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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912.

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der Jura-Simplonbahn (1891) erfolgte durch Ausknicken einer zu schwachen Druckstrebe. Die unzureichende Knicksicherheit der Druckstreben war auch die Ursache des schon unter der Probelast erfolgten Einsturzes der 60 m weit gespannten Straßenbrücke über die Morawa bei Ljubitschewo, Serbien (1892).

Die weitgehenden Vorsichten, die jetzt im Eisenbau geübt werden und die zum Durchbruche gelangte Einsicht, daß die übertriebene Sparsamkeit, weder wirtschaftlich noch im Interesse der Sicherheit gelegen ist, lassen hoffen, daß in Hinkunft ähnliche Brückenkatastrophen vermieden werden.

Melan.


Brückenprobe (bridge-test; essai, d'un pont; prova d'un ponte), die nach vollendeter Aufstellung des Tragwerks und Herstellung der Fahrbahn vor Inbetriebnahme der letzteren vorzunehmende Belastungsprobe (Probebelastung), erstmalige Hauptprüfung, die den für die statische Berechnung gemachten Voraussetzungen möglichst entsprechen, demnach die äußersten Grenzen der Verkehrsbelastung in sich schließen soll.

Diese Erprobung hat nicht den Zweck, den Sachverständigen - bzw. die Aufsicht übende Behörde - zu überzeugen, daß das Bauwerk die ihm zugemuteten Höchstanstrengungen auszuhalten imstande ist; die Möglichkeit eines Mißerfolges kann und muß nach dem heutigen Stand der Brückenbautechnik hierbei vollkommen ausgeschlossen sein. Die Erprobung soll vielmehr einesteils dazu dienen, einen Vergleich der für die Konstruktion rechnerisch bestimmten Elastizitätsverhältnisse mit den wirklich bestehenden Verhältnissen zu ermöglichen, andernteils aber die Güte der Bearbeitung, insbesondere der Verbindungen (Knotenpunkte) nach erfahrungsgemäß bestimmten Normen für das erlaubte Maß der bleibenden Einbiegung festzustellen.

Die Ausführung der Belastungsprobe ist, wenn es sich um eine Eisenbahnbrücke handelt, bei den verschiedenen Bahnverwaltungen je nach den für die statische Berechnung aufgestellten Belastungsnormen und besonderen Bedingnissen eine mehr oder weniger verschiedene. In den wenigsten Fällen wird heute noch hierfür eine ruhende, gleichmäßig verteilte, der Wirkung der Verkehrsbelastung entsprechende Last vorgeschrieben, selbst wenn diese für die statische Berechnung angewendet wurde. Vielmehr wird bei allen Eisenbahnverwaltungen folgender Vorgang eingehalten:

2 oder 3 der schwersten Lokomotiven, bzw. Motorwagen, derart gruppiert, daß die meistbelasteten Achsen möglichst nahe der Mitte der Brückenlänge zu stehen kommen, werden zuerst langsam soweit auf die Brücke gefahren als der größten Anstrengung für die Trägermitte entspricht. Nachdem sie eine bestimmte Zeit (5 Minuten bis mehrere Stunden) in dieser Stellung ruhig verblieben, werden sie zunächst mit mäßiger und sodann mit der größten möglichen, noch zulässigen Geschwindigkeit einigemale über die Brücke hin und zurück bewegt. Damit ist gewöhnlich der Umfang der Belastung für Brücken bis ungefähr 60 m Stützweite erschöpft; jedoch werden auch zuweilen bei sehr langen Brückenfeldern für die ruhende Belastung beladene Güterwagen vor und hinter den Lokomotiven, bzw. Motorwagen angehängt (für die bewegte Belastung nur hinter diesen), oder es wird das ganze Feld mit Lokomotiven besetzt und befahren.

Bei der Belastungsprobe von Straßenbrücken wird für die ruhende Last in der Regel eine gleichmäßig auf die Fahrbahntafel aufgebrachte Nutzlast (Steine, Sand u. s. w.) angeordnet. Für die bewegte Last wird der schwerste zur Verfügung stehende Lastwagen, auch Straßenwalze, verwendet.

Vorhandene seitliche Fußwege können, je nach ihrem Zweck, mit einer gleichmäßigen Last von 200-560 kg für das m2 belegt werden. Bei durchlaufenden (kontinuierlichen) Trägern ist außerdem noch notwendig, die Lasten in solcher Weise gruppiert und über die einzelnen Felder verteilt aufzustellen, daß die größten positiven und negativen Biegungsmomente und Vertikalkräfte hervorgerufen werden.

Während dieser verschiedenen Belastungsarten mißt man die lotrechten und wagrechten Bewegungen (Einbiegungen, Auftriebe, Seitenschwankungen) der Hauptträger und bestimmt hieraus insbesondere die bleibenden vertikalen Einsenkungen. Um dies zu ermöglichen, ist es notwendig, vor Aufbringung einer der erwähnten Belastungen die Auflagerpunkte (Stützpunkte, Stützflächen) der Hauptträger gegen Fixpunkte einzumessen, die abseits der Brücke so angeordnet sein müssen, daß sie durch allenfalls stattfindende Setzungen oder Erschütterungen nicht berührt werden. Die Messung selbst erfolgt mit Hilfe eines Nivellierinstruments, dessen Standpunkt auf dem Boden oder dem Mauerwerk selbst derart zu wählen ist, daß womöglich mit einer Stellung sowohl der außerhalb der Brücke liegende Fixpunkt als die lotrecht über und möglichst nahe den Stützflächen angebrachten Höhenmarken a, Abb. 86, bzw. die auf letzteren

der Jura-Simplonbahn (1891) erfolgte durch Ausknicken einer zu schwachen Druckstrebe. Die unzureichende Knicksicherheit der Druckstreben war auch die Ursache des schon unter der Probelast erfolgten Einsturzes der 60 m weit gespannten Straßenbrücke über die Morawa bei Ljubitschewo, Serbien (1892).

Die weitgehenden Vorsichten, die jetzt im Eisenbau geübt werden und die zum Durchbruche gelangte Einsicht, daß die übertriebene Sparsamkeit, weder wirtschaftlich noch im Interesse der Sicherheit gelegen ist, lassen hoffen, daß in Hinkunft ähnliche Brückenkatastrophen vermieden werden.

Melan.


Brückenprobe (bridge-test; essai, d'un pont; prova d'un ponte), die nach vollendeter Aufstellung des Tragwerks und Herstellung der Fahrbahn vor Inbetriebnahme der letzteren vorzunehmende Belastungsprobe (Probebelastung), erstmalige Hauptprüfung, die den für die statische Berechnung gemachten Voraussetzungen möglichst entsprechen, demnach die äußersten Grenzen der Verkehrsbelastung in sich schließen soll.

Diese Erprobung hat nicht den Zweck, den Sachverständigen – bzw. die Aufsicht übende Behörde – zu überzeugen, daß das Bauwerk die ihm zugemuteten Höchstanstrengungen auszuhalten imstande ist; die Möglichkeit eines Mißerfolges kann und muß nach dem heutigen Stand der Brückenbautechnik hierbei vollkommen ausgeschlossen sein. Die Erprobung soll vielmehr einesteils dazu dienen, einen Vergleich der für die Konstruktion rechnerisch bestimmten Elastizitätsverhältnisse mit den wirklich bestehenden Verhältnissen zu ermöglichen, andernteils aber die Güte der Bearbeitung, insbesondere der Verbindungen (Knotenpunkte) nach erfahrungsgemäß bestimmten Normen für das erlaubte Maß der bleibenden Einbiegung festzustellen.

Die Ausführung der Belastungsprobe ist, wenn es sich um eine Eisenbahnbrücke handelt, bei den verschiedenen Bahnverwaltungen je nach den für die statische Berechnung aufgestellten Belastungsnormen und besonderen Bedingnissen eine mehr oder weniger verschiedene. In den wenigsten Fällen wird heute noch hierfür eine ruhende, gleichmäßig verteilte, der Wirkung der Verkehrsbelastung entsprechende Last vorgeschrieben, selbst wenn diese für die statische Berechnung angewendet wurde. Vielmehr wird bei allen Eisenbahnverwaltungen folgender Vorgang eingehalten:

2 oder 3 der schwersten Lokomotiven, bzw. Motorwagen, derart gruppiert, daß die meistbelasteten Achsen möglichst nahe der Mitte der Brückenlänge zu stehen kommen, werden zuerst langsam soweit auf die Brücke gefahren als der größten Anstrengung für die Trägermitte entspricht. Nachdem sie eine bestimmte Zeit (5 Minuten bis mehrere Stunden) in dieser Stellung ruhig verblieben, werden sie zunächst mit mäßiger und sodann mit der größten möglichen, noch zulässigen Geschwindigkeit einigemale über die Brücke hin und zurück bewegt. Damit ist gewöhnlich der Umfang der Belastung für Brücken bis ungefähr 60 m Stützweite erschöpft; jedoch werden auch zuweilen bei sehr langen Brückenfeldern für die ruhende Belastung beladene Güterwagen vor und hinter den Lokomotiven, bzw. Motorwagen angehängt (für die bewegte Belastung nur hinter diesen), oder es wird das ganze Feld mit Lokomotiven besetzt und befahren.

Bei der Belastungsprobe von Straßenbrücken wird für die ruhende Last in der Regel eine gleichmäßig auf die Fahrbahntafel aufgebrachte Nutzlast (Steine, Sand u. s. w.) angeordnet. Für die bewegte Last wird der schwerste zur Verfügung stehende Lastwagen, auch Straßenwalze, verwendet.

Vorhandene seitliche Fußwege können, je nach ihrem Zweck, mit einer gleichmäßigen Last von 200–560 kg für das m2 belegt werden. Bei durchlaufenden (kontinuierlichen) Trägern ist außerdem noch notwendig, die Lasten in solcher Weise gruppiert und über die einzelnen Felder verteilt aufzustellen, daß die größten positiven und negativen Biegungsmomente und Vertikalkräfte hervorgerufen werden.

Während dieser verschiedenen Belastungsarten mißt man die lotrechten und wagrechten Bewegungen (Einbiegungen, Auftriebe, Seitenschwankungen) der Hauptträger und bestimmt hieraus insbesondere die bleibenden vertikalen Einsenkungen. Um dies zu ermöglichen, ist es notwendig, vor Aufbringung einer der erwähnten Belastungen die Auflagerpunkte (Stützpunkte, Stützflächen) der Hauptträger gegen Fixpunkte einzumessen, die abseits der Brücke so angeordnet sein müssen, daß sie durch allenfalls stattfindende Setzungen oder Erschütterungen nicht berührt werden. Die Messung selbst erfolgt mit Hilfe eines Nivellierinstruments, dessen Standpunkt auf dem Boden oder dem Mauerwerk selbst derart zu wählen ist, daß womöglich mit einer Stellung sowohl der außerhalb der Brücke liegende Fixpunkt als die lotrecht über und möglichst nahe den Stützflächen angebrachten Höhenmarken a, Abb. 86, bzw. die auf letzteren

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[105/0117] der Jura-Simplonbahn (1891) erfolgte durch Ausknicken einer zu schwachen Druckstrebe. Die unzureichende Knicksicherheit der Druckstreben war auch die Ursache des schon unter der Probelast erfolgten Einsturzes der 60 m weit gespannten Straßenbrücke über die Morawa bei Ljubitschewo, Serbien (1892). Die weitgehenden Vorsichten, die jetzt im Eisenbau geübt werden und die zum Durchbruche gelangte Einsicht, daß die übertriebene Sparsamkeit, weder wirtschaftlich noch im Interesse der Sicherheit gelegen ist, lassen hoffen, daß in Hinkunft ähnliche Brückenkatastrophen vermieden werden. Melan. Brückenprobe (bridge-test; essai, d'un pont; prova d'un ponte), die nach vollendeter Aufstellung des Tragwerks und Herstellung der Fahrbahn vor Inbetriebnahme der letzteren vorzunehmende Belastungsprobe (Probebelastung), erstmalige Hauptprüfung, die den für die statische Berechnung gemachten Voraussetzungen möglichst entsprechen, demnach die äußersten Grenzen der Verkehrsbelastung in sich schließen soll. Diese Erprobung hat nicht den Zweck, den Sachverständigen – bzw. die Aufsicht übende Behörde – zu überzeugen, daß das Bauwerk die ihm zugemuteten Höchstanstrengungen auszuhalten imstande ist; die Möglichkeit eines Mißerfolges kann und muß nach dem heutigen Stand der Brückenbautechnik hierbei vollkommen ausgeschlossen sein. Die Erprobung soll vielmehr einesteils dazu dienen, einen Vergleich der für die Konstruktion rechnerisch bestimmten Elastizitätsverhältnisse mit den wirklich bestehenden Verhältnissen zu ermöglichen, andernteils aber die Güte der Bearbeitung, insbesondere der Verbindungen (Knotenpunkte) nach erfahrungsgemäß bestimmten Normen für das erlaubte Maß der bleibenden Einbiegung festzustellen. Die Ausführung der Belastungsprobe ist, wenn es sich um eine Eisenbahnbrücke handelt, bei den verschiedenen Bahnverwaltungen je nach den für die statische Berechnung aufgestellten Belastungsnormen und besonderen Bedingnissen eine mehr oder weniger verschiedene. In den wenigsten Fällen wird heute noch hierfür eine ruhende, gleichmäßig verteilte, der Wirkung der Verkehrsbelastung entsprechende Last vorgeschrieben, selbst wenn diese für die statische Berechnung angewendet wurde. Vielmehr wird bei allen Eisenbahnverwaltungen folgender Vorgang eingehalten: 2 oder 3 der schwersten Lokomotiven, bzw. Motorwagen, derart gruppiert, daß die meistbelasteten Achsen möglichst nahe der Mitte der Brückenlänge zu stehen kommen, werden zuerst langsam soweit auf die Brücke gefahren als der größten Anstrengung für die Trägermitte entspricht. Nachdem sie eine bestimmte Zeit (5 Minuten bis mehrere Stunden) in dieser Stellung ruhig verblieben, werden sie zunächst mit mäßiger und sodann mit der größten möglichen, noch zulässigen Geschwindigkeit einigemale über die Brücke hin und zurück bewegt. Damit ist gewöhnlich der Umfang der Belastung für Brücken bis ungefähr 60 m Stützweite erschöpft; jedoch werden auch zuweilen bei sehr langen Brückenfeldern für die ruhende Belastung beladene Güterwagen vor und hinter den Lokomotiven, bzw. Motorwagen angehängt (für die bewegte Belastung nur hinter diesen), oder es wird das ganze Feld mit Lokomotiven besetzt und befahren. Bei der Belastungsprobe von Straßenbrücken wird für die ruhende Last in der Regel eine gleichmäßig auf die Fahrbahntafel aufgebrachte Nutzlast (Steine, Sand u. s. w.) angeordnet. Für die bewegte Last wird der schwerste zur Verfügung stehende Lastwagen, auch Straßenwalze, verwendet. Vorhandene seitliche Fußwege können, je nach ihrem Zweck, mit einer gleichmäßigen Last von 200–560 kg für das m2 belegt werden. Bei durchlaufenden (kontinuierlichen) Trägern ist außerdem noch notwendig, die Lasten in solcher Weise gruppiert und über die einzelnen Felder verteilt aufzustellen, daß die größten positiven und negativen Biegungsmomente und Vertikalkräfte hervorgerufen werden. Während dieser verschiedenen Belastungsarten mißt man die lotrechten und wagrechten Bewegungen (Einbiegungen, Auftriebe, Seitenschwankungen) der Hauptträger und bestimmt hieraus insbesondere die bleibenden vertikalen Einsenkungen. Um dies zu ermöglichen, ist es notwendig, vor Aufbringung einer der erwähnten Belastungen die Auflagerpunkte (Stützpunkte, Stützflächen) der Hauptträger gegen Fixpunkte einzumessen, die abseits der Brücke so angeordnet sein müssen, daß sie durch allenfalls stattfindende Setzungen oder Erschütterungen nicht berührt werden. Die Messung selbst erfolgt mit Hilfe eines Nivellierinstruments, dessen Standpunkt auf dem Boden oder dem Mauerwerk selbst derart zu wählen ist, daß womöglich mit einer Stellung sowohl der außerhalb der Brücke liegende Fixpunkt als die lotrecht über und möglichst nahe den Stützflächen angebrachten Höhenmarken a, Abb. 86, bzw. die auf letzteren

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen03_1912/117>, abgerufen am 23.11.2024.