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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 5. Berlin, Wien, 1914.

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Ebenso kann der Reisende bei den deutschen, österreichischen, ungarischen und vielen anderen Bahnen verlangen, daß ihm das Gepäck, wenn Zeit und Umstände es erlauben und keine Zoll, Steuer- oder Polizeivorschriften entgegenstehen, gegen Vorzeigung der Fahrkarte und Rückgabe des Gepäckscheins auf der Aufgabestation zurückgegeben oder auf einer Zwischenstation ausgeliefert wird. Im letzteren Falle hat der Reisende den Gepäckschein dem Packmeister auszuhändigen, der ihn an Stelle des Gepäcks auf der Bestimmungsstation mitabzugeben hat. Eine Erstattung der Gepäckfracht für die nicht benutzte Teilstrecke kann nicht beansprucht werden.

Der Gepäckscheininhaber kann bei der Aushändigung die Verwiegung des Gepäcks verlangen. Ebenso kann er, wenn ihm das Gepäck nicht rechtzeitig ausgeliefert wird, verlangen, daß ihm auf dem Gepäckschein Tag und Stunde der Abforderung bescheinigt wird.

Auf größeren Stationen ist vielfach die Einrichtung getroffen, daß die Eisenbahn durch die Gepäckträger oder durch sonstige Unternehmer das angekommene Gepäck in die Stadt (auch abzufertigendes Gepäck zum Bahnhof) bringen läßt. Diese Transporte geschehen in der Regel unter ausschließlicher Verantwortlichkeit der Gepäckträger oder Unternehmer, die dafür nach einem von der Eisenbahn genehmigten Tarif Gebühren erheben.

Wird der Gepäckschein nicht beigebracht, so ist die Eisenbahn zur Auslieferung des Gepäcks nur verpflichtet, wenn die Empfangsberechtigung glaubhaft gemacht wird; auch kann Sicherheitsleistung verlangt werden.

Anträgen auf teilweise Rückgabe von Gepäck oder auf Erteilung der Erlaubnis, den Gepäckstücken einzelne Gegenstände entnehmen zu dürfen, wird in Deutschland entsprochen; auf Gepäckschein und Packmeisterkarte ist darüber Quittung zu leisten.

17. Behandlung von Gepäck, das nicht rechtzeitig bezogen wird, Lagergeld, Verkauf von unanbringlichem Gepäck. Wird das Gepäck nicht in der festgesetzten lagergeldfreien Zeit abgehoben, so geht der Frachtvertrag in einen Verwahrungsvertrag über. Nach Ablauf der lagergeldfreien Zeit ist die Eisenbahn berechtigt, für die Verwahrung das tarifmäßige Lagergeld (in Deutschland 20 Pf, bei den österreichischen Staatsbahnen 12 h für das Stück und je 24 Stunden) zu berechnen. Die lagergeldfreie Zeit beträgt in Deutschland und Österreich 24 Stunden nach Ankunft des Gepäcks.

Nahezu gleiche Bestimmungen gelten für die Eisenbahnen in Belgien, Italien und der Schweiz. In Belgien und Italien wird bei der Berechnung des Lagergeldes jeder Tag, während dessen die Aufbewahrung erfolgt, ohne Rücksicht auf die Stundenzahl des ersten und letzten Tages, voll gerechnet.

In Frankreich sind die Bestimmungen über die lagergeldfreie Zeit bei den einzelnen Eisenbahnverwaltungen verschieden; indessen ist diese meist sehr kurz bemessen (eine Stunde nach Ankunft des Zuges u. dgl.). Dagegen beträgt das Lagergeld für die ersten 3mal 24 Stunden nur je 5 Cts. für das Stück und steigt von da an täglich um 5 Cts. bis auf 20 Cts. täglich.

Ordnungsmäßig angekommenes Gepäck wird im Bereich des VDEV. als unanbringlich behandelt, wenn es 14 Tage nach Eingang nicht abgenommen ist. Es ist alsdann unter Beobachtung gewisser Formen zu öffnen und sein Inhalt festzustellen. Für die weitere Behandlung unanbringlichen Gepäcks gelten in Deutschland und in Österreich-Ungarn die gleichen Bestimmungen wie für unanbringliche Frachtgüter. Danach ist die Eisenbahn berechtigt, solches Gepäck, wenn sie es nicht auf Lager nehmen oder einem Spediteur auf Lager geben will, ohne Förmlichkeit bestmöglich, u. zw. Güter, die dem schnellen Verderben ausgesetzt sind, ohne Verzug, alle anderen Güter frühestens 4 Wochen nach Ablauf der lagergeldfreien Zeit zu verkaufen.

In Belgien und Italien besteht ebenfalls eine Verkaufsfrist von 6 Monaten für die schnellem Verderb nicht ausgesetzten Güter.

In Frankreich wird das Gepäck, wenn der Reisende es binnen 6 Monaten nicht abhebt, von Staatswegen verkauft. Der Eigentümer des Gepäcks hat das Recht, binnen 2 Jahren den Verkaufserlös zu beanspruchen. Nach Ablauf dieser Frist verfällt der Erlös nach Abzug der Lagerspesen u. s. w. dem Staat. Wenn das Gepäck der Gefahr des Verderbens ausgesetzt ist, kann die Bahn schon vor Ablauf der 6 Monate den Verkauf veranlassen.

In der Schweiz hört nach § 35 des Transportreglements, wenn das Gepäck nicht innerhalb 30 Tagen abgenommen ist, der Bezug des Lagergeldes auf. Die Bahn hat alsdann das Gepäck bei sich selbst oder bei einem Dritten auf Gefahr und Kosten des Berechtigten ein Jahr aufzubewahren oder aufbewahren zu lassen. Nach Ablauf des Jahres ist die Bahn berechtigt, das Gepäck amtlich zu gunsten des Berechtigten versteigern zu lassen. Sind die Gepäckstücke dem Verderben ausgesetzt oder deckt ihr mutmaßlicher Wert nicht die Lagerkosten, so können sie sofort amtlich oder außeramtlich verkauft werden. Das beim außeramtlichen Verkauf zu beobachtende Verfahren richtet sich nach den Bestimmungen über den Verkauf von Frachtgütern (§ 78 des Transportreglements).

In Rußland ist über Gepäck, das nicht innerhalb 24 Tagen nach Ankunft abgenommen wird, eine dreimalige Bekanntmachung in den Zeitungen zu erlassen. Wenn binnen 4 Monaten nach der letzten Bekanntmachung die Abnahme nicht erfolgt, wird das Gepäck öffentlich verkauft. Der Verkaufserlös wird nach Abzug der Unkosten und Bahngebühren zinsbar angelegt und verfällt, falls der Berechtigte ihn binnen Jahresfrist seit der letzten Bekanntmachung nicht erhebt, zu gunsten der Pensions- und Unterstützungskasse der betreffenden Eisenbahn.


Ebenso kann der Reisende bei den deutschen, österreichischen, ungarischen und vielen anderen Bahnen verlangen, daß ihm das Gepäck, wenn Zeit und Umstände es erlauben und keine Zoll, Steuer- oder Polizeivorschriften entgegenstehen, gegen Vorzeigung der Fahrkarte und Rückgabe des Gepäckscheins auf der Aufgabestation zurückgegeben oder auf einer Zwischenstation ausgeliefert wird. Im letzteren Falle hat der Reisende den Gepäckschein dem Packmeister auszuhändigen, der ihn an Stelle des Gepäcks auf der Bestimmungsstation mitabzugeben hat. Eine Erstattung der Gepäckfracht für die nicht benutzte Teilstrecke kann nicht beansprucht werden.

Der Gepäckscheininhaber kann bei der Aushändigung die Verwiegung des Gepäcks verlangen. Ebenso kann er, wenn ihm das Gepäck nicht rechtzeitig ausgeliefert wird, verlangen, daß ihm auf dem Gepäckschein Tag und Stunde der Abforderung bescheinigt wird.

Auf größeren Stationen ist vielfach die Einrichtung getroffen, daß die Eisenbahn durch die Gepäckträger oder durch sonstige Unternehmer das angekommene Gepäck in die Stadt (auch abzufertigendes Gepäck zum Bahnhof) bringen läßt. Diese Transporte geschehen in der Regel unter ausschließlicher Verantwortlichkeit der Gepäckträger oder Unternehmer, die dafür nach einem von der Eisenbahn genehmigten Tarif Gebühren erheben.

Wird der Gepäckschein nicht beigebracht, so ist die Eisenbahn zur Auslieferung des Gepäcks nur verpflichtet, wenn die Empfangsberechtigung glaubhaft gemacht wird; auch kann Sicherheitsleistung verlangt werden.

Anträgen auf teilweise Rückgabe von Gepäck oder auf Erteilung der Erlaubnis, den Gepäckstücken einzelne Gegenstände entnehmen zu dürfen, wird in Deutschland entsprochen; auf Gepäckschein und Packmeisterkarte ist darüber Quittung zu leisten.

17. Behandlung von Gepäck, das nicht rechtzeitig bezogen wird, Lagergeld, Verkauf von unanbringlichem Gepäck. Wird das Gepäck nicht in der festgesetzten lagergeldfreien Zeit abgehoben, so geht der Frachtvertrag in einen Verwahrungsvertrag über. Nach Ablauf der lagergeldfreien Zeit ist die Eisenbahn berechtigt, für die Verwahrung das tarifmäßige Lagergeld (in Deutschland 20 Pf, bei den österreichischen Staatsbahnen 12 h für das Stück und je 24 Stunden) zu berechnen. Die lagergeldfreie Zeit beträgt in Deutschland und Österreich 24 Stunden nach Ankunft des Gepäcks.

Nahezu gleiche Bestimmungen gelten für die Eisenbahnen in Belgien, Italien und der Schweiz. In Belgien und Italien wird bei der Berechnung des Lagergeldes jeder Tag, während dessen die Aufbewahrung erfolgt, ohne Rücksicht auf die Stundenzahl des ersten und letzten Tages, voll gerechnet.

In Frankreich sind die Bestimmungen über die lagergeldfreie Zeit bei den einzelnen Eisenbahnverwaltungen verschieden; indessen ist diese meist sehr kurz bemessen (eine Stunde nach Ankunft des Zuges u. dgl.). Dagegen beträgt das Lagergeld für die ersten 3mal 24 Stunden nur je 5 Cts. für das Stück und steigt von da an täglich um 5 Cts. bis auf 20 Cts. täglich.

Ordnungsmäßig angekommenes Gepäck wird im Bereich des VDEV. als unanbringlich behandelt, wenn es 14 Tage nach Eingang nicht abgenommen ist. Es ist alsdann unter Beobachtung gewisser Formen zu öffnen und sein Inhalt festzustellen. Für die weitere Behandlung unanbringlichen Gepäcks gelten in Deutschland und in Österreich-Ungarn die gleichen Bestimmungen wie für unanbringliche Frachtgüter. Danach ist die Eisenbahn berechtigt, solches Gepäck, wenn sie es nicht auf Lager nehmen oder einem Spediteur auf Lager geben will, ohne Förmlichkeit bestmöglich, u. zw. Güter, die dem schnellen Verderben ausgesetzt sind, ohne Verzug, alle anderen Güter frühestens 4 Wochen nach Ablauf der lagergeldfreien Zeit zu verkaufen.

In Belgien und Italien besteht ebenfalls eine Verkaufsfrist von 6 Monaten für die schnellem Verderb nicht ausgesetzten Güter.

In Frankreich wird das Gepäck, wenn der Reisende es binnen 6 Monaten nicht abhebt, von Staatswegen verkauft. Der Eigentümer des Gepäcks hat das Recht, binnen 2 Jahren den Verkaufserlös zu beanspruchen. Nach Ablauf dieser Frist verfällt der Erlös nach Abzug der Lagerspesen u. s. w. dem Staat. Wenn das Gepäck der Gefahr des Verderbens ausgesetzt ist, kann die Bahn schon vor Ablauf der 6 Monate den Verkauf veranlassen.

In der Schweiz hört nach § 35 des Transportreglements, wenn das Gepäck nicht innerhalb 30 Tagen abgenommen ist, der Bezug des Lagergeldes auf. Die Bahn hat alsdann das Gepäck bei sich selbst oder bei einem Dritten auf Gefahr und Kosten des Berechtigten ein Jahr aufzubewahren oder aufbewahren zu lassen. Nach Ablauf des Jahres ist die Bahn berechtigt, das Gepäck amtlich zu gunsten des Berechtigten versteigern zu lassen. Sind die Gepäckstücke dem Verderben ausgesetzt oder deckt ihr mutmaßlicher Wert nicht die Lagerkosten, so können sie sofort amtlich oder außeramtlich verkauft werden. Das beim außeramtlichen Verkauf zu beobachtende Verfahren richtet sich nach den Bestimmungen über den Verkauf von Frachtgütern (§ 78 des Transportreglements).

In Rußland ist über Gepäck, das nicht innerhalb 24 Tagen nach Ankunft abgenommen wird, eine dreimalige Bekanntmachung in den Zeitungen zu erlassen. Wenn binnen 4 Monaten nach der letzten Bekanntmachung die Abnahme nicht erfolgt, wird das Gepäck öffentlich verkauft. Der Verkaufserlös wird nach Abzug der Unkosten und Bahngebühren zinsbar angelegt und verfällt, falls der Berechtigte ihn binnen Jahresfrist seit der letzten Bekanntmachung nicht erhebt, zu gunsten der Pensions- und Unterstützungskasse der betreffenden Eisenbahn.


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[285/0294] Ebenso kann der Reisende bei den deutschen, österreichischen, ungarischen und vielen anderen Bahnen verlangen, daß ihm das Gepäck, wenn Zeit und Umstände es erlauben und keine Zoll, Steuer- oder Polizeivorschriften entgegenstehen, gegen Vorzeigung der Fahrkarte und Rückgabe des Gepäckscheins auf der Aufgabestation zurückgegeben oder auf einer Zwischenstation ausgeliefert wird. Im letzteren Falle hat der Reisende den Gepäckschein dem Packmeister auszuhändigen, der ihn an Stelle des Gepäcks auf der Bestimmungsstation mitabzugeben hat. Eine Erstattung der Gepäckfracht für die nicht benutzte Teilstrecke kann nicht beansprucht werden. Der Gepäckscheininhaber kann bei der Aushändigung die Verwiegung des Gepäcks verlangen. Ebenso kann er, wenn ihm das Gepäck nicht rechtzeitig ausgeliefert wird, verlangen, daß ihm auf dem Gepäckschein Tag und Stunde der Abforderung bescheinigt wird. Auf größeren Stationen ist vielfach die Einrichtung getroffen, daß die Eisenbahn durch die Gepäckträger oder durch sonstige Unternehmer das angekommene Gepäck in die Stadt (auch abzufertigendes Gepäck zum Bahnhof) bringen läßt. Diese Transporte geschehen in der Regel unter ausschließlicher Verantwortlichkeit der Gepäckträger oder Unternehmer, die dafür nach einem von der Eisenbahn genehmigten Tarif Gebühren erheben. Wird der Gepäckschein nicht beigebracht, so ist die Eisenbahn zur Auslieferung des Gepäcks nur verpflichtet, wenn die Empfangsberechtigung glaubhaft gemacht wird; auch kann Sicherheitsleistung verlangt werden. Anträgen auf teilweise Rückgabe von Gepäck oder auf Erteilung der Erlaubnis, den Gepäckstücken einzelne Gegenstände entnehmen zu dürfen, wird in Deutschland entsprochen; auf Gepäckschein und Packmeisterkarte ist darüber Quittung zu leisten. 17. Behandlung von Gepäck, das nicht rechtzeitig bezogen wird, Lagergeld, Verkauf von unanbringlichem Gepäck. Wird das Gepäck nicht in der festgesetzten lagergeldfreien Zeit abgehoben, so geht der Frachtvertrag in einen Verwahrungsvertrag über. Nach Ablauf der lagergeldfreien Zeit ist die Eisenbahn berechtigt, für die Verwahrung das tarifmäßige Lagergeld (in Deutschland 20 Pf, bei den österreichischen Staatsbahnen 12 h für das Stück und je 24 Stunden) zu berechnen. Die lagergeldfreie Zeit beträgt in Deutschland und Österreich 24 Stunden nach Ankunft des Gepäcks. Nahezu gleiche Bestimmungen gelten für die Eisenbahnen in Belgien, Italien und der Schweiz. In Belgien und Italien wird bei der Berechnung des Lagergeldes jeder Tag, während dessen die Aufbewahrung erfolgt, ohne Rücksicht auf die Stundenzahl des ersten und letzten Tages, voll gerechnet. In Frankreich sind die Bestimmungen über die lagergeldfreie Zeit bei den einzelnen Eisenbahnverwaltungen verschieden; indessen ist diese meist sehr kurz bemessen (eine Stunde nach Ankunft des Zuges u. dgl.). Dagegen beträgt das Lagergeld für die ersten 3mal 24 Stunden nur je 5 Cts. für das Stück und steigt von da an täglich um 5 Cts. bis auf 20 Cts. täglich. Ordnungsmäßig angekommenes Gepäck wird im Bereich des VDEV. als unanbringlich behandelt, wenn es 14 Tage nach Eingang nicht abgenommen ist. Es ist alsdann unter Beobachtung gewisser Formen zu öffnen und sein Inhalt festzustellen. Für die weitere Behandlung unanbringlichen Gepäcks gelten in Deutschland und in Österreich-Ungarn die gleichen Bestimmungen wie für unanbringliche Frachtgüter. Danach ist die Eisenbahn berechtigt, solches Gepäck, wenn sie es nicht auf Lager nehmen oder einem Spediteur auf Lager geben will, ohne Förmlichkeit bestmöglich, u. zw. Güter, die dem schnellen Verderben ausgesetzt sind, ohne Verzug, alle anderen Güter frühestens 4 Wochen nach Ablauf der lagergeldfreien Zeit zu verkaufen. In Belgien und Italien besteht ebenfalls eine Verkaufsfrist von 6 Monaten für die schnellem Verderb nicht ausgesetzten Güter. In Frankreich wird das Gepäck, wenn der Reisende es binnen 6 Monaten nicht abhebt, von Staatswegen verkauft. Der Eigentümer des Gepäcks hat das Recht, binnen 2 Jahren den Verkaufserlös zu beanspruchen. Nach Ablauf dieser Frist verfällt der Erlös nach Abzug der Lagerspesen u. s. w. dem Staat. Wenn das Gepäck der Gefahr des Verderbens ausgesetzt ist, kann die Bahn schon vor Ablauf der 6 Monate den Verkauf veranlassen. In der Schweiz hört nach § 35 des Transportreglements, wenn das Gepäck nicht innerhalb 30 Tagen abgenommen ist, der Bezug des Lagergeldes auf. Die Bahn hat alsdann das Gepäck bei sich selbst oder bei einem Dritten auf Gefahr und Kosten des Berechtigten ein Jahr aufzubewahren oder aufbewahren zu lassen. Nach Ablauf des Jahres ist die Bahn berechtigt, das Gepäck amtlich zu gunsten des Berechtigten versteigern zu lassen. Sind die Gepäckstücke dem Verderben ausgesetzt oder deckt ihr mutmaßlicher Wert nicht die Lagerkosten, so können sie sofort amtlich oder außeramtlich verkauft werden. Das beim außeramtlichen Verkauf zu beobachtende Verfahren richtet sich nach den Bestimmungen über den Verkauf von Frachtgütern (§ 78 des Transportreglements). In Rußland ist über Gepäck, das nicht innerhalb 24 Tagen nach Ankunft abgenommen wird, eine dreimalige Bekanntmachung in den Zeitungen zu erlassen. Wenn binnen 4 Monaten nach der letzten Bekanntmachung die Abnahme nicht erfolgt, wird das Gepäck öffentlich verkauft. Der Verkaufserlös wird nach Abzug der Unkosten und Bahngebühren zinsbar angelegt und verfällt, falls der Berechtigte ihn binnen Jahresfrist seit der letzten Bekanntmachung nicht erhebt, zu gunsten der Pensions- und Unterstützungskasse der betreffenden Eisenbahn.

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Die Abbildungen im Text stammen von zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG.




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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 5. Berlin, Wien, 1914, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen05_1914/294>, abgerufen am 22.07.2024.