Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.einer ganz bestimmten Situation, in welcher oder in Beziehung 8) Dies ist vielleicht auf der, doch wohl chalkidischen, Münchener Vase
(Micali Storia 95 = Overbeck Her. Gall. III 5) der Fall; oder will er dort, was noch unangemessener wäre, das Schwert erst ziehen? einer ganz bestimmten Situation, in welcher oder in Beziehung 8) Dies ist vielleicht auf der, doch wohl chalkidischen, Münchener Vase
(Micali Storia 95 = Overbeck Her. Gall. III 5) der Fall; oder will er dort, was noch unangemessener wäre, das Schwert erst ziehen? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0029" n="15"/> einer ganz bestimmten Situation, in welcher oder in Beziehung<lb/> auf welche alle dargestellten Figuren gedacht sein müſsten.<lb/> Sollte der Moment dargestellt werden, in dem Amphiaraos sein<lb/> Weib töten will, so durfte er nicht schon mit einem Fuſs auf<lb/> dem Wagen stehen und nur noch den Kopf nach Eriphyle hin-<lb/> wenden; sollte er aber in dem Augenblick dargestellt werden,<lb/> als er dem Rachegedanken entsagt hat und sich zur Abfahrt an-<lb/> schickt, so durfte er nicht das gezückte Schwert mehr tragen<lb/> — er müſste wenigstens im Begriff sein, es in die Scheide zu-<lb/> rückzustoſsen <note place="foot" n="8)">Dies ist vielleicht auf der, doch wohl chalkidischen, Münchener Vase<lb/> (Micali Storia 95 = Overbeck Her. Gall. III 5) der Fall; oder will er dort, was<lb/> noch unangemessener wäre, das Schwert erst ziehen?</note> — und die flehend erhobenen Arme der Kinder<lb/> sind gleichfalls nicht mehr am Platz. Unter beiden Voraus-<lb/> setzungen gleich unpassend ist die ruhige Haltung der Eriphyle;<lb/> wir würden erwarten, daſs sie vor dem Schwert des Gatten<lb/> sich zur Flucht wenden oder um Erbarmen flehen, daſs sie<lb/> entweder Angst vor der drohenden Gefahr oder Freude über die<lb/> unverhoffte Rettung zeigen würde. Sie aber steht ohne irgend<lb/> welche Bewegung, ohne irgend eine Gefühlsäuſserung, ruhig, fast<lb/> teilnamlos da, das auffallend groſse Halsband in der Hand<lb/> offenbar mehr für den Beschauer, als für die anwesenden Per-<lb/> sonen. Ebensowenig ist Baton und die übrigen Diener in einer<lb/> der Situation entsprechenden Haltung dargestellt. Man würde er-<lb/> warten, daſs in einem Augenblick, wo ihr Herr im höchsten Zorn<lb/> sein Weib töten will oder töten wollte, die Diener voll Entsetzen<lb/> und Grausen ihre ganze Aufmerksamkeit auf diese schreckliche<lb/> Scene richten würden. Statt dessen empfängt Baton ruhig aus<lb/> der Hand der Schaffnerin den Abschiedstrunk, und Niemand auf<lb/> der rechten Seite des Bildes scheint den Vorgang auf der linken<lb/> Seite zu bemerken oder zu beachten. Es ist klar, daſs, was wir<lb/> hier mit einem Blicke übersehen, nicht gleichzeitig sich ereignet<lb/> haben kann; es fehlt eine alle Figuren gleichmäſsig umfassende<lb/> bestimmte Situation, es fehlt die Einheit der Handlung: alle<lb/> Figuren sind mehr oder weniger mit sich selbst beschäftigt, jede<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0029]
einer ganz bestimmten Situation, in welcher oder in Beziehung
auf welche alle dargestellten Figuren gedacht sein müſsten.
Sollte der Moment dargestellt werden, in dem Amphiaraos sein
Weib töten will, so durfte er nicht schon mit einem Fuſs auf
dem Wagen stehen und nur noch den Kopf nach Eriphyle hin-
wenden; sollte er aber in dem Augenblick dargestellt werden,
als er dem Rachegedanken entsagt hat und sich zur Abfahrt an-
schickt, so durfte er nicht das gezückte Schwert mehr tragen
— er müſste wenigstens im Begriff sein, es in die Scheide zu-
rückzustoſsen 8) — und die flehend erhobenen Arme der Kinder
sind gleichfalls nicht mehr am Platz. Unter beiden Voraus-
setzungen gleich unpassend ist die ruhige Haltung der Eriphyle;
wir würden erwarten, daſs sie vor dem Schwert des Gatten
sich zur Flucht wenden oder um Erbarmen flehen, daſs sie
entweder Angst vor der drohenden Gefahr oder Freude über die
unverhoffte Rettung zeigen würde. Sie aber steht ohne irgend
welche Bewegung, ohne irgend eine Gefühlsäuſserung, ruhig, fast
teilnamlos da, das auffallend groſse Halsband in der Hand
offenbar mehr für den Beschauer, als für die anwesenden Per-
sonen. Ebensowenig ist Baton und die übrigen Diener in einer
der Situation entsprechenden Haltung dargestellt. Man würde er-
warten, daſs in einem Augenblick, wo ihr Herr im höchsten Zorn
sein Weib töten will oder töten wollte, die Diener voll Entsetzen
und Grausen ihre ganze Aufmerksamkeit auf diese schreckliche
Scene richten würden. Statt dessen empfängt Baton ruhig aus
der Hand der Schaffnerin den Abschiedstrunk, und Niemand auf
der rechten Seite des Bildes scheint den Vorgang auf der linken
Seite zu bemerken oder zu beachten. Es ist klar, daſs, was wir
hier mit einem Blicke übersehen, nicht gleichzeitig sich ereignet
haben kann; es fehlt eine alle Figuren gleichmäſsig umfassende
bestimmte Situation, es fehlt die Einheit der Handlung: alle
Figuren sind mehr oder weniger mit sich selbst beschäftigt, jede
8) Dies ist vielleicht auf der, doch wohl chalkidischen, Münchener Vase
(Micali Storia 95 = Overbeck Her. Gall. III 5) der Fall; oder will er dort, was
noch unangemessener wäre, das Schwert erst ziehen?
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