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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 4. Berlin, Wien, 1913.

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Der Bau der Schienenwege, die an Steigungsgrenzen gebunden sind und in ihren Neigungen auch auf größere Strecken eine gewisse Gleichförmigkeit aufweisen müssen, erfordert tiefe Einschnitte und hohe Dämme, die Durchschneidung von Gebirgsrücken und Tälern, sowie die Überbrückung von Wasserläufen. Die Lösung dieser Aufgaben führt zu großartigen Erdarbeiten, zum Bau von Tunneln, Viadukten, Galerien und Brücken. Dazu kommt die Eigenart in der Anlage des Oberbaues und der Hochbauten. Auf solche Art entwickelte sich der Eisenbahnbau zu einem besonderen Zweige der Bauwissenschaft, wie auch der Bau der Lokomotiven zu einem besonderen Zweige des Maschinenbaues. Hierzu tritt der Bau der Wagen für den Eisenbahnbetrieb, sowie der zahlreichen maschinellen Einrichtungen für Bau- und Betriebszwecke, endlich die Herstellung verschiedener Werkzeuge und Geräte für Eisenbahnzwecke u. s. w.

Im Zusammenhang mit diesen besonderen Zweigen der Eisenbahntechnik sind auch die allgemeinen Ingenieurwissenschaften, vor allem die Meßkunst und Mechanik (Statik und Dynamik) auf eine Höhe gebracht worden, zu deren Erreichung sonst vielleicht Jahrhunderte erforderlich gewesen wären. Die Hüttenkunde ist in ein ganz neues Stadium getreten, und das Eisen zur allgemeinsten Anwendung bei dem Bau von Gebäuden, Brücken, Maschinen und Wagen gekommen.

Die Einflüsse der E. auf Physik, Chemie, Geologie, Geographie, Meteorologie und zahlreiche andere Wissenszweige sind ebenfalls von hoher Wichtigkeit.

IV. Militärische Bedeutung der E.

Die wesentlichsten Vorteile, die sich in der modernen Kriegführung durch die Entwicklung des Eisenbahnwesens herausgestellt haben, bestehen in der Möglichkeit rascher Beförderung von großen Truppenmassen, in der schnellen Beförderung von Nachrichten, Meldungen und Befehlen in Verbindung mit dem Telegraphen, in der Beschleunigung des Marsches nach dem Kriegsschauplatz, in der leichten und raschen Zusammenziehung entfernt und vereinzelt stehender Truppenteile, in der schnellen Verstärkung einzelner schwach besetzter Punkte des Kriegsschauplatzes, in der raschen Verstärkung bedrohter und der Entsetzung belagerter Festungen, in der beschleunigten Zufuhr von Munition und Verpflegungsmitteln jeder Art, in der leichten Entfernung von Kranken, Verwundeten, Gefangenen, Kriegsbeute u. s. w.

Um die der Kriegführung durch die E. gebotenen Vorteile zu beleuchten, sei angeführt, daß ein Bataillon in Kriegsstärke, das 7 Marschstunden braucht, um 28 km zurückzulegen, in der gleichen Zeit auf E. rund 250 km weit befördert werden kann, daß ferner für den Nachschub der eintägigen Verpflegung für 90.000 Mann und 30.000 Pferde der Fassungsraum eines Zuges genügt, während zur Beförderung dieser Mengen auf der Straße 1000 Fuhrwerke 20mal länger fahren müßten.

Angesichts der durch die E. geschaffenen Möglichkeit raschester Verschiebung großer Truppenmassen ist wohl anzunehmen, daß die Dauer der Kriege für alle Zukunft wesentlich abgekürzt werden wird.

Die Bedeutung der E. für militärische Zwecke wird noch weiter dadurch gehoben, daß sie im Kriege militärisch organisiert werden (s. Feldbahnen) und daß Eisenbahntruppen gebildet sind, denen im besonderen die Aufgabe zufällt, Feldeisenbahnen zu bauen oder aus strategischen Rücksichten E. zu zerstören.

So äußern die E. nach allen Richtungen des Völkerlebens ihre deutlich verfolgbaren Einflüsse. Welche Veränderungen sich noch ferner durch ihren Einfluß ergeben werden, ist nicht vorauszusehen.

D. Die Entwicklung der E. der Erde beginnt mit der Eröffnung der E. von Liverpool nach Manchester, zu deren Bau die günstigen Ergebnisse der ersten Lokomotivfahrten auf der Stockton-Darlingtonbahn Anstoß gaben. Um die Frage der Einführung des Lokomotivbetriebes auf dieser Bahn einer endgültigen Entscheidung zuzuführen, wurde ein Wettbewerb für die Erfindung einer Lokomotive ausgeschrieben, die ihr dreifaches Gewicht mit einer Geschwindigkeit von 10 engl. Meilen i. d. Stde. (= 15·24 km/Std.) fortzubewegen im stände wäre. Am 6. Oktober 1829 erschienen auf der Ebene bei Rainhill in der Nähe von Liverpool 5 Lokomotiven zum Wettkampf, aus denen Stephensons "Rakete" ("Rocket") als Siegerin hervorging, nachdem sie durch die Anwendung des von dem Franzosen Seguin in Vorschlag gebrachten Siederohrkessels und des von Pelletan erfundenen Exhaustors vervollkommnet, bei 4·5 t Eigengewicht eine Last von 12·75 t mit 13·8 engl. Meil. (= 21·03 km/Std.) Geschwindigkeit beförderte, also den Bedingungen des Wettbewerbs nicht nur genügt, sondern sie noch übertroffen hatte (vgl. den Artikel: Lokomotiven). Die Eröffnung der Liverpool-Manchesterbahn fand am 15. September 1830 statt. An diesem Tage wurde ein Personenzug mit einer Geschwindigkeit von stellenweise mehr als 15 engl. Meilen (= 22·86 km/Std.) befördert. Hiermit war das Problem der raschen Beförderung großer Personen- und Gütermassen gelöst.

Der Bau der Eisenbahnen kam von diesem Zeitpunkt an rasch in Aufschwung. Belgien eröffnete i. J. 1835 die Linie zwischen Brüssel und Mecheln. In demselben Jahr noch fuhr auch auf deutschem Boden der erste von Lokomotiven bewegte Zug auf der Nürnberg-Fürther Bahn. I. J. 1837 wurden in Sachsen die Strecke Leipzig-Althen, in Österreich die Kaiser Ferdinands-Nordbahn zwischen Floridsdorf und Wagram und in Frankreich die Linie von Paris nach St. Germain dem öffentlichen Verkehr übergeben. Im Frühjahr 1838 wurde in Rußland die Bahn von St. Petersburg nach Zarskoje Selo eröffnet und im Herbst desselben Jahres erfolgte die Eröffnung der Berlin-Potsdamer Bahn und der

Der Bau der Schienenwege, die an Steigungsgrenzen gebunden sind und in ihren Neigungen auch auf größere Strecken eine gewisse Gleichförmigkeit aufweisen müssen, erfordert tiefe Einschnitte und hohe Dämme, die Durchschneidung von Gebirgsrücken und Tälern, sowie die Überbrückung von Wasserläufen. Die Lösung dieser Aufgaben führt zu großartigen Erdarbeiten, zum Bau von Tunneln, Viadukten, Galerien und Brücken. Dazu kommt die Eigenart in der Anlage des Oberbaues und der Hochbauten. Auf solche Art entwickelte sich der Eisenbahnbau zu einem besonderen Zweige der Bauwissenschaft, wie auch der Bau der Lokomotiven zu einem besonderen Zweige des Maschinenbaues. Hierzu tritt der Bau der Wagen für den Eisenbahnbetrieb, sowie der zahlreichen maschinellen Einrichtungen für Bau- und Betriebszwecke, endlich die Herstellung verschiedener Werkzeuge und Geräte für Eisenbahnzwecke u. s. w.

Im Zusammenhang mit diesen besonderen Zweigen der Eisenbahntechnik sind auch die allgemeinen Ingenieurwissenschaften, vor allem die Meßkunst und Mechanik (Statik und Dynamik) auf eine Höhe gebracht worden, zu deren Erreichung sonst vielleicht Jahrhunderte erforderlich gewesen wären. Die Hüttenkunde ist in ein ganz neues Stadium getreten, und das Eisen zur allgemeinsten Anwendung bei dem Bau von Gebäuden, Brücken, Maschinen und Wagen gekommen.

Die Einflüsse der E. auf Physik, Chemie, Geologie, Geographie, Meteorologie und zahlreiche andere Wissenszweige sind ebenfalls von hoher Wichtigkeit.

IV. Militärische Bedeutung der E.

Die wesentlichsten Vorteile, die sich in der modernen Kriegführung durch die Entwicklung des Eisenbahnwesens herausgestellt haben, bestehen in der Möglichkeit rascher Beförderung von großen Truppenmassen, in der schnellen Beförderung von Nachrichten, Meldungen und Befehlen in Verbindung mit dem Telegraphen, in der Beschleunigung des Marsches nach dem Kriegsschauplatz, in der leichten und raschen Zusammenziehung entfernt und vereinzelt stehender Truppenteile, in der schnellen Verstärkung einzelner schwach besetzter Punkte des Kriegsschauplatzes, in der raschen Verstärkung bedrohter und der Entsetzung belagerter Festungen, in der beschleunigten Zufuhr von Munition und Verpflegungsmitteln jeder Art, in der leichten Entfernung von Kranken, Verwundeten, Gefangenen, Kriegsbeute u. s. w.

Um die der Kriegführung durch die E. gebotenen Vorteile zu beleuchten, sei angeführt, daß ein Bataillon in Kriegsstärke, das 7 Marschstunden braucht, um 28 km zurückzulegen, in der gleichen Zeit auf E. rund 250 km weit befördert werden kann, daß ferner für den Nachschub der eintägigen Verpflegung für 90.000 Mann und 30.000 Pferde der Fassungsraum eines Zuges genügt, während zur Beförderung dieser Mengen auf der Straße 1000 Fuhrwerke 20mal länger fahren müßten.

Angesichts der durch die E. geschaffenen Möglichkeit raschester Verschiebung großer Truppenmassen ist wohl anzunehmen, daß die Dauer der Kriege für alle Zukunft wesentlich abgekürzt werden wird.

Die Bedeutung der E. für militärische Zwecke wird noch weiter dadurch gehoben, daß sie im Kriege militärisch organisiert werden (s. Feldbahnen) und daß Eisenbahntruppen gebildet sind, denen im besonderen die Aufgabe zufällt, Feldeisenbahnen zu bauen oder aus strategischen Rücksichten E. zu zerstören.

So äußern die E. nach allen Richtungen des Völkerlebens ihre deutlich verfolgbaren Einflüsse. Welche Veränderungen sich noch ferner durch ihren Einfluß ergeben werden, ist nicht vorauszusehen.

D. Die Entwicklung der E. der Erde beginnt mit der Eröffnung der E. von Liverpool nach Manchester, zu deren Bau die günstigen Ergebnisse der ersten Lokomotivfahrten auf der Stockton-Darlingtonbahn Anstoß gaben. Um die Frage der Einführung des Lokomotivbetriebes auf dieser Bahn einer endgültigen Entscheidung zuzuführen, wurde ein Wettbewerb für die Erfindung einer Lokomotive ausgeschrieben, die ihr dreifaches Gewicht mit einer Geschwindigkeit von 10 engl. Meilen i. d. Stde. (= 15·24 km/Std.) fortzubewegen im stände wäre. Am 6. Oktober 1829 erschienen auf der Ebene bei Rainhill in der Nähe von Liverpool 5 Lokomotiven zum Wettkampf, aus denen Stephensons „Rakete“ („Rocket“) als Siegerin hervorging, nachdem sie durch die Anwendung des von dem Franzosen Seguin in Vorschlag gebrachten Siederohrkessels und des von Pelletan erfundenen Exhaustors vervollkommnet, bei 4·5 t Eigengewicht eine Last von 12·75 t mit 13·8 engl. Meil. (= 21·03 km/Std.) Geschwindigkeit beförderte, also den Bedingungen des Wettbewerbs nicht nur genügt, sondern sie noch übertroffen hatte (vgl. den Artikel: Lokomotiven). Die Eröffnung der Liverpool-Manchesterbahn fand am 15. September 1830 statt. An diesem Tage wurde ein Personenzug mit einer Geschwindigkeit von stellenweise mehr als 15 engl. Meilen (= 22·86 km/Std.) befördert. Hiermit war das Problem der raschen Beförderung großer Personen- und Gütermassen gelöst.

Der Bau der Eisenbahnen kam von diesem Zeitpunkt an rasch in Aufschwung. Belgien eröffnete i. J. 1835 die Linie zwischen Brüssel und Mecheln. In demselben Jahr noch fuhr auch auf deutschem Boden der erste von Lokomotiven bewegte Zug auf der Nürnberg-Fürther Bahn. I. J. 1837 wurden in Sachsen die Strecke Leipzig-Althen, in Österreich die Kaiser Ferdinands-Nordbahn zwischen Floridsdorf und Wagram und in Frankreich die Linie von Paris nach St. Germain dem öffentlichen Verkehr übergeben. Im Frühjahr 1838 wurde in Rußland die Bahn von St. Petersburg nach Zarskoje Selo eröffnet und im Herbst desselben Jahres erfolgte die Eröffnung der Berlin-Potsdamer Bahn und der

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Der Bau der Schienenwege, die an Steigungsgrenzen gebunden sind und in ihren Neigungen auch auf größere Strecken eine gewisse Gleichförmigkeit aufweisen müssen, erfordert tiefe Einschnitte und hohe Dämme, die Durchschneidung von Gebirgsrücken und Tälern, sowie die Überbrückung von Wasserläufen. Die Lösung dieser Aufgaben führt zu großartigen Erdarbeiten, zum Bau von Tunneln, Viadukten, Galerien und Brücken. Dazu kommt die Eigenart in der Anlage des Oberbaues und der Hochbauten. Auf solche Art entwickelte sich der Eisenbahnbau zu einem besonderen Zweige der Bauwissenschaft, wie auch der Bau der Lokomotiven zu einem besonderen Zweige des Maschinenbaues. Hierzu tritt der Bau der Wagen für den Eisenbahnbetrieb, sowie der zahlreichen maschinellen Einrichtungen für Bau- und Betriebszwecke, endlich die Herstellung verschiedener Werkzeuge und Geräte für Eisenbahnzwecke u. s. w.</p><lb/>
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[35/0044] Der Bau der Schienenwege, die an Steigungsgrenzen gebunden sind und in ihren Neigungen auch auf größere Strecken eine gewisse Gleichförmigkeit aufweisen müssen, erfordert tiefe Einschnitte und hohe Dämme, die Durchschneidung von Gebirgsrücken und Tälern, sowie die Überbrückung von Wasserläufen. Die Lösung dieser Aufgaben führt zu großartigen Erdarbeiten, zum Bau von Tunneln, Viadukten, Galerien und Brücken. Dazu kommt die Eigenart in der Anlage des Oberbaues und der Hochbauten. Auf solche Art entwickelte sich der Eisenbahnbau zu einem besonderen Zweige der Bauwissenschaft, wie auch der Bau der Lokomotiven zu einem besonderen Zweige des Maschinenbaues. Hierzu tritt der Bau der Wagen für den Eisenbahnbetrieb, sowie der zahlreichen maschinellen Einrichtungen für Bau- und Betriebszwecke, endlich die Herstellung verschiedener Werkzeuge und Geräte für Eisenbahnzwecke u. s. w. Im Zusammenhang mit diesen besonderen Zweigen der Eisenbahntechnik sind auch die allgemeinen Ingenieurwissenschaften, vor allem die Meßkunst und Mechanik (Statik und Dynamik) auf eine Höhe gebracht worden, zu deren Erreichung sonst vielleicht Jahrhunderte erforderlich gewesen wären. Die Hüttenkunde ist in ein ganz neues Stadium getreten, und das Eisen zur allgemeinsten Anwendung bei dem Bau von Gebäuden, Brücken, Maschinen und Wagen gekommen. Die Einflüsse der E. auf Physik, Chemie, Geologie, Geographie, Meteorologie und zahlreiche andere Wissenszweige sind ebenfalls von hoher Wichtigkeit. IV. Militärische Bedeutung der E. Die wesentlichsten Vorteile, die sich in der modernen Kriegführung durch die Entwicklung des Eisenbahnwesens herausgestellt haben, bestehen in der Möglichkeit rascher Beförderung von großen Truppenmassen, in der schnellen Beförderung von Nachrichten, Meldungen und Befehlen in Verbindung mit dem Telegraphen, in der Beschleunigung des Marsches nach dem Kriegsschauplatz, in der leichten und raschen Zusammenziehung entfernt und vereinzelt stehender Truppenteile, in der schnellen Verstärkung einzelner schwach besetzter Punkte des Kriegsschauplatzes, in der raschen Verstärkung bedrohter und der Entsetzung belagerter Festungen, in der beschleunigten Zufuhr von Munition und Verpflegungsmitteln jeder Art, in der leichten Entfernung von Kranken, Verwundeten, Gefangenen, Kriegsbeute u. s. w. Um die der Kriegführung durch die E. gebotenen Vorteile zu beleuchten, sei angeführt, daß ein Bataillon in Kriegsstärke, das 7 Marschstunden braucht, um 28 km zurückzulegen, in der gleichen Zeit auf E. rund 250 km weit befördert werden kann, daß ferner für den Nachschub der eintägigen Verpflegung für 90.000 Mann und 30.000 Pferde der Fassungsraum eines Zuges genügt, während zur Beförderung dieser Mengen auf der Straße 1000 Fuhrwerke 20mal länger fahren müßten. Angesichts der durch die E. geschaffenen Möglichkeit raschester Verschiebung großer Truppenmassen ist wohl anzunehmen, daß die Dauer der Kriege für alle Zukunft wesentlich abgekürzt werden wird. Die Bedeutung der E. für militärische Zwecke wird noch weiter dadurch gehoben, daß sie im Kriege militärisch organisiert werden (s. Feldbahnen) und daß Eisenbahntruppen gebildet sind, denen im besonderen die Aufgabe zufällt, Feldeisenbahnen zu bauen oder aus strategischen Rücksichten E. zu zerstören. So äußern die E. nach allen Richtungen des Völkerlebens ihre deutlich verfolgbaren Einflüsse. Welche Veränderungen sich noch ferner durch ihren Einfluß ergeben werden, ist nicht vorauszusehen. D. Die Entwicklung der E. der Erde beginnt mit der Eröffnung der E. von Liverpool nach Manchester, zu deren Bau die günstigen Ergebnisse der ersten Lokomotivfahrten auf der Stockton-Darlingtonbahn Anstoß gaben. Um die Frage der Einführung des Lokomotivbetriebes auf dieser Bahn einer endgültigen Entscheidung zuzuführen, wurde ein Wettbewerb für die Erfindung einer Lokomotive ausgeschrieben, die ihr dreifaches Gewicht mit einer Geschwindigkeit von 10 engl. Meilen i. d. Stde. (= 15·24 km/Std.) fortzubewegen im stände wäre. Am 6. Oktober 1829 erschienen auf der Ebene bei Rainhill in der Nähe von Liverpool 5 Lokomotiven zum Wettkampf, aus denen Stephensons „Rakete“ („Rocket“) als Siegerin hervorging, nachdem sie durch die Anwendung des von dem Franzosen Seguin in Vorschlag gebrachten Siederohrkessels und des von Pelletan erfundenen Exhaustors vervollkommnet, bei 4·5 t Eigengewicht eine Last von 12·75 t mit 13·8 engl. Meil. (= 21·03 km/Std.) Geschwindigkeit beförderte, also den Bedingungen des Wettbewerbs nicht nur genügt, sondern sie noch übertroffen hatte (vgl. den Artikel: Lokomotiven). Die Eröffnung der Liverpool-Manchesterbahn fand am 15. September 1830 statt. An diesem Tage wurde ein Personenzug mit einer Geschwindigkeit von stellenweise mehr als 15 engl. Meilen (= 22·86 km/Std.) befördert. Hiermit war das Problem der raschen Beförderung großer Personen- und Gütermassen gelöst. Der Bau der Eisenbahnen kam von diesem Zeitpunkt an rasch in Aufschwung. Belgien eröffnete i. J. 1835 die Linie zwischen Brüssel und Mecheln. In demselben Jahr noch fuhr auch auf deutschem Boden der erste von Lokomotiven bewegte Zug auf der Nürnberg-Fürther Bahn. I. J. 1837 wurden in Sachsen die Strecke Leipzig-Althen, in Österreich die Kaiser Ferdinands-Nordbahn zwischen Floridsdorf und Wagram und in Frankreich die Linie von Paris nach St. Germain dem öffentlichen Verkehr übergeben. Im Frühjahr 1838 wurde in Rußland die Bahn von St. Petersburg nach Zarskoje Selo eröffnet und im Herbst desselben Jahres erfolgte die Eröffnung der Berlin-Potsdamer Bahn und der

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 4. Berlin, Wien, 1913, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen04_1913/44>, abgerufen am 21.11.2024.