Richtung der Schuß einer ganzen Carthaune weiter reicht, als einer halben; so scheinet dar- aus zu folgen, daß auch die Kugel der ganzen Carthaune eine grössere Geschwindigkeit ha- ben müsse, als einer halben. Dieser Schluß würde seine völlige Richtigkeit haben, wenn ent- weder der Wiederstand der Luft gar nicht vor- handen, oder doch nicht merklich wäre, wie man insgemein dafür zu halten pflegt: denn alsdenn müßte auch ohne Zweifel ein Schuß unter einerley Richtung des Stücks um so viel weiter reichen, je grösser die Geschwindig- keit wäre, mit welcher die Kugel heraus getrie- ben wird. Weil aber der Wiederstand der Luft so erstaunlich groß ist, wie allbereit darge- than worden, und derselbe insonderheit von der Größe der Kugel abhängt; so ist es mög- lich, daß eine grössere Kugel weiter reicht, als eine kleinere, wenn auch jener anfänglich eine kleinere Geschwindigkeit eingedruckt worden, als dieser. Um dieses begreiflicher zu machen, so ist zu merken, daß die Würkung des Wieder- stands nicht so wohl aus der Größe desselben selbst, als aus der Verhältniß desselben zum Gewicht der Kugel beurtheilet werden müße. Wenn wir uns also zwey Kugeln von gleicher Materie vorstellen, wovon die erste dem Dia- meter nach zweymahl so groß seyn soll, als die andere; so wird das Gewicht der ersten acht mahl grösser seyn, als der andern. Ob nun
gleich
Richtung der Schuß einer ganzen Carthaune weiter reicht, als einer halben; ſo ſcheinet dar- aus zu folgen, daß auch die Kugel der ganzen Carthaune eine groͤſſere Geſchwindigkeit ha- ben muͤſſe, als einer halben. Dieſer Schluß wuͤrde ſeine voͤllige Richtigkeit haben, wenn ent- weder der Wiederſtand der Luft gar nicht vor- handen, oder doch nicht merklich waͤre, wie man insgemein dafuͤr zu halten pflegt: denn alsdenn muͤßte auch ohne Zweifel ein Schuß unter einerley Richtung des Stuͤcks um ſo viel weiter reichen, je groͤſſer die Geſchwindig- keit waͤre, mit welcher die Kugel heraus getrie- ben wird. Weil aber der Wiederſtand der Luft ſo erſtaunlich groß iſt, wie allbereit darge- than worden, und derſelbe inſonderheit von der Groͤße der Kugel abhaͤngt; ſo iſt es moͤg- lich, daß eine groͤſſere Kugel weiter reicht, als eine kleinere, wenn auch jener anfaͤnglich eine kleinere Geſchwindigkeit eingedruckt worden, als dieſer. Um dieſes begreiflicher zu machen, ſo iſt zu merken, daß die Wuͤrkung des Wieder- ſtands nicht ſo wohl aus der Groͤße deſſelben ſelbſt, als aus der Verhaͤltniß deſſelben zum Gewicht der Kugel beurtheilet werden muͤße. Wenn wir uns alſo zwey Kugeln von gleicher Materie vorſtellen, wovon die erſte dem Dia- meter nach zweymahl ſo groß ſeyn ſoll, als die andere; ſo wird das Gewicht der erſten acht mahl groͤſſer ſeyn, als der andern. Ob nun
gleich
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Richtung der Schuß einer ganzen Carthaune
weiter reicht, als einer halben; ſo ſcheinet dar-
aus zu folgen, daß auch die Kugel der ganzen
Carthaune eine groͤſſere Geſchwindigkeit ha-
ben muͤſſe, als einer halben. Dieſer Schluß
wuͤrde ſeine voͤllige Richtigkeit haben, wenn ent-
weder der Wiederſtand der Luft gar nicht vor-
handen, oder doch nicht merklich waͤre, wie
man insgemein dafuͤr zu halten pflegt: denn
alsdenn muͤßte auch ohne Zweifel ein Schuß
unter einerley Richtung des Stuͤcks um ſo
viel weiter reichen, je groͤſſer die Geſchwindig-
keit waͤre, mit welcher die Kugel heraus getrie-
ben wird. Weil aber der Wiederſtand der
Luft ſo erſtaunlich groß iſt, wie allbereit darge-
than worden, und derſelbe inſonderheit von
der Groͤße der Kugel abhaͤngt; ſo iſt es moͤg-
lich, daß eine groͤſſere Kugel weiter reicht, als
eine kleinere, wenn auch jener anfaͤnglich eine
kleinere Geſchwindigkeit eingedruckt worden,
als dieſer. Um dieſes begreiflicher zu machen,
ſo iſt zu merken, daß die Wuͤrkung des Wieder-
ſtands nicht ſo wohl aus der Groͤße deſſelben
ſelbſt, als aus der Verhaͤltniß deſſelben zum
Gewicht der Kugel beurtheilet werden muͤße.
Wenn wir uns alſo zwey Kugeln von gleicher
Materie vorſtellen, wovon die erſte dem Dia-
meter nach zweymahl ſo groß ſeyn ſoll, als die
andere; ſo wird das Gewicht der erſten acht
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Robins, Benjamin: Neue Grundsätze der Artillerie. Übers. v. Leonhard Euler. Berlin, 1745, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robins_artillerie_1745/577>, abgerufen am 24.11.2024.
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