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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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merklich, dann immer entschiedener einschlägt; das Interesse
an dem Gegenstande selbst geht mehr und mehr verloren; an
seine Stelle tritt das mehr formelle Interesse an der Art der
Behandlung. Daher zunächst die starke Betonung des psycho-
logischen Elements, auf das ja überhaupt im 4. Jahrhundert sich
die Aufmerksamkeit immer mehr richtet, daher der stark pathe-
tische Zug, der sich im Kunsthandwerk zuweilen bis zum thea-
tralisch Übertriebenen steigert. Bildwerke, wie die sterbende
Iokaste des Silanion, die Pasiphae des Bryaxis, der Athamas des
Aristonidas sind in hohem Grade charakteristisch für die Richtung
dieser Zeit, die im Mythos nicht mehr die stoffliche, sondern
die menschliche Seite sucht, die die Heroengestalten nicht mehr
als halbgöttliche Wesen der Vorzeit, sondern als psychologische
Probleme interessieren, der endlich die alten Gestalten der Helden-
sage wesentlich von der Bühne her vertraut sind. Denn gerade im
4. Jahrhundert, als auf die Periode der dramatischen Produktion, wie
so oft, der Aufschwung der Schauspielerkunst folgt und sich in dieser
ein ausgesprochenes Virtuosentum zu entwickeln beginnt51), ist der
unmittelbare Einfluss der Bühne ein sehr bedeutender, namentlich auf
die bildende Kunst. Nicht nur die bunten Theatergewänder und die
der Bühne entstammenden Typen des Pädagogen, der Amme, der
Doryphoroi u. a. dringen in die Kunst ein, auch die Bewegung und die
Gebärden der Figuren bekommen etwas entschieden Theatralisches,

51) Sehr charakteristisch für die Wichtigkeit, die man im vierten Jahr-
hundert der Schauspielkunst beimass, ist die Art der Konkurrenz, wie wir
sie aus den vor wenigen Jahren am Südabhang der Akropolis ausgegrabenen
Inschriften kennen gelernt haben. (Athenaion VI S. 476 Mitt. d. deutsch.
archäol. Instituts III 1878 S. 112.) Nicht mehr wie in früherer Zeit hat
jeder Dichter seine Schauspieler, sondern jedes der drei Stücke der einzel-
nen Dichter wird von einem anderen Schauspieldirektor aufgeführt und da-
bei sogar streng darauf geachtet, dass durch die Reihenfolge der Stücke nicht
der eine Schauspieler bevorzugt, der andere benachteiligt; vielmehr muss
jeder der Schauspieler einmal an erster, einmal an zweiter und einmal an
dritter Stelle spielen. Wenn wir also die Dichter mit a b c, die Schauspieler-
truppen mit a b g bezeichnen, so führen die drei Schauspielertruppen die
Stücke von a in der Reihenfolge a b g, die von b in der Folge b a g, die
von c in der Folge g b a auf.

merklich, dann immer entschiedener einschlägt; das Interesse
an dem Gegenstande selbst geht mehr und mehr verloren; an
seine Stelle tritt das mehr formelle Interesse an der Art der
Behandlung. Daher zunächst die starke Betonung des psycho-
logischen Elements, auf das ja überhaupt im 4. Jahrhundert sich
die Aufmerksamkeit immer mehr richtet, daher der stark pathe-
tische Zug, der sich im Kunsthandwerk zuweilen bis zum thea-
tralisch Übertriebenen steigert. Bildwerke, wie die sterbende
Iokaste des Silanion, die Pasiphae des Bryaxis, der Athamas des
Aristonidas sind in hohem Grade charakteristisch für die Richtung
dieser Zeit, die im Mythos nicht mehr die stoffliche, sondern
die menschliche Seite sucht, die die Heroengestalten nicht mehr
als halbgöttliche Wesen der Vorzeit, sondern als psychologische
Probleme interessieren, der endlich die alten Gestalten der Helden-
sage wesentlich von der Bühne her vertraut sind. Denn gerade im
4. Jahrhundert, als auf die Periode der dramatischen Produktion, wie
so oft, der Aufschwung der Schauspielerkunst folgt und sich in dieser
ein ausgesprochenes Virtuosentum zu entwickeln beginnt51), ist der
unmittelbare Einfluſs der Bühne ein sehr bedeutender, namentlich auf
die bildende Kunst. Nicht nur die bunten Theatergewänder und die
der Bühne entstammenden Typen des Pädagogen, der Amme, der
Doryphoroi u. a. dringen in die Kunst ein, auch die Bewegung und die
Gebärden der Figuren bekommen etwas entschieden Theatralisches,

51) Sehr charakteristisch für die Wichtigkeit, die man im vierten Jahr-
hundert der Schauspielkunst beimaſs, ist die Art der Konkurrenz, wie wir
sie aus den vor wenigen Jahren am Südabhang der Akropolis ausgegrabenen
Inschriften kennen gelernt haben. (Ἀϑήναιον VI S. 476 Mitt. d. deutsch.
archäol. Instituts III 1878 S. 112.) Nicht mehr wie in früherer Zeit hat
jeder Dichter seine Schauspieler, sondern jedes der drei Stücke der einzel-
nen Dichter wird von einem anderen Schauspieldirektor aufgeführt und da-
bei sogar streng darauf geachtet, daſs durch die Reihenfolge der Stücke nicht
der eine Schauspieler bevorzugt, der andere benachteiligt; vielmehr muſs
jeder der Schauspieler einmal an erster, einmal an zweiter und einmal an
dritter Stelle spielen. Wenn wir also die Dichter mit a b c, die Schauspieler-
truppen mit α β γ bezeichnen, so führen die drei Schauspielertruppen die
Stücke von a in der Reihenfolge α β γ, die von b in der Folge β α γ, die
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[42/0056] merklich, dann immer entschiedener einschlägt; das Interesse an dem Gegenstande selbst geht mehr und mehr verloren; an seine Stelle tritt das mehr formelle Interesse an der Art der Behandlung. Daher zunächst die starke Betonung des psycho- logischen Elements, auf das ja überhaupt im 4. Jahrhundert sich die Aufmerksamkeit immer mehr richtet, daher der stark pathe- tische Zug, der sich im Kunsthandwerk zuweilen bis zum thea- tralisch Übertriebenen steigert. Bildwerke, wie die sterbende Iokaste des Silanion, die Pasiphae des Bryaxis, der Athamas des Aristonidas sind in hohem Grade charakteristisch für die Richtung dieser Zeit, die im Mythos nicht mehr die stoffliche, sondern die menschliche Seite sucht, die die Heroengestalten nicht mehr als halbgöttliche Wesen der Vorzeit, sondern als psychologische Probleme interessieren, der endlich die alten Gestalten der Helden- sage wesentlich von der Bühne her vertraut sind. Denn gerade im 4. Jahrhundert, als auf die Periode der dramatischen Produktion, wie so oft, der Aufschwung der Schauspielerkunst folgt und sich in dieser ein ausgesprochenes Virtuosentum zu entwickeln beginnt 51), ist der unmittelbare Einfluſs der Bühne ein sehr bedeutender, namentlich auf die bildende Kunst. Nicht nur die bunten Theatergewänder und die der Bühne entstammenden Typen des Pädagogen, der Amme, der Doryphoroi u. a. dringen in die Kunst ein, auch die Bewegung und die Gebärden der Figuren bekommen etwas entschieden Theatralisches, 51) Sehr charakteristisch für die Wichtigkeit, die man im vierten Jahr- hundert der Schauspielkunst beimaſs, ist die Art der Konkurrenz, wie wir sie aus den vor wenigen Jahren am Südabhang der Akropolis ausgegrabenen Inschriften kennen gelernt haben. (Ἀϑήναιον VI S. 476 Mitt. d. deutsch. archäol. Instituts III 1878 S. 112.) Nicht mehr wie in früherer Zeit hat jeder Dichter seine Schauspieler, sondern jedes der drei Stücke der einzel- nen Dichter wird von einem anderen Schauspieldirektor aufgeführt und da- bei sogar streng darauf geachtet, daſs durch die Reihenfolge der Stücke nicht der eine Schauspieler bevorzugt, der andere benachteiligt; vielmehr muſs jeder der Schauspieler einmal an erster, einmal an zweiter und einmal an dritter Stelle spielen. Wenn wir also die Dichter mit a b c, die Schauspieler- truppen mit α β γ bezeichnen, so führen die drei Schauspielertruppen die Stücke von a in der Reihenfolge α β γ, die von b in der Folge β α γ, die von c in der Folge γ β α auf.

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/56>, abgerufen am 28.11.2024.