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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 5. Berlin, Wien, 1914.

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Stetigkeit in der Bildung der Tarife und schließlich eine Erhöhung der Überschüsse. Auch für das verkehrtreibende Publikum sind die mit der F. verbundenen Vereinfachungen und Erleichterungen im Betriebe und Verkehr, die Beseitigung von Mittelspersonen beim Übergang von einer Bahn zur anderen, vorteilhaft. Bedenklicher sind die mit der Beseitigung des Wettbewerbs nicht selten verbundenen Erhöhungen der Tarife und die Kräftigung der Monopolstellung der Eisenbahnen. Solche und ähnliche Bedenken haben dazu geführt, daß in vielen Ländern zur F. von Eisenbahnen die Genehmigung der Aufsichtsbehörde nach den Gesetzen (z. B. in mehreren Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika) oder nach den Konzessionen der Privatbannen (in Preußen z. B. in den Normalkonzessionen für Nebenbahnen) erforderlich ist.

Die F. vollziehen sich in den verschiedensten Formen. Die einfachste ist die, daß die eine Eisenbahn die andere erwirbt, und aus den zwei oder mehr Eisenbahnen eine einheitlich verwaltete und betriebene wird. Ein ähnlicher Vorgang ist der Erwerb von Privatbahnen durch den Staat, sei es, daß dieser schon eigene Bahnen besitzt oder nicht. Eine solche Maßnahme pflegt man aber als F. insbesondere dann nicht zu bezeichnen, wenn der Erwerb von Privatbahnen gleichzeitig den Übergang zum Staatsbahnsystem bedeutet (vgl. den Art. Eisenbahnpolitik). In den Ländern des Staatsbahnsystems kommt die F. nur noch vereinzelt vor.

Dagegen spielen die F. in den Ländern des Privatbahnsystems eine große Rolle.

In England haben sich die meisten Untersuchungsausschüsse seit dem Jahre 1844 mit der Frage der F. beschäftigt. Die grundlegenden Bestimmungen hierüber sind in den Consolidation Acts von 1845 enthalten, wonach Verschmelzungen im allgemeinen mit Genehmigung des Parlaments unter gewissen Bedingungen gestattet sein sollen. Die Stimmung des Parlaments gegenüber Fusionsverträgen schwankte, in der Regel wurden sie genehmigt, wenn auch nur mit Einschränkungen. Die Folge davon war die immer fortschreitende Aufsaugung der kleinen durch die großen Gesellschaften und die Bildung von wenigen großen Gesellschaften, die sich in den Verkehr teilen (vgl. Großbritanniens und Irlands Eisenbahnen). Ein im Jahre 1909 von den drei großen Gesellschaften: Great Northern, Great Central und Great Eastern abgeschlossener Vertrag über eine weitgehende Betriebsgemeinschaft wurde dem Parlament vorgelegt und fand in diesem eine so abfällige Beurteilung, daß er von den Gesellschaften zurückgezogen wurde. Darauf wurde von dem Handelsamt unter dem 17. Juni und 19. August 1909 ein besonderer Ausschuß zur eingehenden Untersuchung der Frage der Eisenbahnfusionen (Railway agreements and amalgamations) eingesetzt. Nach Vernehmung einer Reihe von Zeugen und Sachverständigen hat der Ausschuß am 11. August 1911 einen, dem Parlamente vorgelegten Bericht erstattet. Hiernach ist zurzeit die Rechtslage folgende. Man hat zu unterscheiden 6 verschiedene Arten von Vereinbarungen:

1. Fusionen (Amalgamations), d. h. die vollständige Zusammenlegung von zwei oder mehreren Bahnen zu einem Eisenbahnnetz.

2. Betriebsgemeinschaften (Working unions), die den Verkehrsinteressenten gegenüber dieselbe Bedeutung haben, wie die F., bei denen aber die beteiligten Gesellschaften eine größere Selbständigkeit behalten.

3. Verpachtung (Lease), deren Bedeutung auch nach außen hin dieselbe ist, wie zu 1. und 2. Sie wird aber meist nur auf bestimmte Zeit abgeschlossen und ist häufig die Vorbereitung für die F.

Diese drei Vereinbarungen bedürfen der Genehmigung durch das Parlament.

4. Betriebsvereinbarungen (Working agreements). Diese werden meist in den Konzessionen einzelner Bahnen vorgesehen und die Bedingungen für ihren Abschluß sind teils in der Railway Consolidation Act von 1845, teils in der Railway Clauses Act von 1863 enthalten. Der Inhalt betrifft den gemeinsamen Betrieb gewisser Strecken, den Übergang der Betriebsmittel und unter Umständen Teilung der Verkehrseinnahmen.

5. Vereinbarung über die Zusammenlegung und die Verteilung der Einnahmen für einzelne Strecken zur Beseitigung der Konkurrenz. Diese entsprechen im wesentlichen unseren Instradierungsvereinbarungen.

6. Vereinbarungen über gleichmäßige Tarife, Gebührensätze und Betrieb (wohl im wesentlichen unseren Verbandstarifen gleichartig).

Die Vereinbarungen 4 bis 6 können von den Eisenbahnen nach ihrem Ermessen abgeschlossen werden, ohne daß die Genehmigung der Aufsichtsbehörde oder des Parlamentes erforderlich ist.

Der Bericht vom 11. August steht dem Abschluß solcher Gemeinschaftsverträge freundlich gegenüber. Er meint, daß der Wettbewerb der Eisenbahnen untereinander und mit anderen Verkehrsmitteln heutzutage praktisch kaum noch Bedeutung habe, daß die Vorteile der Vereinbarungen jedenfalls die vermeintlichen Nachteile bei weitem überwiegen. Es wird also eine

Stetigkeit in der Bildung der Tarife und schließlich eine Erhöhung der Überschüsse. Auch für das verkehrtreibende Publikum sind die mit der F. verbundenen Vereinfachungen und Erleichterungen im Betriebe und Verkehr, die Beseitigung von Mittelspersonen beim Übergang von einer Bahn zur anderen, vorteilhaft. Bedenklicher sind die mit der Beseitigung des Wettbewerbs nicht selten verbundenen Erhöhungen der Tarife und die Kräftigung der Monopolstellung der Eisenbahnen. Solche und ähnliche Bedenken haben dazu geführt, daß in vielen Ländern zur F. von Eisenbahnen die Genehmigung der Aufsichtsbehörde nach den Gesetzen (z. B. in mehreren Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika) oder nach den Konzessionen der Privatbannen (in Preußen z. B. in den Normalkonzessionen für Nebenbahnen) erforderlich ist.

Die F. vollziehen sich in den verschiedensten Formen. Die einfachste ist die, daß die eine Eisenbahn die andere erwirbt, und aus den zwei oder mehr Eisenbahnen eine einheitlich verwaltete und betriebene wird. Ein ähnlicher Vorgang ist der Erwerb von Privatbahnen durch den Staat, sei es, daß dieser schon eigene Bahnen besitzt oder nicht. Eine solche Maßnahme pflegt man aber als F. insbesondere dann nicht zu bezeichnen, wenn der Erwerb von Privatbahnen gleichzeitig den Übergang zum Staatsbahnsystem bedeutet (vgl. den Art. Eisenbahnpolitik). In den Ländern des Staatsbahnsystems kommt die F. nur noch vereinzelt vor.

Dagegen spielen die F. in den Ländern des Privatbahnsystems eine große Rolle.

In England haben sich die meisten Untersuchungsausschüsse seit dem Jahre 1844 mit der Frage der F. beschäftigt. Die grundlegenden Bestimmungen hierüber sind in den Consolidation Acts von 1845 enthalten, wonach Verschmelzungen im allgemeinen mit Genehmigung des Parlaments unter gewissen Bedingungen gestattet sein sollen. Die Stimmung des Parlaments gegenüber Fusionsverträgen schwankte, in der Regel wurden sie genehmigt, wenn auch nur mit Einschränkungen. Die Folge davon war die immer fortschreitende Aufsaugung der kleinen durch die großen Gesellschaften und die Bildung von wenigen großen Gesellschaften, die sich in den Verkehr teilen (vgl. Großbritanniens und Irlands Eisenbahnen). Ein im Jahre 1909 von den drei großen Gesellschaften: Great Northern, Great Central und Great Eastern abgeschlossener Vertrag über eine weitgehende Betriebsgemeinschaft wurde dem Parlament vorgelegt und fand in diesem eine so abfällige Beurteilung, daß er von den Gesellschaften zurückgezogen wurde. Darauf wurde von dem Handelsamt unter dem 17. Juni und 19. August 1909 ein besonderer Ausschuß zur eingehenden Untersuchung der Frage der Eisenbahnfusionen (Railway agreements and amalgamations) eingesetzt. Nach Vernehmung einer Reihe von Zeugen und Sachverständigen hat der Ausschuß am 11. August 1911 einen, dem Parlamente vorgelegten Bericht erstattet. Hiernach ist zurzeit die Rechtslage folgende. Man hat zu unterscheiden 6 verschiedene Arten von Vereinbarungen:

1. Fusionen (Amalgamations), d. h. die vollständige Zusammenlegung von zwei oder mehreren Bahnen zu einem Eisenbahnnetz.

2. Betriebsgemeinschaften (Working unions), die den Verkehrsinteressenten gegenüber dieselbe Bedeutung haben, wie die F., bei denen aber die beteiligten Gesellschaften eine größere Selbständigkeit behalten.

3. Verpachtung (Lease), deren Bedeutung auch nach außen hin dieselbe ist, wie zu 1. und 2. Sie wird aber meist nur auf bestimmte Zeit abgeschlossen und ist häufig die Vorbereitung für die F.

Diese drei Vereinbarungen bedürfen der Genehmigung durch das Parlament.

4. Betriebsvereinbarungen (Working agreements). Diese werden meist in den Konzessionen einzelner Bahnen vorgesehen und die Bedingungen für ihren Abschluß sind teils in der Railway Consolidation Act von 1845, teils in der Railway Clauses Act von 1863 enthalten. Der Inhalt betrifft den gemeinsamen Betrieb gewisser Strecken, den Übergang der Betriebsmittel und unter Umständen Teilung der Verkehrseinnahmen.

5. Vereinbarung über die Zusammenlegung und die Verteilung der Einnahmen für einzelne Strecken zur Beseitigung der Konkurrenz. Diese entsprechen im wesentlichen unseren Instradierungsvereinbarungen.

6. Vereinbarungen über gleichmäßige Tarife, Gebührensätze und Betrieb (wohl im wesentlichen unseren Verbandstarifen gleichartig).

Die Vereinbarungen 4 bis 6 können von den Eisenbahnen nach ihrem Ermessen abgeschlossen werden, ohne daß die Genehmigung der Aufsichtsbehörde oder des Parlamentes erforderlich ist.

Der Bericht vom 11. August steht dem Abschluß solcher Gemeinschaftsverträge freundlich gegenüber. Er meint, daß der Wettbewerb der Eisenbahnen untereinander und mit anderen Verkehrsmitteln heutzutage praktisch kaum noch Bedeutung habe, daß die Vorteile der Vereinbarungen jedenfalls die vermeintlichen Nachteile bei weitem überwiegen. Es wird also eine

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[250/0259] Stetigkeit in der Bildung der Tarife und schließlich eine Erhöhung der Überschüsse. Auch für das verkehrtreibende Publikum sind die mit der F. verbundenen Vereinfachungen und Erleichterungen im Betriebe und Verkehr, die Beseitigung von Mittelspersonen beim Übergang von einer Bahn zur anderen, vorteilhaft. Bedenklicher sind die mit der Beseitigung des Wettbewerbs nicht selten verbundenen Erhöhungen der Tarife und die Kräftigung der Monopolstellung der Eisenbahnen. Solche und ähnliche Bedenken haben dazu geführt, daß in vielen Ländern zur F. von Eisenbahnen die Genehmigung der Aufsichtsbehörde nach den Gesetzen (z. B. in mehreren Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika) oder nach den Konzessionen der Privatbannen (in Preußen z. B. in den Normalkonzessionen für Nebenbahnen) erforderlich ist. Die F. vollziehen sich in den verschiedensten Formen. Die einfachste ist die, daß die eine Eisenbahn die andere erwirbt, und aus den zwei oder mehr Eisenbahnen eine einheitlich verwaltete und betriebene wird. Ein ähnlicher Vorgang ist der Erwerb von Privatbahnen durch den Staat, sei es, daß dieser schon eigene Bahnen besitzt oder nicht. Eine solche Maßnahme pflegt man aber als F. insbesondere dann nicht zu bezeichnen, wenn der Erwerb von Privatbahnen gleichzeitig den Übergang zum Staatsbahnsystem bedeutet (vgl. den Art. Eisenbahnpolitik). In den Ländern des Staatsbahnsystems kommt die F. nur noch vereinzelt vor. Dagegen spielen die F. in den Ländern des Privatbahnsystems eine große Rolle. In England haben sich die meisten Untersuchungsausschüsse seit dem Jahre 1844 mit der Frage der F. beschäftigt. Die grundlegenden Bestimmungen hierüber sind in den Consolidation Acts von 1845 enthalten, wonach Verschmelzungen im allgemeinen mit Genehmigung des Parlaments unter gewissen Bedingungen gestattet sein sollen. Die Stimmung des Parlaments gegenüber Fusionsverträgen schwankte, in der Regel wurden sie genehmigt, wenn auch nur mit Einschränkungen. Die Folge davon war die immer fortschreitende Aufsaugung der kleinen durch die großen Gesellschaften und die Bildung von wenigen großen Gesellschaften, die sich in den Verkehr teilen (vgl. Großbritanniens und Irlands Eisenbahnen). Ein im Jahre 1909 von den drei großen Gesellschaften: Great Northern, Great Central und Great Eastern abgeschlossener Vertrag über eine weitgehende Betriebsgemeinschaft wurde dem Parlament vorgelegt und fand in diesem eine so abfällige Beurteilung, daß er von den Gesellschaften zurückgezogen wurde. Darauf wurde von dem Handelsamt unter dem 17. Juni und 19. August 1909 ein besonderer Ausschuß zur eingehenden Untersuchung der Frage der Eisenbahnfusionen (Railway agreements and amalgamations) eingesetzt. Nach Vernehmung einer Reihe von Zeugen und Sachverständigen hat der Ausschuß am 11. August 1911 einen, dem Parlamente vorgelegten Bericht erstattet. Hiernach ist zurzeit die Rechtslage folgende. Man hat zu unterscheiden 6 verschiedene Arten von Vereinbarungen: 1. Fusionen (Amalgamations), d. h. die vollständige Zusammenlegung von zwei oder mehreren Bahnen zu einem Eisenbahnnetz. 2. Betriebsgemeinschaften (Working unions), die den Verkehrsinteressenten gegenüber dieselbe Bedeutung haben, wie die F., bei denen aber die beteiligten Gesellschaften eine größere Selbständigkeit behalten. 3. Verpachtung (Lease), deren Bedeutung auch nach außen hin dieselbe ist, wie zu 1. und 2. Sie wird aber meist nur auf bestimmte Zeit abgeschlossen und ist häufig die Vorbereitung für die F. Diese drei Vereinbarungen bedürfen der Genehmigung durch das Parlament. 4. Betriebsvereinbarungen (Working agreements). Diese werden meist in den Konzessionen einzelner Bahnen vorgesehen und die Bedingungen für ihren Abschluß sind teils in der Railway Consolidation Act von 1845, teils in der Railway Clauses Act von 1863 enthalten. Der Inhalt betrifft den gemeinsamen Betrieb gewisser Strecken, den Übergang der Betriebsmittel und unter Umständen Teilung der Verkehrseinnahmen. 5. Vereinbarung über die Zusammenlegung und die Verteilung der Einnahmen für einzelne Strecken zur Beseitigung der Konkurrenz. Diese entsprechen im wesentlichen unseren Instradierungsvereinbarungen. 6. Vereinbarungen über gleichmäßige Tarife, Gebührensätze und Betrieb (wohl im wesentlichen unseren Verbandstarifen gleichartig). Die Vereinbarungen 4 bis 6 können von den Eisenbahnen nach ihrem Ermessen abgeschlossen werden, ohne daß die Genehmigung der Aufsichtsbehörde oder des Parlamentes erforderlich ist. Der Bericht vom 11. August steht dem Abschluß solcher Gemeinschaftsverträge freundlich gegenüber. Er meint, daß der Wettbewerb der Eisenbahnen untereinander und mit anderen Verkehrsmitteln heutzutage praktisch kaum noch Bedeutung habe, daß die Vorteile der Vereinbarungen jedenfalls die vermeintlichen Nachteile bei weitem überwiegen. Es wird also eine

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 5. Berlin, Wien, 1914, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen05_1914/259>, abgerufen am 22.07.2024.