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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912.

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Maßstab für die erfolgte Leistung liegt und eine Nachprüfung der fertigen Arbeit möglich ist, sind die Voraussetzungen zur Bezahlung nach der Leistung gegeben. Der Stück- oder Werklohn entstammt der Hausindustrie und der Bergarbeit. Im 19. Jahrhundert gewann er in der Großindustrie immer mehr Ausdehnung und herrscht in dieser gegenwärtig derart vor, daß nach Dr. E. Schwiedland in der Großindustrie jetzt 90% aller Arbeiten gegen Werklohn, nur 10% gegen Zeitlohn verrichtet werden.

Der Ermittlung des Stücklohnes liegt der durchschnittliche Satz des Zeitlohnes und die mittlere Zeitdauer, die ein Arbeiter mittlerer Leistungsfähigkeit bei mittlerem Fleiße für die Einzelleistung benötigt, zu grunde. Nötigenfalls wird zur Ermittlung des Stücklohnes eine Probearbeit vorgenommen. Der Vorteil für den fähigeren oder fleißigeren Arbeiter liegt darin, daß er in gleicher Zeit mehr Arbeitsstücke (Raum-, Gewichtseinheiten) fertigstellt und daher mehr verdient als der mindere Arbeiter. Eine Änderung der Stücklöhne hat nur dann zu erfolgen, wenn sich die Grundlagen der Preisermittlung wesentlich verschoben haben; so sollte beispielsweise eine Herabsetzung der Stücklöhne eintreten, wenn verbesserte Arbeitseinrichtungen (Werkzeuge, Arbeitsmaschinen) die Arbeit erleichtern oder beschleunigen; anderseits wird eine Erhöhung der ortsüblichen Zeitlöhne die Stücklöhne steigern.

Handelt es sich um Arbeiten, die ein einzelner Arbeiter allein besorgt, so spricht man von Einzelakkord. Bei größeren Arbeiten, die von einem Arbeiter nicht fertiggestellt werden können, sondern mehreren Arbeitern zu gemeinsamer Ausführung überwiesen werden müssen, liegt ein sogenannter Gruppenakkord vor. Der hierbei verdiente Betrag wird unter die einzelnen Arbeiter der Gruppe im Verhältnisse der Zeitlöhne der beteiligten Arbeiter verteilt. Die Leistungen jedes einzelnen werden am gerechtesten bezahlt, wenn zu einer Gruppe nur Arbeiter gleicher Leistungsfähigkeit vereint werden.

Die Beschleunigung der Arbeit sowie die daraus sich ergebende bessere Ausnützung der vorhandenen Anlagen und verhältnismäßige Verringerung der Regiekosten ist wohl der wichtigste Beweggrund für die Einführung des Stück- oder Werklohnes, wodurch oft die erzeugte Menge in der gegebenen Zeit verdoppelt wurde. Durch die Schnelligkeit der Arbeit wird aber ihre Güte gefährdet, weshalb Stück- oder Werklöhnung gemieden wird, wo es auf besondere, tadellose Leistung ankommt. In der Schwierigkeit einer gerechten Festsetzung der Stücklohnpreise, die vom Unternehmer häufig derart gedrückt wurden, daß der Arbeiter um die Prämie für besonderen Fleiß geprellt wurde, sieht Schmoller die Hauptursache, daß selbst sehr hochstehende Arbeiter den Stücklohn grundsätzlich und dauernd oder doch zeitweise bekämpft haben, wobei weiters behauptet wurde, daß der Stücklohn zu einer mißbräuchlichen Verbilligung der Arbeit führe, die Arbeitszeit verlängere, die Arbeit gefährlicher mache, die Zahl der Beschäftigungslosen vermehre, den geringeren Arbeitern die Arbeitsgelegenheit nehme, große Unterschiede im Verdienste der Arbeiter schaffe, daß er überhaupt die besondere Form der kapitalistischen Erzeugung sei. Trotzdem gibt auch Marx zu, daß der Stücklohn die Individualität, das Freiheitsgefühl, die Selbständigkeit und Selbstkontrolle der Arbeiter entwickle. Der Kampf der höherstehenden Arbeiter gegen eine gerecht gehandhabte Stücklohnverrechnung hat in den letzten Jahrzehnten sehr nachgelassen. Schloß vergleicht die Forderung einer allgemeinen Beseitigung der Stücklöhne mit der einer Aufhebung der Maschinenarbeit. Wörishoffer betont, daß der unbefangene deutsche Arbeiter überwiegend den höheren Verdienst des fleißigeren, begabteren und geschickteren Arbeiters als richtig und gerecht empfinde. Indem die Stücklöhnung die Leistung erhöht, erzieht sie zur wirksamen Arbeit und zur zweckmäßigen Ausgestaltung der Arbeitsweise des einzelnen Mannes. Schmoller sieht den Hauptwert des Stücklohnwesens darin, daß es teils durch Erziehung, teils durch Auslese wesentlich den neueren rührigen flinken Arbeiterschlag geschaffen hat, daß es im ganzen die Löhne und die Lebenshaltung gehoben hat, wenn es auch oft in mißbräuchlicher Anwendung zu ungesundem Oberarbeiten und zu Lohndruck geführt hat. Ein Mittel, den Nachteilen der Stücklöhnung vorzubeugen, sieht Schwiedland in der Verkürzung der Arbeitsdauer in dem Maße, als die Arbeitstunden wirksamer ausgenutzt werden, also einer Kürzung der Arbeitszeit. Auch können die Lohnsätze durch Verabredung der Arbeiter mit den Arbeitgebern in allen Betrieben derart bemessen werden, daß der Arbeiter auch bei halbwegs ruhiger Arbeit bestehen könne (Tarifvertrag). Anderseits glaubt man, dem Familienleben und der Gesundheit des Arbeiters mit Einführung des freien Sonnabend-Nachmittag einen größeren Nutzen zu erweisen, als mit der Kürzung der täglichen Arbeitszeit, und empfiehlt: angestrengte Arbeit, gründliche Erholung.

Die Ermittlung der Verdienstbeträge ist weder im Stücklohn noch im Zeitlohn in jeder Beziehung einwandfrei. In den letzten Jahren wurden daher verschiedene Prämienlohnsysteme

Maßstab für die erfolgte Leistung liegt und eine Nachprüfung der fertigen Arbeit möglich ist, sind die Voraussetzungen zur Bezahlung nach der Leistung gegeben. Der Stück- oder Werklohn entstammt der Hausindustrie und der Bergarbeit. Im 19. Jahrhundert gewann er in der Großindustrie immer mehr Ausdehnung und herrscht in dieser gegenwärtig derart vor, daß nach Dr. E. Schwiedland in der Großindustrie jetzt 90% aller Arbeiten gegen Werklohn, nur 10% gegen Zeitlohn verrichtet werden.

Der Ermittlung des Stücklohnes liegt der durchschnittliche Satz des Zeitlohnes und die mittlere Zeitdauer, die ein Arbeiter mittlerer Leistungsfähigkeit bei mittlerem Fleiße für die Einzelleistung benötigt, zu grunde. Nötigenfalls wird zur Ermittlung des Stücklohnes eine Probearbeit vorgenommen. Der Vorteil für den fähigeren oder fleißigeren Arbeiter liegt darin, daß er in gleicher Zeit mehr Arbeitsstücke (Raum-, Gewichtseinheiten) fertigstellt und daher mehr verdient als der mindere Arbeiter. Eine Änderung der Stücklöhne hat nur dann zu erfolgen, wenn sich die Grundlagen der Preisermittlung wesentlich verschoben haben; so sollte beispielsweise eine Herabsetzung der Stücklöhne eintreten, wenn verbesserte Arbeitseinrichtungen (Werkzeuge, Arbeitsmaschinen) die Arbeit erleichtern oder beschleunigen; anderseits wird eine Erhöhung der ortsüblichen Zeitlöhne die Stücklöhne steigern.

Handelt es sich um Arbeiten, die ein einzelner Arbeiter allein besorgt, so spricht man von Einzelakkord. Bei größeren Arbeiten, die von einem Arbeiter nicht fertiggestellt werden können, sondern mehreren Arbeitern zu gemeinsamer Ausführung überwiesen werden müssen, liegt ein sogenannter Gruppenakkord vor. Der hierbei verdiente Betrag wird unter die einzelnen Arbeiter der Gruppe im Verhältnisse der Zeitlöhne der beteiligten Arbeiter verteilt. Die Leistungen jedes einzelnen werden am gerechtesten bezahlt, wenn zu einer Gruppe nur Arbeiter gleicher Leistungsfähigkeit vereint werden.

Die Beschleunigung der Arbeit sowie die daraus sich ergebende bessere Ausnützung der vorhandenen Anlagen und verhältnismäßige Verringerung der Regiekosten ist wohl der wichtigste Beweggrund für die Einführung des Stück- oder Werklohnes, wodurch oft die erzeugte Menge in der gegebenen Zeit verdoppelt wurde. Durch die Schnelligkeit der Arbeit wird aber ihre Güte gefährdet, weshalb Stück- oder Werklöhnung gemieden wird, wo es auf besondere, tadellose Leistung ankommt. In der Schwierigkeit einer gerechten Festsetzung der Stücklohnpreise, die vom Unternehmer häufig derart gedrückt wurden, daß der Arbeiter um die Prämie für besonderen Fleiß geprellt wurde, sieht Schmoller die Hauptursache, daß selbst sehr hochstehende Arbeiter den Stücklohn grundsätzlich und dauernd oder doch zeitweise bekämpft haben, wobei weiters behauptet wurde, daß der Stücklohn zu einer mißbräuchlichen Verbilligung der Arbeit führe, die Arbeitszeit verlängere, die Arbeit gefährlicher mache, die Zahl der Beschäftigungslosen vermehre, den geringeren Arbeitern die Arbeitsgelegenheit nehme, große Unterschiede im Verdienste der Arbeiter schaffe, daß er überhaupt die besondere Form der kapitalistischen Erzeugung sei. Trotzdem gibt auch Marx zu, daß der Stücklohn die Individualität, das Freiheitsgefühl, die Selbständigkeit und Selbstkontrolle der Arbeiter entwickle. Der Kampf der höherstehenden Arbeiter gegen eine gerecht gehandhabte Stücklohnverrechnung hat in den letzten Jahrzehnten sehr nachgelassen. Schloß vergleicht die Forderung einer allgemeinen Beseitigung der Stücklöhne mit der einer Aufhebung der Maschinenarbeit. Wörishoffer betont, daß der unbefangene deutsche Arbeiter überwiegend den höheren Verdienst des fleißigeren, begabteren und geschickteren Arbeiters als richtig und gerecht empfinde. Indem die Stücklöhnung die Leistung erhöht, erzieht sie zur wirksamen Arbeit und zur zweckmäßigen Ausgestaltung der Arbeitsweise des einzelnen Mannes. Schmoller sieht den Hauptwert des Stücklohnwesens darin, daß es teils durch Erziehung, teils durch Auslese wesentlich den neueren rührigen flinken Arbeiterschlag geschaffen hat, daß es im ganzen die Löhne und die Lebenshaltung gehoben hat, wenn es auch oft in mißbräuchlicher Anwendung zu ungesundem Oberarbeiten und zu Lohndruck geführt hat. Ein Mittel, den Nachteilen der Stücklöhnung vorzubeugen, sieht Schwiedland in der Verkürzung der Arbeitsdauer in dem Maße, als die Arbeitstunden wirksamer ausgenutzt werden, also einer Kürzung der Arbeitszeit. Auch können die Lohnsätze durch Verabredung der Arbeiter mit den Arbeitgebern in allen Betrieben derart bemessen werden, daß der Arbeiter auch bei halbwegs ruhiger Arbeit bestehen könne (Tarifvertrag). Anderseits glaubt man, dem Familienleben und der Gesundheit des Arbeiters mit Einführung des freien Sonnabend-Nachmittag einen größeren Nutzen zu erweisen, als mit der Kürzung der täglichen Arbeitszeit, und empfiehlt: angestrengte Arbeit, gründliche Erholung.

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[113/0121] Maßstab für die erfolgte Leistung liegt und eine Nachprüfung der fertigen Arbeit möglich ist, sind die Voraussetzungen zur Bezahlung nach der Leistung gegeben. Der Stück- oder Werklohn entstammt der Hausindustrie und der Bergarbeit. Im 19. Jahrhundert gewann er in der Großindustrie immer mehr Ausdehnung und herrscht in dieser gegenwärtig derart vor, daß nach Dr. E. Schwiedland in der Großindustrie jetzt 90% aller Arbeiten gegen Werklohn, nur 10% gegen Zeitlohn verrichtet werden. Der Ermittlung des Stücklohnes liegt der durchschnittliche Satz des Zeitlohnes und die mittlere Zeitdauer, die ein Arbeiter mittlerer Leistungsfähigkeit bei mittlerem Fleiße für die Einzelleistung benötigt, zu grunde. Nötigenfalls wird zur Ermittlung des Stücklohnes eine Probearbeit vorgenommen. Der Vorteil für den fähigeren oder fleißigeren Arbeiter liegt darin, daß er in gleicher Zeit mehr Arbeitsstücke (Raum-, Gewichtseinheiten) fertigstellt und daher mehr verdient als der mindere Arbeiter. 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Die Beschleunigung der Arbeit sowie die daraus sich ergebende bessere Ausnützung der vorhandenen Anlagen und verhältnismäßige Verringerung der Regiekosten ist wohl der wichtigste Beweggrund für die Einführung des Stück- oder Werklohnes, wodurch oft die erzeugte Menge in der gegebenen Zeit verdoppelt wurde. Durch die Schnelligkeit der Arbeit wird aber ihre Güte gefährdet, weshalb Stück- oder Werklöhnung gemieden wird, wo es auf besondere, tadellose Leistung ankommt. In der Schwierigkeit einer gerechten Festsetzung der Stücklohnpreise, die vom Unternehmer häufig derart gedrückt wurden, daß der Arbeiter um die Prämie für besonderen Fleiß geprellt wurde, sieht Schmoller die Hauptursache, daß selbst sehr hochstehende Arbeiter den Stücklohn grundsätzlich und dauernd oder doch zeitweise bekämpft haben, wobei weiters behauptet wurde, daß der Stücklohn zu einer mißbräuchlichen Verbilligung der Arbeit führe, die Arbeitszeit verlängere, die Arbeit gefährlicher mache, die Zahl der Beschäftigungslosen vermehre, den geringeren Arbeitern die Arbeitsgelegenheit nehme, große Unterschiede im Verdienste der Arbeiter schaffe, daß er überhaupt die besondere Form der kapitalistischen Erzeugung sei. Trotzdem gibt auch Marx zu, daß der Stücklohn die Individualität, das Freiheitsgefühl, die Selbständigkeit und Selbstkontrolle der Arbeiter entwickle. Der Kampf der höherstehenden Arbeiter gegen eine gerecht gehandhabte Stücklohnverrechnung hat in den letzten Jahrzehnten sehr nachgelassen. Schloß vergleicht die Forderung einer allgemeinen Beseitigung der Stücklöhne mit der einer Aufhebung der Maschinenarbeit. Wörishoffer betont, daß der unbefangene deutsche Arbeiter überwiegend den höheren Verdienst des fleißigeren, begabteren und geschickteren Arbeiters als richtig und gerecht empfinde. Indem die Stücklöhnung die Leistung erhöht, erzieht sie zur wirksamen Arbeit und zur zweckmäßigen Ausgestaltung der Arbeitsweise des einzelnen Mannes. Schmoller sieht den Hauptwert des Stücklohnwesens darin, daß es teils durch Erziehung, teils durch Auslese wesentlich den neueren rührigen flinken Arbeiterschlag geschaffen hat, daß es im ganzen die Löhne und die Lebenshaltung gehoben hat, wenn es auch oft in mißbräuchlicher Anwendung zu ungesundem Oberarbeiten und zu Lohndruck geführt hat. Ein Mittel, den Nachteilen der Stücklöhnung vorzubeugen, sieht Schwiedland in der Verkürzung der Arbeitsdauer in dem Maße, als die Arbeitstunden wirksamer ausgenutzt werden, also einer Kürzung der Arbeitszeit. Auch können die Lohnsätze durch Verabredung der Arbeiter mit den Arbeitgebern in allen Betrieben derart bemessen werden, daß der Arbeiter auch bei halbwegs ruhiger Arbeit bestehen könne (Tarifvertrag). Anderseits glaubt man, dem Familienleben und der Gesundheit des Arbeiters mit Einführung des freien Sonnabend-Nachmittag einen größeren Nutzen zu erweisen, als mit der Kürzung der täglichen Arbeitszeit, und empfiehlt: angestrengte Arbeit, gründliche Erholung. Die Ermittlung der Verdienstbeträge ist weder im Stücklohn noch im Zeitlohn in jeder Beziehung einwandfrei. In den letzten Jahren wurden daher verschiedene Prämienlohnsysteme

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen01_1912/121>, abgerufen am 22.11.2024.