[Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772.Zeit, zur Erlangung mehrerer Gewißheit sich Seht diesen Stock, in dem Glase mit Du irrst, mein Sohn: Er ist nicht krumm, Wenn die Luft absteht, dünken dir die Und wenn du krank werden willst, so Wenn ihr euch beschädigt habt, so glaubt Seht hieraus, lieben Kinder, die Sinnen Ihr würdet also Zeitlebens in Gefahr ge- der
Zeit, zur Erlangung mehrerer Gewißheit ſich Seht dieſen Stock, in dem Glaſe mit Du irrſt, mein Sohn: Er iſt nicht krumm, Wenn die Luft abſteht, duͤnken dir die Und wenn du krank werden willſt, ſo Wenn ihr euch beſchaͤdigt habt, ſo glaubt Seht hieraus, lieben Kinder, die Sinnen Ihr wuͤrdet alſo Zeitlebens in Gefahr ge- der
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0131" n="109"/> Zeit, zur Erlangung mehrerer Gewißheit ſich<lb/> findet. In der Ferne ſcheint alles kleiner,<lb/> als es wirklich iſt. Wenn es neblicht iſt,<lb/> ſo laͤßt alles groͤßer, als es iſt.</p><lb/> <p>Seht dieſen Stock, in dem Glaſe mit<lb/> Waſſer! Iſt er gerade, oder krumm?</p><lb/> <p>Du irrſt, mein Sohn: Er iſt nicht krumm,<lb/> ſondern gerade; aber im Waſſer ſchien er<lb/> dir krumm.</p><lb/> <p>Wenn die Luft abſteht, duͤnken dir die<lb/> Glocken, welche gelaͤutet werden, viel weiter<lb/> als ſie ſind.</p><lb/> <p>Und wenn du krank werden willſt, ſo<lb/> ſchmecken dir die Speiſen ſauer oder bitter.</p><lb/> <p>Wenn ihr euch beſchaͤdigt habt, ſo glaubt<lb/> ihr, man faße euch ſehr hart an, und wenn<lb/> das Glied geſund waͤre, ſo wuͤrdet ihr kaum<lb/> fuͤhlen, daß man euch anruͤhrt.</p><lb/> <p>Seht hieraus, lieben Kinder, die Sinnen<lb/> ſind nicht immer ganz richtige Richter, uͤber<lb/> die Wahrheit einer Sache. Die Bibel nennt<lb/> deswegen diejenigen, ſinnliche oder natuͤrliche<lb/> Menſchen, die ſich bloß, in ihren Handlun-<lb/> gen, nach ihren Sinnen richten, und daher keine<lb/> wahre Weisheit beſitzen.</p><lb/> <p>Ihr wuͤrdet alſo Zeitlebens in Gefahr ge-<lb/> blieben ſeyn, euch zu irren, wenn euer Ver-<lb/> ſtand nicht waͤre, durch die Erziehung in<lb/> <fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [109/0131]
Zeit, zur Erlangung mehrerer Gewißheit ſich
findet. In der Ferne ſcheint alles kleiner,
als es wirklich iſt. Wenn es neblicht iſt,
ſo laͤßt alles groͤßer, als es iſt.
Seht dieſen Stock, in dem Glaſe mit
Waſſer! Iſt er gerade, oder krumm?
Du irrſt, mein Sohn: Er iſt nicht krumm,
ſondern gerade; aber im Waſſer ſchien er
dir krumm.
Wenn die Luft abſteht, duͤnken dir die
Glocken, welche gelaͤutet werden, viel weiter
als ſie ſind.
Und wenn du krank werden willſt, ſo
ſchmecken dir die Speiſen ſauer oder bitter.
Wenn ihr euch beſchaͤdigt habt, ſo glaubt
ihr, man faße euch ſehr hart an, und wenn
das Glied geſund waͤre, ſo wuͤrdet ihr kaum
fuͤhlen, daß man euch anruͤhrt.
Seht hieraus, lieben Kinder, die Sinnen
ſind nicht immer ganz richtige Richter, uͤber
die Wahrheit einer Sache. Die Bibel nennt
deswegen diejenigen, ſinnliche oder natuͤrliche
Menſchen, die ſich bloß, in ihren Handlun-
gen, nach ihren Sinnen richten, und daher keine
wahre Weisheit beſitzen.
Ihr wuͤrdet alſo Zeitlebens in Gefahr ge-
blieben ſeyn, euch zu irren, wenn euer Ver-
ſtand nicht waͤre, durch die Erziehung in
der
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Zitationshilfe: | [Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rochow_versuch_1772/131>, abgerufen am 23.07.2024. |