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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 5. Berlin, Wien, 1914.

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getroffenen Vereinbarungen liegen, die Verkehrsteilungen, ferner gewisse gemeinsame Bestimmungen über Tariferhöhungen und die Aufhebung bisher zugestandener Begünstigungen zum Gegenstande hatten. Infolge dieser Vereinbarungen, die zum erstenmal das bisher streng eingehaltene Prinzip des Wettbewerbs zwischen den einzelnen Bahnen durchbrachen, befürchtete das englische Publikum weitere Erschwernisse des Verkehrs. Dazu kam, daß nach, dem Eisenbahnerstreik und der Bewilligung höherer Frachtsätze durch das Parlament im Jahre 1911 das Problem der Beziehungen zwischen Staat und Eisenbahn überhaupt zur Diskussion gestellt wurde. Die Kommission bezweckt nun, ein befriedigenderes Verhältnis zwischen dem Eisenbahndienst und der nationalen Wohlfahrt herzustellen, als es bisher der Fall war. Das Programm erscheint ziemlich radikal; in den Direktiven, die dieser Kommission gegeben werden, befindet sich jedoch ein Passus, in der darauf hingewiesen wird, daß die Eisenbahnen große Verdienste um die Entwicklung der englischen Volkswirtschaft haben. Man müsse zu einem Abkommen gelangen, durch das der Nation gedient, gleichzeitig aber auch die richtige mittlere Linie zwischen der Berücksichtigung der Aktionäre der Bahnen, der Angestellten, der Produzenten, der Händler, der Konsumenten und der Eisenbahnreisenden gefunden werde.

Das Eisenbahnwesen Irlands zeigt einen auffallenden Gegensatz zu der Entwicklung in England und Schottland. Die Frage des Eisenbahnbaues wurde 1836 von der Regierung vor das Parlament gebracht und im selben Jahr eine königliche Kommission eingesetzt, die ein einheitliches Eisenbahnsystem für Irland in Erwägung ziehen sollte. Die Kommission empfahl, die beiden Hauptlinien (südliches Netz zwischen Dublin, Cork, Limerick, Waterford und nördliche Linie über Navan nach Armagh) möglichst in eine Hand zu bringen. Sie befürwortete den Staatsbau mit einer Spurweite von 6' (die jedoch später auf 5' 3'' geändert wurde) oder die Subventionierung von Gesellschaften.

Gleichwohl konzessionierte man Privatbahnen.

Man beklagt in Irland die Zersplitterung der Eisenbahnen in zu viele kleine, unabhängige Linien.

Die Allport-Kommission aus dem Jahre 1885 empfahl die Verschmelzung der irländischen Bahnen im Interesse der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit des Betriebs, vorausgesetzt, daß eine staatliche Kontrolle für dieses Monopol gefunden werden könnte, ferner die Ernennung einer irischen Eisenbahnkommission aus 4 kaufmännisch gebildeten Mitgliedern unter dem Vorsitze eines Mitglieds der Regierung. 1906 wurde wieder eine königliche Kommission zu dem Zwecke eingesetzt, um den Betrieb der Eisenbahnen in Irland einschließlich der Nebenbahnen (light railways) zu untersuchen und zu berichten, welche angemessenen Erleichterungen bei Beförderung von Personen und Gütern innerhalb der Insel und mit Großbritannien zu gewähren seien, und durch welche Mittel ein wirtschaftlicher und einheitlicher Betrieb den irischen Bahnen am besten gesichert werden könnte. Die Kommission erstattete erst im Jahre 1910 ihren Bericht.

Die Kommissionsmitglieder waren darüber einig, daß im öffentlichen Interesse eine Vereinigung der Eisenbahnen Platz greifen sollte. Ebenso einig war die Kommission, daß, falls Inlandssteuergelder zur Deckung eines Fehlbetrages in den Einnahmen aus dem vereinigten Netz herangezogen werden müßten, die Steuerträger auch eine Kontrolle über die Verwaltung und den Betrieb der Eisenbahnen erhalten sollten. Dagegen ergaben sich Meinungsverschiedenheiten über die Art, nach der die Verschmelzung durchzuführen wäre. Die Mehrheit der Kommission empfahl die Erwerbung und Verwaltung der Eisenbahnen durch eine irische Behörde (Eisenbahnamt), wobei der etwaige Fehlbetrag durch einen Staatszuschuß und durch eine Steuerauflage zu decken seien. Eine Minderheit sprach sich zwar auch für eine Zusammenlegung der Bahnen, wenn nötig zwangsweise aus, doch sollte dieses Netz von Privaten unter der Kontrolle einer öffentlichen Behörde verwaltet werden.

Die Verhältnisse der irischen Bahnen sind im allgemeinen ungünstig, weil in Irland eine einträgliche Industrie fehlt, die Landwirtschaft daniederliegt und die Bevölkerung infolge der Armut zur Auswanderung gezwungen ist. Den wichtigsten Verkehr bildet der Güteraustausch mit England.

Die Ergebnisse der englischen Eisenbahnpolitik sind im allgemeinen wenig befriedigend, und vermochte die Regierung gegenüber den übermächtigen Eisenbahngesellschaften, die überall und vor allem im Parlament ihren Einfluß geltend machen, mit ihrem Aufsichtsrecht nur wenig auszurichten.

Erst seit Ende der Achtzigerjahre läßt sich eine gewisse Hinneigung der öffentlichen Gewalten zu einer Regelung des Eisenbahnwesens nach dem Vorbild der kontinentalen Staaten bemerken. An Versuchen, der englischen Eisenbahnpolitik eine andere Richtung zu geben, hat es nicht gefehlt, und wiederholt ist auch der Gedanke des Übergangs zum Staatsbahnsystem aufgetaucht, das in den britischen Kolonien und Protektoratgebieten (Ostindien, Kanada, Süd- und Zentralafrika, Australien und Neuseeland) vorherrschend ist.

Eine große Vereinigung, die Railway Nationalisation League, sucht vor allem das Parlament für die Verstaatlichung zu gewinnen. In der neuesten Zeit wird der Ruf nach Verstaatlichung auch von der Arbeiterpartei erhoben, die ihren Anhängern verspricht, daß dann alle einschlägigen Verhältnisse durch das Gesetz und den Staatshaushalt werden geregelt werden. Auch die Einsetzung der Kommission zur Prüfung des

getroffenen Vereinbarungen liegen, die Verkehrsteilungen, ferner gewisse gemeinsame Bestimmungen über Tariferhöhungen und die Aufhebung bisher zugestandener Begünstigungen zum Gegenstande hatten. Infolge dieser Vereinbarungen, die zum erstenmal das bisher streng eingehaltene Prinzip des Wettbewerbs zwischen den einzelnen Bahnen durchbrachen, befürchtete das englische Publikum weitere Erschwernisse des Verkehrs. Dazu kam, daß nach, dem Eisenbahnerstreik und der Bewilligung höherer Frachtsätze durch das Parlament im Jahre 1911 das Problem der Beziehungen zwischen Staat und Eisenbahn überhaupt zur Diskussion gestellt wurde. Die Kommission bezweckt nun, ein befriedigenderes Verhältnis zwischen dem Eisenbahndienst und der nationalen Wohlfahrt herzustellen, als es bisher der Fall war. Das Programm erscheint ziemlich radikal; in den Direktiven, die dieser Kommission gegeben werden, befindet sich jedoch ein Passus, in der darauf hingewiesen wird, daß die Eisenbahnen große Verdienste um die Entwicklung der englischen Volkswirtschaft haben. Man müsse zu einem Abkommen gelangen, durch das der Nation gedient, gleichzeitig aber auch die richtige mittlere Linie zwischen der Berücksichtigung der Aktionäre der Bahnen, der Angestellten, der Produzenten, der Händler, der Konsumenten und der Eisenbahnreisenden gefunden werde.

Das Eisenbahnwesen Irlands zeigt einen auffallenden Gegensatz zu der Entwicklung in England und Schottland. Die Frage des Eisenbahnbaues wurde 1836 von der Regierung vor das Parlament gebracht und im selben Jahr eine königliche Kommission eingesetzt, die ein einheitliches Eisenbahnsystem für Irland in Erwägung ziehen sollte. Die Kommission empfahl, die beiden Hauptlinien (südliches Netz zwischen Dublin, Cork, Limerick, Waterford und nördliche Linie über Navan nach Armagh) möglichst in eine Hand zu bringen. Sie befürwortete den Staatsbau mit einer Spurweite von 6' (die jedoch später auf 5' 3'' geändert wurde) oder die Subventionierung von Gesellschaften.

Gleichwohl konzessionierte man Privatbahnen.

Man beklagt in Irland die Zersplitterung der Eisenbahnen in zu viele kleine, unabhängige Linien.

Die Allport-Kommission aus dem Jahre 1885 empfahl die Verschmelzung der irländischen Bahnen im Interesse der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit des Betriebs, vorausgesetzt, daß eine staatliche Kontrolle für dieses Monopol gefunden werden könnte, ferner die Ernennung einer irischen Eisenbahnkommission aus 4 kaufmännisch gebildeten Mitgliedern unter dem Vorsitze eines Mitglieds der Regierung. 1906 wurde wieder eine königliche Kommission zu dem Zwecke eingesetzt, um den Betrieb der Eisenbahnen in Irland einschließlich der Nebenbahnen (light railways) zu untersuchen und zu berichten, welche angemessenen Erleichterungen bei Beförderung von Personen und Gütern innerhalb der Insel und mit Großbritannien zu gewähren seien, und durch welche Mittel ein wirtschaftlicher und einheitlicher Betrieb den irischen Bahnen am besten gesichert werden könnte. Die Kommission erstattete erst im Jahre 1910 ihren Bericht.

Die Kommissionsmitglieder waren darüber einig, daß im öffentlichen Interesse eine Vereinigung der Eisenbahnen Platz greifen sollte. Ebenso einig war die Kommission, daß, falls Inlandssteuergelder zur Deckung eines Fehlbetrages in den Einnahmen aus dem vereinigten Netz herangezogen werden müßten, die Steuerträger auch eine Kontrolle über die Verwaltung und den Betrieb der Eisenbahnen erhalten sollten. Dagegen ergaben sich Meinungsverschiedenheiten über die Art, nach der die Verschmelzung durchzuführen wäre. Die Mehrheit der Kommission empfahl die Erwerbung und Verwaltung der Eisenbahnen durch eine irische Behörde (Eisenbahnamt), wobei der etwaige Fehlbetrag durch einen Staatszuschuß und durch eine Steuerauflage zu decken seien. Eine Minderheit sprach sich zwar auch für eine Zusammenlegung der Bahnen, wenn nötig zwangsweise aus, doch sollte dieses Netz von Privaten unter der Kontrolle einer öffentlichen Behörde verwaltet werden.

Die Verhältnisse der irischen Bahnen sind im allgemeinen ungünstig, weil in Irland eine einträgliche Industrie fehlt, die Landwirtschaft daniederliegt und die Bevölkerung infolge der Armut zur Auswanderung gezwungen ist. Den wichtigsten Verkehr bildet der Güteraustausch mit England.

Die Ergebnisse der englischen Eisenbahnpolitik sind im allgemeinen wenig befriedigend, und vermochte die Regierung gegenüber den übermächtigen Eisenbahngesellschaften, die überall und vor allem im Parlament ihren Einfluß geltend machen, mit ihrem Aufsichtsrecht nur wenig auszurichten.

Erst seit Ende der Achtzigerjahre läßt sich eine gewisse Hinneigung der öffentlichen Gewalten zu einer Regelung des Eisenbahnwesens nach dem Vorbild der kontinentalen Staaten bemerken. An Versuchen, der englischen Eisenbahnpolitik eine andere Richtung zu geben, hat es nicht gefehlt, und wiederholt ist auch der Gedanke des Übergangs zum Staatsbahnsystem aufgetaucht, das in den britischen Kolonien und Protektoratgebieten (Ostindien, Kanada, Süd- und Zentralafrika, Australien und Neuseeland) vorherrschend ist.

Eine große Vereinigung, die Railway Nationalisation League, sucht vor allem das Parlament für die Verstaatlichung zu gewinnen. In der neuesten Zeit wird der Ruf nach Verstaatlichung auch von der Arbeiterpartei erhoben, die ihren Anhängern verspricht, daß dann alle einschlägigen Verhältnisse durch das Gesetz und den Staatshaushalt werden geregelt werden. Auch die Einsetzung der Kommission zur Prüfung des

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[381/0392] getroffenen Vereinbarungen liegen, die Verkehrsteilungen, ferner gewisse gemeinsame Bestimmungen über Tariferhöhungen und die Aufhebung bisher zugestandener Begünstigungen zum Gegenstande hatten. Infolge dieser Vereinbarungen, die zum erstenmal das bisher streng eingehaltene Prinzip des Wettbewerbs zwischen den einzelnen Bahnen durchbrachen, befürchtete das englische Publikum weitere Erschwernisse des Verkehrs. Dazu kam, daß nach, dem Eisenbahnerstreik und der Bewilligung höherer Frachtsätze durch das Parlament im Jahre 1911 das Problem der Beziehungen zwischen Staat und Eisenbahn überhaupt zur Diskussion gestellt wurde. Die Kommission bezweckt nun, ein befriedigenderes Verhältnis zwischen dem Eisenbahndienst und der nationalen Wohlfahrt herzustellen, als es bisher der Fall war. Das Programm erscheint ziemlich radikal; in den Direktiven, die dieser Kommission gegeben werden, befindet sich jedoch ein Passus, in der darauf hingewiesen wird, daß die Eisenbahnen große Verdienste um die Entwicklung der englischen Volkswirtschaft haben. Man müsse zu einem Abkommen gelangen, durch das der Nation gedient, gleichzeitig aber auch die richtige mittlere Linie zwischen der Berücksichtigung der Aktionäre der Bahnen, der Angestellten, der Produzenten, der Händler, der Konsumenten und der Eisenbahnreisenden gefunden werde. Das Eisenbahnwesen Irlands zeigt einen auffallenden Gegensatz zu der Entwicklung in England und Schottland. Die Frage des Eisenbahnbaues wurde 1836 von der Regierung vor das Parlament gebracht und im selben Jahr eine königliche Kommission eingesetzt, die ein einheitliches Eisenbahnsystem für Irland in Erwägung ziehen sollte. Die Kommission empfahl, die beiden Hauptlinien (südliches Netz zwischen Dublin, Cork, Limerick, Waterford und nördliche Linie über Navan nach Armagh) möglichst in eine Hand zu bringen. Sie befürwortete den Staatsbau mit einer Spurweite von 6' (die jedoch später auf 5' 3'' geändert wurde) oder die Subventionierung von Gesellschaften. Gleichwohl konzessionierte man Privatbahnen. Man beklagt in Irland die Zersplitterung der Eisenbahnen in zu viele kleine, unabhängige Linien. Die Allport-Kommission aus dem Jahre 1885 empfahl die Verschmelzung der irländischen Bahnen im Interesse der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit des Betriebs, vorausgesetzt, daß eine staatliche Kontrolle für dieses Monopol gefunden werden könnte, ferner die Ernennung einer irischen Eisenbahnkommission aus 4 kaufmännisch gebildeten Mitgliedern unter dem Vorsitze eines Mitglieds der Regierung. 1906 wurde wieder eine königliche Kommission zu dem Zwecke eingesetzt, um den Betrieb der Eisenbahnen in Irland einschließlich der Nebenbahnen (light railways) zu untersuchen und zu berichten, welche angemessenen Erleichterungen bei Beförderung von Personen und Gütern innerhalb der Insel und mit Großbritannien zu gewähren seien, und durch welche Mittel ein wirtschaftlicher und einheitlicher Betrieb den irischen Bahnen am besten gesichert werden könnte. Die Kommission erstattete erst im Jahre 1910 ihren Bericht. Die Kommissionsmitglieder waren darüber einig, daß im öffentlichen Interesse eine Vereinigung der Eisenbahnen Platz greifen sollte. Ebenso einig war die Kommission, daß, falls Inlandssteuergelder zur Deckung eines Fehlbetrages in den Einnahmen aus dem vereinigten Netz herangezogen werden müßten, die Steuerträger auch eine Kontrolle über die Verwaltung und den Betrieb der Eisenbahnen erhalten sollten. Dagegen ergaben sich Meinungsverschiedenheiten über die Art, nach der die Verschmelzung durchzuführen wäre. Die Mehrheit der Kommission empfahl die Erwerbung und Verwaltung der Eisenbahnen durch eine irische Behörde (Eisenbahnamt), wobei der etwaige Fehlbetrag durch einen Staatszuschuß und durch eine Steuerauflage zu decken seien. Eine Minderheit sprach sich zwar auch für eine Zusammenlegung der Bahnen, wenn nötig zwangsweise aus, doch sollte dieses Netz von Privaten unter der Kontrolle einer öffentlichen Behörde verwaltet werden. Die Verhältnisse der irischen Bahnen sind im allgemeinen ungünstig, weil in Irland eine einträgliche Industrie fehlt, die Landwirtschaft daniederliegt und die Bevölkerung infolge der Armut zur Auswanderung gezwungen ist. Den wichtigsten Verkehr bildet der Güteraustausch mit England. Die Ergebnisse der englischen Eisenbahnpolitik sind im allgemeinen wenig befriedigend, und vermochte die Regierung gegenüber den übermächtigen Eisenbahngesellschaften, die überall und vor allem im Parlament ihren Einfluß geltend machen, mit ihrem Aufsichtsrecht nur wenig auszurichten. Erst seit Ende der Achtzigerjahre läßt sich eine gewisse Hinneigung der öffentlichen Gewalten zu einer Regelung des Eisenbahnwesens nach dem Vorbild der kontinentalen Staaten bemerken. An Versuchen, der englischen Eisenbahnpolitik eine andere Richtung zu geben, hat es nicht gefehlt, und wiederholt ist auch der Gedanke des Übergangs zum Staatsbahnsystem aufgetaucht, das in den britischen Kolonien und Protektoratgebieten (Ostindien, Kanada, Süd- und Zentralafrika, Australien und Neuseeland) vorherrschend ist. Eine große Vereinigung, die Railway Nationalisation League, sucht vor allem das Parlament für die Verstaatlichung zu gewinnen. In der neuesten Zeit wird der Ruf nach Verstaatlichung auch von der Arbeiterpartei erhoben, die ihren Anhängern verspricht, daß dann alle einschlägigen Verhältnisse durch das Gesetz und den Staatshaushalt werden geregelt werden. Auch die Einsetzung der Kommission zur Prüfung des

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 5. Berlin, Wien, 1914, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen05_1914/392>, abgerufen am 22.11.2024.