abgerufen am 22.11.2024.