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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 4. Berlin, Wien, 1913.

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B. Anwendung der Eisenbahnpolitik auf die Einzelgebiete des Eisenbahnwesens.

So sehr nun die verschiedenen Systeme in staatswirtschaftlicher und sozialpolitischer Hinsicht von einander abweichen, ist ihnen allen doch als Ziel gemeinsam die Wahrung der öffentlichen Interessen unter Bedachtnahme auf die wirtschaftlichen Lebensbedingungen der Eisenbahnen als großer, mit hohem Kostenaufwande arbeitender Transportanstalten. Demgemäß ergeben sich ungeachtet der Verschiedenheit der eisenbahnpolitischen Systeme für die Erörterung der staatlichen Einflußnahme auf die Einzelgebiete des Eisenbahnwesens im großen und ganzen übereinstimmende Gesichtspunkte und daraus abzuleitende Grundsätze.

Man kann diese Grundsätze als besondere Eisenbahnpolitik bezeichnen. Diese umfaßt sonach, der üblichen Einteilung der Hauptbelange des Eisenbahnwesens entsprechend, die Aufgaben der eisenbahnpolitischen Betätigung in bezug auf den Eisenbahnbau, den Eisenbahnbetrieb und den Eisenbahnverkehr einschließlich des Tarifwesens. Auch ist schließlich noch das in zunehmender Entwicklung stehende Bahnwesen niederer Ordnung zu beachten.

a) Eisenbahnbau. Hier kommt vor allem als leitender Gesichtspunkt der E. die planmäßige Ausführung oder Ergänzung des Bahnnetzes in Betracht. Nur wenigen Ländern, wie Österreich, Belgien, Frankreich, war schon am Beginne der Eisenbahnzeit der Vorzug beschieden, den Bau der Hauptlinien ihres Bahnnetzes nach einem gesetzlich oder regierungsseitig im voraus festgestellten Grundplane zur Ausführung zu bringen (s. Eisenbahnbauplan).

Trotz wiederholter Schwankungen in der E. tritt im weiteren Verlaufe der Entwicklung allenthalben das Bestreben der Regierungen zutage, für den planmäßigen Ausbau der Verkehrswege feste Grundlagen zu schaffen. Beispiele solcher Eisenbahnprogramme bieten der Eisenbahn- und Kanalbauplan de Freycinets (1878) in Frankreich, das italienische Linienplangesetz vom Jahre 1879. Beide gelangten nur teilweise zur Ausführung.

Auch in Österreich wurde wiederholt (1869 und 1875) die gesetzliche Feststellung eines Linienbauprogramms durch Gesetzentwürfe angestrebt, die jedoch im Parlamente nicht zur Verabschiedung gelangten. Mit besserem Erfolge wurden diese Bestrebungen dann von dem Kabinett des Ministerpräsidenten Dr. v. Koerber (1900) aufgenommen, unter dessen Amtsführung das vom Verf. als Eisenbahnminister eingebrachte umfassende Bau- und Investitionsprogramm am 6. Juni 1901 Gesetz wurde.

Die Bedeutung einer planmäßigen Ergänzung des Bahnnetzes beruht einerseits auf einer Forderung der ausgleichenden Gerechtigkeit, die auch minder entwickelten Landesteilen die Vorteile der Eisenbahnverbindung zuzuwenden gebietet, anderseits auf einem Bedürfnisse einer verständigen Arbeits- und Industriepolitik, die eine stetige, möglichst gleichmäßige Beschäftigung der Baugewerbe und Waggon- und Lokomotivfabriken dringend erfordert. Nebst der planmäßigen Leitung des Eisenbahnbaues erfordert die Eisenbahnbaupolitik die Wahrung der technischen Zweckmäßigkeit der Anlagen, ihre solide und streng ökonomische Ausführung, den Schutz der Anrainer und Interessenten.

Diese Gesichtspunkte sind bestimmend für die Regelung des Vorganges, der bei der Vorbereitung und Ausführung von Eisenbahnbauten, seien es solche des Staates oder von Privatunternehmungen, eingehalten wird. Die technische Zweckmäßigkeit der Anlage wird, soweit sie nicht schon auf die Autorität der Staatsbahnbehörden als Projektverfasser gestützt ist, durch die insgemein vorgeschriebene aufsichtsbehördliche Prüfung und Genehmigung der Vorprojekte (Generalprojekte) und Bauprojekte (Detailprojekte), erstere die allgemeine Richtung (Trasse) der auszuführenden Bahn, letztere die Einzelheiten der Anlage enthaltend, dann durch die kommissionellen Amtshandlungen (Trassenrevision, politische Begehung) klargestellt und derart der entscheidenden Behörde (Ministerium, Statthalterei) die geeignete Unterlage geliefert. Dem Anliegerschutze dient die Vernehmung der Interessenten bei den Kommissionen, der Ökonomie des Baues die Enteignung, die den Grunderwerb unter richterliche Wertbemessung stellt.

Die Bauökonomie ist weiter maßgebend für die Bauausführung selbst, die entweder in eigener Regie oder mit Vergebung an einen Bauunternehmer bewirkt wird.

b) Eisenbahnbetrieb. Das Ziel der E. beim Eisenbahnbetriebe ist die Gewährleistung der möglichsten Sicherheit, Ordnung und Regelmäßigkeit des Bahnverkehrs sowie die Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse des Publikums. Der Betrieb soll derart eingerichtet sein, daß er den verschiedenartigen Verkehrsbedürfnissen sowohl bei der Personenbeförderung als bei dem Gütertransporte gleichmäßig Genüge leistet. Zu diesem Zwecke werden die allgemeinen Grundsätze der Betriebsvorschriften gesetzlich oder im Verordnungswege festgestellt (s. Eisenbahn-Betriebsordnung). Einen der wichtigsten Gegenstände der staatsaufsichtsbehördlichen Einflußnahme bildet die Verhütung von Betriebsunfällen

B. Anwendung der Eisenbahnpolitik auf die Einzelgebiete des Eisenbahnwesens.

So sehr nun die verschiedenen Systeme in staatswirtschaftlicher und sozialpolitischer Hinsicht von einander abweichen, ist ihnen allen doch als Ziel gemeinsam die Wahrung der öffentlichen Interessen unter Bedachtnahme auf die wirtschaftlichen Lebensbedingungen der Eisenbahnen als großer, mit hohem Kostenaufwande arbeitender Transportanstalten. Demgemäß ergeben sich ungeachtet der Verschiedenheit der eisenbahnpolitischen Systeme für die Erörterung der staatlichen Einflußnahme auf die Einzelgebiete des Eisenbahnwesens im großen und ganzen übereinstimmende Gesichtspunkte und daraus abzuleitende Grundsätze.

Man kann diese Grundsätze als besondere Eisenbahnpolitik bezeichnen. Diese umfaßt sonach, der üblichen Einteilung der Hauptbelange des Eisenbahnwesens entsprechend, die Aufgaben der eisenbahnpolitischen Betätigung in bezug auf den Eisenbahnbau, den Eisenbahnbetrieb und den Eisenbahnverkehr einschließlich des Tarifwesens. Auch ist schließlich noch das in zunehmender Entwicklung stehende Bahnwesen niederer Ordnung zu beachten.

a) Eisenbahnbau. Hier kommt vor allem als leitender Gesichtspunkt der E. die planmäßige Ausführung oder Ergänzung des Bahnnetzes in Betracht. Nur wenigen Ländern, wie Österreich, Belgien, Frankreich, war schon am Beginne der Eisenbahnzeit der Vorzug beschieden, den Bau der Hauptlinien ihres Bahnnetzes nach einem gesetzlich oder regierungsseitig im voraus festgestellten Grundplane zur Ausführung zu bringen (s. Eisenbahnbauplan).

Trotz wiederholter Schwankungen in der E. tritt im weiteren Verlaufe der Entwicklung allenthalben das Bestreben der Regierungen zutage, für den planmäßigen Ausbau der Verkehrswege feste Grundlagen zu schaffen. Beispiele solcher Eisenbahnprogramme bieten der Eisenbahn- und Kanalbauplan de Freycinets (1878) in Frankreich, das italienische Linienplangesetz vom Jahre 1879. Beide gelangten nur teilweise zur Ausführung.

Auch in Österreich wurde wiederholt (1869 und 1875) die gesetzliche Feststellung eines Linienbauprogramms durch Gesetzentwürfe angestrebt, die jedoch im Parlamente nicht zur Verabschiedung gelangten. Mit besserem Erfolge wurden diese Bestrebungen dann von dem Kabinett des Ministerpräsidenten Dr. v. Koerber (1900) aufgenommen, unter dessen Amtsführung das vom Verf. als Eisenbahnminister eingebrachte umfassende Bau- und Investitionsprogramm am 6. Juni 1901 Gesetz wurde.

Die Bedeutung einer planmäßigen Ergänzung des Bahnnetzes beruht einerseits auf einer Forderung der ausgleichenden Gerechtigkeit, die auch minder entwickelten Landesteilen die Vorteile der Eisenbahnverbindung zuzuwenden gebietet, anderseits auf einem Bedürfnisse einer verständigen Arbeits- und Industriepolitik, die eine stetige, möglichst gleichmäßige Beschäftigung der Baugewerbe und Waggon- und Lokomotivfabriken dringend erfordert. Nebst der planmäßigen Leitung des Eisenbahnbaues erfordert die Eisenbahnbaupolitik die Wahrung der technischen Zweckmäßigkeit der Anlagen, ihre solide und streng ökonomische Ausführung, den Schutz der Anrainer und Interessenten.

Diese Gesichtspunkte sind bestimmend für die Regelung des Vorganges, der bei der Vorbereitung und Ausführung von Eisenbahnbauten, seien es solche des Staates oder von Privatunternehmungen, eingehalten wird. Die technische Zweckmäßigkeit der Anlage wird, soweit sie nicht schon auf die Autorität der Staatsbahnbehörden als Projektverfasser gestützt ist, durch die insgemein vorgeschriebene aufsichtsbehördliche Prüfung und Genehmigung der Vorprojekte (Generalprojekte) und Bauprojekte (Detailprojekte), erstere die allgemeine Richtung (Trasse) der auszuführenden Bahn, letztere die Einzelheiten der Anlage enthaltend, dann durch die kommissionellen Amtshandlungen (Trassenrevision, politische Begehung) klargestellt und derart der entscheidenden Behörde (Ministerium, Statthalterei) die geeignete Unterlage geliefert. Dem Anliegerschutze dient die Vernehmung der Interessenten bei den Kommissionen, der Ökonomie des Baues die Enteignung, die den Grunderwerb unter richterliche Wertbemessung stellt.

Die Bauökonomie ist weiter maßgebend für die Bauausführung selbst, die entweder in eigener Regie oder mit Vergebung an einen Bauunternehmer bewirkt wird.

b) Eisenbahnbetrieb. Das Ziel der E. beim Eisenbahnbetriebe ist die Gewährleistung der möglichsten Sicherheit, Ordnung und Regelmäßigkeit des Bahnverkehrs sowie die Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse des Publikums. Der Betrieb soll derart eingerichtet sein, daß er den verschiedenartigen Verkehrsbedürfnissen sowohl bei der Personenbeförderung als bei dem Gütertransporte gleichmäßig Genüge leistet. Zu diesem Zwecke werden die allgemeinen Grundsätze der Betriebsvorschriften gesetzlich oder im Verordnungswege festgestellt (s. Eisenbahn-Betriebsordnung). Einen der wichtigsten Gegenstände der staatsaufsichtsbehördlichen Einflußnahme bildet die Verhütung von Betriebsunfällen

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[101/0110] B. Anwendung der Eisenbahnpolitik auf die Einzelgebiete des Eisenbahnwesens. So sehr nun die verschiedenen Systeme in staatswirtschaftlicher und sozialpolitischer Hinsicht von einander abweichen, ist ihnen allen doch als Ziel gemeinsam die Wahrung der öffentlichen Interessen unter Bedachtnahme auf die wirtschaftlichen Lebensbedingungen der Eisenbahnen als großer, mit hohem Kostenaufwande arbeitender Transportanstalten. Demgemäß ergeben sich ungeachtet der Verschiedenheit der eisenbahnpolitischen Systeme für die Erörterung der staatlichen Einflußnahme auf die Einzelgebiete des Eisenbahnwesens im großen und ganzen übereinstimmende Gesichtspunkte und daraus abzuleitende Grundsätze. Man kann diese Grundsätze als besondere Eisenbahnpolitik bezeichnen. Diese umfaßt sonach, der üblichen Einteilung der Hauptbelange des Eisenbahnwesens entsprechend, die Aufgaben der eisenbahnpolitischen Betätigung in bezug auf den Eisenbahnbau, den Eisenbahnbetrieb und den Eisenbahnverkehr einschließlich des Tarifwesens. Auch ist schließlich noch das in zunehmender Entwicklung stehende Bahnwesen niederer Ordnung zu beachten. a) Eisenbahnbau. Hier kommt vor allem als leitender Gesichtspunkt der E. die planmäßige Ausführung oder Ergänzung des Bahnnetzes in Betracht. Nur wenigen Ländern, wie Österreich, Belgien, Frankreich, war schon am Beginne der Eisenbahnzeit der Vorzug beschieden, den Bau der Hauptlinien ihres Bahnnetzes nach einem gesetzlich oder regierungsseitig im voraus festgestellten Grundplane zur Ausführung zu bringen (s. Eisenbahnbauplan). Trotz wiederholter Schwankungen in der E. tritt im weiteren Verlaufe der Entwicklung allenthalben das Bestreben der Regierungen zutage, für den planmäßigen Ausbau der Verkehrswege feste Grundlagen zu schaffen. Beispiele solcher Eisenbahnprogramme bieten der Eisenbahn- und Kanalbauplan de Freycinets (1878) in Frankreich, das italienische Linienplangesetz vom Jahre 1879. Beide gelangten nur teilweise zur Ausführung. Auch in Österreich wurde wiederholt (1869 und 1875) die gesetzliche Feststellung eines Linienbauprogramms durch Gesetzentwürfe angestrebt, die jedoch im Parlamente nicht zur Verabschiedung gelangten. Mit besserem Erfolge wurden diese Bestrebungen dann von dem Kabinett des Ministerpräsidenten Dr. v. Koerber (1900) aufgenommen, unter dessen Amtsführung das vom Verf. als Eisenbahnminister eingebrachte umfassende Bau- und Investitionsprogramm am 6. Juni 1901 Gesetz wurde. Die Bedeutung einer planmäßigen Ergänzung des Bahnnetzes beruht einerseits auf einer Forderung der ausgleichenden Gerechtigkeit, die auch minder entwickelten Landesteilen die Vorteile der Eisenbahnverbindung zuzuwenden gebietet, anderseits auf einem Bedürfnisse einer verständigen Arbeits- und Industriepolitik, die eine stetige, möglichst gleichmäßige Beschäftigung der Baugewerbe und Waggon- und Lokomotivfabriken dringend erfordert. Nebst der planmäßigen Leitung des Eisenbahnbaues erfordert die Eisenbahnbaupolitik die Wahrung der technischen Zweckmäßigkeit der Anlagen, ihre solide und streng ökonomische Ausführung, den Schutz der Anrainer und Interessenten. Diese Gesichtspunkte sind bestimmend für die Regelung des Vorganges, der bei der Vorbereitung und Ausführung von Eisenbahnbauten, seien es solche des Staates oder von Privatunternehmungen, eingehalten wird. Die technische Zweckmäßigkeit der Anlage wird, soweit sie nicht schon auf die Autorität der Staatsbahnbehörden als Projektverfasser gestützt ist, durch die insgemein vorgeschriebene aufsichtsbehördliche Prüfung und Genehmigung der Vorprojekte (Generalprojekte) und Bauprojekte (Detailprojekte), erstere die allgemeine Richtung (Trasse) der auszuführenden Bahn, letztere die Einzelheiten der Anlage enthaltend, dann durch die kommissionellen Amtshandlungen (Trassenrevision, politische Begehung) klargestellt und derart der entscheidenden Behörde (Ministerium, Statthalterei) die geeignete Unterlage geliefert. Dem Anliegerschutze dient die Vernehmung der Interessenten bei den Kommissionen, der Ökonomie des Baues die Enteignung, die den Grunderwerb unter richterliche Wertbemessung stellt. Die Bauökonomie ist weiter maßgebend für die Bauausführung selbst, die entweder in eigener Regie oder mit Vergebung an einen Bauunternehmer bewirkt wird. b) Eisenbahnbetrieb. Das Ziel der E. beim Eisenbahnbetriebe ist die Gewährleistung der möglichsten Sicherheit, Ordnung und Regelmäßigkeit des Bahnverkehrs sowie die Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse des Publikums. Der Betrieb soll derart eingerichtet sein, daß er den verschiedenartigen Verkehrsbedürfnissen sowohl bei der Personenbeförderung als bei dem Gütertransporte gleichmäßig Genüge leistet. Zu diesem Zwecke werden die allgemeinen Grundsätze der Betriebsvorschriften gesetzlich oder im Verordnungswege festgestellt (s. Eisenbahn-Betriebsordnung). Einen der wichtigsten Gegenstände der staatsaufsichtsbehördlichen Einflußnahme bildet die Verhütung von Betriebsunfällen

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 4. Berlin, Wien, 1913, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen04_1913/110>, abgerufen am 22.11.2024.