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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912.

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von der Stadtbahn nach ihren alten Endbahnhöfen zurückverlegt und eine Anzahl Vorortzüge den Stadtgleisen zugewiesen. Mit Ausnahme weniger Luxuszüge enden und beginnen sämtliche Fernzüge auf den Endbahnhöfen der Stadtbahn, u. zw. die Fernzüge der östlichen Bahnen auf Bahnhof Charlottenburg, die der westlichen Bahnen auf dem schlesischen Bahnhof. Die Leitung der Fernzüge über die Stadtbahn hat den Vorteil, daß die Reise von verschiedenen Punkten der Stadt aus unmittelbar angetreten und ebenso von auswärts dorthin unternommen werden kann, sie hat aber auch den Nachteil, daß die Fahrzeit durch das mehrfache Anhalten der Züge verlängert wird.

Im Jahre 1910 verkehrten auf den Ferngleisen der Stadtbahn im regelmäßigen Verkehr etwa 60 Fernzüge und 23 Vorortzüge täglich in jeder Richtung, bei starkem Verkehr zusammen bis 112 Züge in jeder Richtung.

Für die auf den Stadtgleisen verkehrenden Züge waren vorerst zumeist zweiachsige Wagen beschafft worden, die sich von anderen Wagen durch die tiefere Lage des Wagenbodens unterschieden. Diese eigenartige Anordnung wurde gewählt, um das Ein- und Aussteigen an den niedrigen Bahnsteigen zu erleichtern. Die Wagen hatten einzelne Abteile mit Seitentüren und waren mit Dampfheizung und Gasbeleuchtung versehen. Es gab nur 2 Klassen. Die Wagen II. Klasse hatten 4 Abteile mit zusammen 40 Sitzplätzen und waren in der üblichen Weise ausgestattet; die Wagen III. Klasse hatten 5 Abteile mit zusammen 50 Sitzplätzen. Die Züge verkehrten anfänglich in einer Stärke von 4 bis 6 Wagen, später wurden sie allmählich bis auf 10 Wagen gebracht. Mit der Hochlegung der Bahnsteige im Jahre 1903 mußten auch diese Wagen umgebaut werden, sie erhielten neue Untergestelle, die wie die der gewöhnlichen Wagen ausgebildet waren. Neue zweiachsige Wagen werden nicht mehr beschafft, weil der auf den Vorortlinien gebräuchliche dreiachsige Wagen zweckmäßiger ist und auch auf der Stadtbahn allgemein verwendet werden soll. Zu den Stunden des stärkeren Verkehrs führen die Züge jetzt 12 zweiachsige oder 10 dreiachsige Wagen, die zusammen etwa 500 Sitzplätze haben. In Verwendung stehen Abteilwagen, bei denen durch Ausschneiden der mittleren, bzw. der an einer Seitenwand befindlichen Sitzplätze ein Durchgang geschaffen wurde; ferner ist zu bemerken daß die Wagen eng gekuppelt sind. Zur Beförderung der Stadtbahnzüge wurden ursprünglich leichte, zweifach gekuppelte Tenderlokomotiven mit außenliegender Steuerung beschafft. Mit der zunehmenden Stärke der Züge erwiesen sich diese Lokomotiven als zu schwach, und man war genötigt, stärkere Lokomotiven einzuführen. Als Normallokomotive für die Stadt-, Ring- und Vorortzüge ist zurzeit die 3/4 gekuppelte Heißdampf-Personenzug-Tenderlokomotive in Aussicht genommen. Die Lokomotive hat ein Dienstgewicht von 61·6 bis 64·0 t.

Die Bahn, die ursprünglich nur für den Personenverkehr verwendet werden sollte, wurde später auch in geringem Umfange zur Beförderung von Gütern benutzt. Im Jahre 1885 hat man damit begonnen, Eilgut mit den Fern- und Vorortzügen durch Berlin zu führen, ferner werden seit der Erbauung der städtischen Zentralmarkthalle am Bahnhof Alexanderplatz (1886) besondere Züge mit Markthallengütern zwischen dem Schlesischen Bahnhof und dem Bahnhof Alexanderplatz gefahren.

Im Verkehr der Stadtbahn finden die auch sonst gebräuchlichen Fahrkarten nach Edmonsonscher Art Verwendung. Zur Ausgabe gelangen einfache Fahrkarten und Monatskarten II. und III. Klasse (für Kinder besondere), Arbeiterwochenkarten und Schülerkarten.

Die Preise der einfachen Fahrkarten betrugen anfänglich je nach der Zahl der zurückgelegten Stationen für die III. Klasse 10-40 Pf., für die II. Klasse 20-50 Pf., bei Abrundung auf Zehnpfennigstufen. Im Laufe der Zeit wurden die Preise der Einzelkarten ebenso wie die der Monats- und Arbeiterkarten mehrfach herabgesetzt. Die letzten einschneidenden Tarifänderungen fanden ihren Abschluß im Jahre 1894. Hiernach werden im Stadtringverkehr für jede Klasse, abgesehen von Kinderkarten, nur noch zwei Arten einfache Karten ausgegeben. In der III. Klasse kostet eine Fahrt bis zur fünften Station 10 Pf., nach einer entfernter liegenden beliebigen Station 20 Pf. Die gleichartigen Karten kosten für die II. Klasse 15 und 30 Pf. Monatskarten werden gleichfalls nur für zwei Zonen ausgegeben, sie kosten einschließlich Steuer in der III. Klasse 3·10 und 4·60 M., in der II. Klasse 4·70 und 7·40 M. Die Preise der Arbeiterwochenkarten sind auch herabgesetzt worden.

Infolge dieser Tarifmaßnahmen ist der Verkehr stark gewachsen. Für die Stadtbahnstrecke allein läßt sich die Zahl der beförderten Reisenden sehr schwer ermitteln, weil jede verkaufte Fahrkarte sowohl auf der Stadtbahn als auch auf der Ringbahn und vielfach auch noch für bestimmte Vorortstrecken Gültigkeit hat. Im Jahre 1895 wurden rund 75 Millionen,

von der Stadtbahn nach ihren alten Endbahnhöfen zurückverlegt und eine Anzahl Vorortzüge den Stadtgleisen zugewiesen. Mit Ausnahme weniger Luxuszüge enden und beginnen sämtliche Fernzüge auf den Endbahnhöfen der Stadtbahn, u. zw. die Fernzüge der östlichen Bahnen auf Bahnhof Charlottenburg, die der westlichen Bahnen auf dem schlesischen Bahnhof. Die Leitung der Fernzüge über die Stadtbahn hat den Vorteil, daß die Reise von verschiedenen Punkten der Stadt aus unmittelbar angetreten und ebenso von auswärts dorthin unternommen werden kann, sie hat aber auch den Nachteil, daß die Fahrzeit durch das mehrfache Anhalten der Züge verlängert wird.

Im Jahre 1910 verkehrten auf den Ferngleisen der Stadtbahn im regelmäßigen Verkehr etwa 60 Fernzüge und 23 Vorortzüge täglich in jeder Richtung, bei starkem Verkehr zusammen bis 112 Züge in jeder Richtung.

Für die auf den Stadtgleisen verkehrenden Züge waren vorerst zumeist zweiachsige Wagen beschafft worden, die sich von anderen Wagen durch die tiefere Lage des Wagenbodens unterschieden. Diese eigenartige Anordnung wurde gewählt, um das Ein- und Aussteigen an den niedrigen Bahnsteigen zu erleichtern. Die Wagen hatten einzelne Abteile mit Seitentüren und waren mit Dampfheizung und Gasbeleuchtung versehen. Es gab nur 2 Klassen. Die Wagen II. Klasse hatten 4 Abteile mit zusammen 40 Sitzplätzen und waren in der üblichen Weise ausgestattet; die Wagen III. Klasse hatten 5 Abteile mit zusammen 50 Sitzplätzen. Die Züge verkehrten anfänglich in einer Stärke von 4 bis 6 Wagen, später wurden sie allmählich bis auf 10 Wagen gebracht. Mit der Hochlegung der Bahnsteige im Jahre 1903 mußten auch diese Wagen umgebaut werden, sie erhielten neue Untergestelle, die wie die der gewöhnlichen Wagen ausgebildet waren. Neue zweiachsige Wagen werden nicht mehr beschafft, weil der auf den Vorortlinien gebräuchliche dreiachsige Wagen zweckmäßiger ist und auch auf der Stadtbahn allgemein verwendet werden soll. Zu den Stunden des stärkeren Verkehrs führen die Züge jetzt 12 zweiachsige oder 10 dreiachsige Wagen, die zusammen etwa 500 Sitzplätze haben. In Verwendung stehen Abteilwagen, bei denen durch Ausschneiden der mittleren, bzw. der an einer Seitenwand befindlichen Sitzplätze ein Durchgang geschaffen wurde; ferner ist zu bemerken daß die Wagen eng gekuppelt sind. Zur Beförderung der Stadtbahnzüge wurden ursprünglich leichte, zweifach gekuppelte Tenderlokomotiven mit außenliegender Steuerung beschafft. Mit der zunehmenden Stärke der Züge erwiesen sich diese Lokomotiven als zu schwach, und man war genötigt, stärkere Lokomotiven einzuführen. Als Normallokomotive für die Stadt-, Ring- und Vorortzüge ist zurzeit die 3/4 gekuppelte Heißdampf-Personenzug-Tenderlokomotive in Aussicht genommen. Die Lokomotive hat ein Dienstgewicht von 61·6 bis 64·0 t.

Die Bahn, die ursprünglich nur für den Personenverkehr verwendet werden sollte, wurde später auch in geringem Umfange zur Beförderung von Gütern benutzt. Im Jahre 1885 hat man damit begonnen, Eilgut mit den Fern- und Vorortzügen durch Berlin zu führen, ferner werden seit der Erbauung der städtischen Zentralmarkthalle am Bahnhof Alexanderplatz (1886) besondere Züge mit Markthallengütern zwischen dem Schlesischen Bahnhof und dem Bahnhof Alexanderplatz gefahren.

Im Verkehr der Stadtbahn finden die auch sonst gebräuchlichen Fahrkarten nach Edmonsonscher Art Verwendung. Zur Ausgabe gelangen einfache Fahrkarten und Monatskarten II. und III. Klasse (für Kinder besondere), Arbeiterwochenkarten und Schülerkarten.

Die Preise der einfachen Fahrkarten betrugen anfänglich je nach der Zahl der zurückgelegten Stationen für die III. Klasse 10–40 Pf., für die II. Klasse 20–50 Pf., bei Abrundung auf Zehnpfennigstufen. Im Laufe der Zeit wurden die Preise der Einzelkarten ebenso wie die der Monats- und Arbeiterkarten mehrfach herabgesetzt. Die letzten einschneidenden Tarifänderungen fanden ihren Abschluß im Jahre 1894. Hiernach werden im Stadtringverkehr für jede Klasse, abgesehen von Kinderkarten, nur noch zwei Arten einfache Karten ausgegeben. In der III. Klasse kostet eine Fahrt bis zur fünften Station 10 Pf., nach einer entfernter liegenden beliebigen Station 20 Pf. Die gleichartigen Karten kosten für die II. Klasse 15 und 30 Pf. Monatskarten werden gleichfalls nur für zwei Zonen ausgegeben, sie kosten einschließlich Steuer in der III. Klasse 3·10 und 4·60 M., in der II. Klasse 4·70 und 7·40 M. Die Preise der Arbeiterwochenkarten sind auch herabgesetzt worden.

Infolge dieser Tarifmaßnahmen ist der Verkehr stark gewachsen. Für die Stadtbahnstrecke allein läßt sich die Zahl der beförderten Reisenden sehr schwer ermitteln, weil jede verkaufte Fahrkarte sowohl auf der Stadtbahn als auch auf der Ringbahn und vielfach auch noch für bestimmte Vorortstrecken Gültigkeit hat. Im Jahre 1895 wurden rund 75 Millionen,

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von der Stadtbahn nach ihren alten Endbahnhöfen zurückverlegt und eine Anzahl Vorortzüge den Stadtgleisen zugewiesen. Mit Ausnahme weniger Luxuszüge enden und beginnen sämtliche Fernzüge auf den Endbahnhöfen der Stadtbahn, u. zw. die Fernzüge der östlichen Bahnen auf Bahnhof Charlottenburg, die der westlichen Bahnen auf dem schlesischen Bahnhof. Die Leitung der Fernzüge über die Stadtbahn hat den Vorteil, daß die Reise von verschiedenen Punkten der Stadt aus unmittelbar angetreten und ebenso von auswärts dorthin unternommen werden kann, sie hat aber auch den Nachteil, daß die Fahrzeit durch das mehrfache Anhalten der Züge verlängert wird.</p><lb/>
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[249/0259] von der Stadtbahn nach ihren alten Endbahnhöfen zurückverlegt und eine Anzahl Vorortzüge den Stadtgleisen zugewiesen. Mit Ausnahme weniger Luxuszüge enden und beginnen sämtliche Fernzüge auf den Endbahnhöfen der Stadtbahn, u. zw. die Fernzüge der östlichen Bahnen auf Bahnhof Charlottenburg, die der westlichen Bahnen auf dem schlesischen Bahnhof. Die Leitung der Fernzüge über die Stadtbahn hat den Vorteil, daß die Reise von verschiedenen Punkten der Stadt aus unmittelbar angetreten und ebenso von auswärts dorthin unternommen werden kann, sie hat aber auch den Nachteil, daß die Fahrzeit durch das mehrfache Anhalten der Züge verlängert wird. Im Jahre 1910 verkehrten auf den Ferngleisen der Stadtbahn im regelmäßigen Verkehr etwa 60 Fernzüge und 23 Vorortzüge täglich in jeder Richtung, bei starkem Verkehr zusammen bis 112 Züge in jeder Richtung. Für die auf den Stadtgleisen verkehrenden Züge waren vorerst zumeist zweiachsige Wagen beschafft worden, die sich von anderen Wagen durch die tiefere Lage des Wagenbodens unterschieden. Diese eigenartige Anordnung wurde gewählt, um das Ein- und Aussteigen an den niedrigen Bahnsteigen zu erleichtern. Die Wagen hatten einzelne Abteile mit Seitentüren und waren mit Dampfheizung und Gasbeleuchtung versehen. Es gab nur 2 Klassen. Die Wagen II. Klasse hatten 4 Abteile mit zusammen 40 Sitzplätzen und waren in der üblichen Weise ausgestattet; die Wagen III. Klasse hatten 5 Abteile mit zusammen 50 Sitzplätzen. Die Züge verkehrten anfänglich in einer Stärke von 4 bis 6 Wagen, später wurden sie allmählich bis auf 10 Wagen gebracht. Mit der Hochlegung der Bahnsteige im Jahre 1903 mußten auch diese Wagen umgebaut werden, sie erhielten neue Untergestelle, die wie die der gewöhnlichen Wagen ausgebildet waren. Neue zweiachsige Wagen werden nicht mehr beschafft, weil der auf den Vorortlinien gebräuchliche dreiachsige Wagen zweckmäßiger ist und auch auf der Stadtbahn allgemein verwendet werden soll. Zu den Stunden des stärkeren Verkehrs führen die Züge jetzt 12 zweiachsige oder 10 dreiachsige Wagen, die zusammen etwa 500 Sitzplätze haben. In Verwendung stehen Abteilwagen, bei denen durch Ausschneiden der mittleren, bzw. der an einer Seitenwand befindlichen Sitzplätze ein Durchgang geschaffen wurde; ferner ist zu bemerken daß die Wagen eng gekuppelt sind. Zur Beförderung der Stadtbahnzüge wurden ursprünglich leichte, zweifach gekuppelte Tenderlokomotiven mit außenliegender Steuerung beschafft. Mit der zunehmenden Stärke der Züge erwiesen sich diese Lokomotiven als zu schwach, und man war genötigt, stärkere Lokomotiven einzuführen. Als Normallokomotive für die Stadt-, Ring- und Vorortzüge ist zurzeit die 3/4 gekuppelte Heißdampf-Personenzug-Tenderlokomotive in Aussicht genommen. Die Lokomotive hat ein Dienstgewicht von 61·6 bis 64·0 t. Die Bahn, die ursprünglich nur für den Personenverkehr verwendet werden sollte, wurde später auch in geringem Umfange zur Beförderung von Gütern benutzt. Im Jahre 1885 hat man damit begonnen, Eilgut mit den Fern- und Vorortzügen durch Berlin zu führen, ferner werden seit der Erbauung der städtischen Zentralmarkthalle am Bahnhof Alexanderplatz (1886) besondere Züge mit Markthallengütern zwischen dem Schlesischen Bahnhof und dem Bahnhof Alexanderplatz gefahren. Im Verkehr der Stadtbahn finden die auch sonst gebräuchlichen Fahrkarten nach Edmonsonscher Art Verwendung. Zur Ausgabe gelangen einfache Fahrkarten und Monatskarten II. und III. Klasse (für Kinder besondere), Arbeiterwochenkarten und Schülerkarten. Die Preise der einfachen Fahrkarten betrugen anfänglich je nach der Zahl der zurückgelegten Stationen für die III. Klasse 10–40 Pf., für die II. Klasse 20–50 Pf., bei Abrundung auf Zehnpfennigstufen. Im Laufe der Zeit wurden die Preise der Einzelkarten ebenso wie die der Monats- und Arbeiterkarten mehrfach herabgesetzt. Die letzten einschneidenden Tarifänderungen fanden ihren Abschluß im Jahre 1894. Hiernach werden im Stadtringverkehr für jede Klasse, abgesehen von Kinderkarten, nur noch zwei Arten einfache Karten ausgegeben. In der III. Klasse kostet eine Fahrt bis zur fünften Station 10 Pf., nach einer entfernter liegenden beliebigen Station 20 Pf. Die gleichartigen Karten kosten für die II. Klasse 15 und 30 Pf. Monatskarten werden gleichfalls nur für zwei Zonen ausgegeben, sie kosten einschließlich Steuer in der III. Klasse 3·10 und 4·60 M., in der II. Klasse 4·70 und 7·40 M. Die Preise der Arbeiterwochenkarten sind auch herabgesetzt worden. Infolge dieser Tarifmaßnahmen ist der Verkehr stark gewachsen. Für die Stadtbahnstrecke allein läßt sich die Zahl der beförderten Reisenden sehr schwer ermitteln, weil jede verkaufte Fahrkarte sowohl auf der Stadtbahn als auch auf der Ringbahn und vielfach auch noch für bestimmte Vorortstrecken Gültigkeit hat. Im Jahre 1895 wurden rund 75 Millionen,

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen02_1912/259>, abgerufen am 16.07.2024.