Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

fahr, zu reden, sondern gebot ihm, dort 3
Stunden stille zu stehen.

Indeß der Bauer stille stand, so gieng
der Bergmann, mit dem Gelde, über die
Gränze und davon. Am Morgen kam der
Bauer, der lange gefroren und gewartet
hatte, zu Hause, und wem er sein Unglück
erzählte, der lachte ihn aus. --

Seht, Kinder! dieser Hans traute seinem
eignen Vater nicht zu, daß er sein Bestes
suchte, wie er ihm die Arbeit empfohl, und
war ungläubig. Hernach aber, war er doch
so leichtgläubig, daß ihn ein unbekannter
Mensch betrügen und um das Seinige brin-
gen konnte. Also leichtgläubig seyn, heißt
solchen Zeugnißen trauen, die keinen Glau-
ben verdienen.

Abergläubisch ist man, wenn man Wirkun-
gen erwartet, zu denen die Ursachen fehlen.

Lieben Kinder! es giebt falsche Menschen
in der Welt, die sich gewißer Künste rüh-
men, die sie sehr geheim halten. Bald wol-
len sie machen, daß das Fieber ausbleibt;
bald, daß der Dieb das Gestohlne selber
wiederbringen muß; daß die Kühe keine
Milch geben; daß jemand, der ihnen was
zu Leide gethan hat, mit einemmal krumm

und
C

fahr, zu reden, ſondern gebot ihm, dort 3
Stunden ſtille zu ſtehen.

Indeß der Bauer ſtille ſtand, ſo gieng
der Bergmann, mit dem Gelde, uͤber die
Graͤnze und davon. Am Morgen kam der
Bauer, der lange gefroren und gewartet
hatte, zu Hauſe, und wem er ſein Ungluͤck
erzaͤhlte, der lachte ihn aus. —

Seht, Kinder! dieſer Hans traute ſeinem
eignen Vater nicht zu, daß er ſein Beſtes
ſuchte, wie er ihm die Arbeit empfohl, und
war unglaͤubig. Hernach aber, war er doch
ſo leichtglaͤubig, daß ihn ein unbekannter
Menſch betruͤgen und um das Seinige brin-
gen konnte. Alſo leichtglaͤubig ſeyn, heißt
ſolchen Zeugnißen trauen, die keinen Glau-
ben verdienen.

Aberglaͤubiſch iſt man, wenn man Wirkun-
gen erwartet, zu denen die Urſachen fehlen.

Lieben Kinder! es giebt falſche Menſchen
in der Welt, die ſich gewißer Kuͤnſte ruͤh-
men, die ſie ſehr geheim halten. Bald wol-
len ſie machen, daß das Fieber ausbleibt;
bald, daß der Dieb das Geſtohlne ſelber
wiederbringen muß; daß die Kuͤhe keine
Milch geben; daß jemand, der ihnen was
zu Leide gethan hat, mit einemmal krumm

und
C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0055" n="33"/>
fahr, zu reden, &#x017F;ondern gebot ihm, dort 3<lb/>
Stunden &#x017F;tille zu &#x017F;tehen.</p><lb/>
          <p>Indeß der Bauer &#x017F;tille &#x017F;tand, &#x017F;o gieng<lb/>
der Bergmann, mit dem Gelde, u&#x0364;ber die<lb/>
Gra&#x0364;nze und davon. Am Morgen kam der<lb/>
Bauer, der lange gefroren und gewartet<lb/>
hatte, zu Hau&#x017F;e, und wem er &#x017F;ein Unglu&#x0364;ck<lb/>
erza&#x0364;hlte, der lachte ihn aus. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Seht, Kinder! die&#x017F;er Hans traute &#x017F;einem<lb/>
eignen Vater nicht zu, daß er &#x017F;ein Be&#x017F;tes<lb/>
&#x017F;uchte, wie er ihm die Arbeit empfohl, und<lb/>
war ungla&#x0364;ubig. Hernach aber, war er doch<lb/>
&#x017F;o leichtgla&#x0364;ubig, daß ihn ein unbekannter<lb/>
Men&#x017F;ch betru&#x0364;gen und um das Seinige brin-<lb/>
gen konnte. Al&#x017F;o leichtgla&#x0364;ubig &#x017F;eyn, heißt<lb/>
&#x017F;olchen Zeugnißen trauen, die keinen Glau-<lb/>
ben verdienen.</p><lb/>
          <p>Abergla&#x0364;ubi&#x017F;ch i&#x017F;t man, wenn man Wirkun-<lb/>
gen erwartet, zu denen die Ur&#x017F;achen fehlen.</p><lb/>
          <p>Lieben Kinder! es giebt fal&#x017F;che Men&#x017F;chen<lb/>
in der Welt, die &#x017F;ich gewißer Ku&#x0364;n&#x017F;te ru&#x0364;h-<lb/>
men, die &#x017F;ie &#x017F;ehr geheim halten. Bald wol-<lb/>
len &#x017F;ie machen, daß das Fieber ausbleibt;<lb/>
bald, daß der Dieb das Ge&#x017F;tohlne &#x017F;elber<lb/>
wiederbringen muß; daß die Ku&#x0364;he keine<lb/>
Milch geben; daß jemand, der ihnen was<lb/>
zu Leide gethan hat, mit einemmal krumm<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0055] fahr, zu reden, ſondern gebot ihm, dort 3 Stunden ſtille zu ſtehen. Indeß der Bauer ſtille ſtand, ſo gieng der Bergmann, mit dem Gelde, uͤber die Graͤnze und davon. Am Morgen kam der Bauer, der lange gefroren und gewartet hatte, zu Hauſe, und wem er ſein Ungluͤck erzaͤhlte, der lachte ihn aus. — Seht, Kinder! dieſer Hans traute ſeinem eignen Vater nicht zu, daß er ſein Beſtes ſuchte, wie er ihm die Arbeit empfohl, und war unglaͤubig. Hernach aber, war er doch ſo leichtglaͤubig, daß ihn ein unbekannter Menſch betruͤgen und um das Seinige brin- gen konnte. Alſo leichtglaͤubig ſeyn, heißt ſolchen Zeugnißen trauen, die keinen Glau- ben verdienen. Aberglaͤubiſch iſt man, wenn man Wirkun- gen erwartet, zu denen die Urſachen fehlen. Lieben Kinder! es giebt falſche Menſchen in der Welt, die ſich gewißer Kuͤnſte ruͤh- men, die ſie ſehr geheim halten. Bald wol- len ſie machen, daß das Fieber ausbleibt; bald, daß der Dieb das Geſtohlne ſelber wiederbringen muß; daß die Kuͤhe keine Milch geben; daß jemand, der ihnen was zu Leide gethan hat, mit einemmal krumm und C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rochow_versuch_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rochow_versuch_1772/55
Zitationshilfe: [Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rochow_versuch_1772/55>, abgerufen am 05.12.2024.