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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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noch von einer Feindschaft zwischen Atreus und Thyestes weiss,
sondern nur von einer ruhigen Herrscherfolge, in welcher sich
das Szepter, das einst Hermes dem Ahnherrn Pelops verliehen
hat, friedlich vom Vater auf den Sohn, vom Bruder auf den Bruder
vererbt, erscheint in der Mythengestaltung, die das attische Drama
bereits zeitig übernimmt, das Geschlecht der Pelopiden als das
fremde zugewanderte, das sich durch Verrat der Herrschaft
bemächtigt hat und dessen Geschichte eine Reihe von Frevlern
und eine Häufung von Gräueltaten aufzuweisen hat, wie sie sich
sonst nur bei dem Labdakidenhause, dort aber schon in der ältesten
Sagenform, finden. Mir scheint, dies ist Alles so ausgesprochen
tendenziös gefärbt, dass es nicht zweifelhaft sein kann, welchem
Stamm und welcher Zeit diese Umbildung angehöre. Die alten
Sagen, wie sie die Tisameniden auf Lesbos von ihren Ahnherrn,
die für sie -- ob mit Recht oder Unrecht, das zu erörtern, muss
mir hier ganz fern liegen -- die alten Herren von Mykene und Sparta
waren, erzählten, die Sagen, die in der Form, welche ihnen der
ionische Heldensang gab, bald Gemeingut von ganz Hellas wurden,
mussten dem dorischen Einwanderer, der auf denselben von Sage
und Lied verherrlichten Stätten sass, ein Dorn im Auge sein.
Die peloponnesischen Dorer sind es, in deren Sagen immer neue
Schmach auf das Haus der Pelopiden gehäuft wird, während
gleichzeitig die Mythen von Herakles in immer hellerem Lichte
strahlen. Schon in den späteren Partien der Ilias macht sich
dieser Einfluss, der hier offenbar von der dorischen Hexapolis
ausgeht, geltend: lange vor Agamemnon hat schon Herakles Troia
erobert; die stolze Herrin des goldreichen Mykene, die Schützerin
der Atriden, Herakles hat sie verwundet; und so dichtet die Sage

späteren Vulgärsage längst erkannt, aber der Versuch sie dadurch zu er-
klären, dass Pelops mit der Hippodameia nach Lydien zurückgekehrt sei,
steht auf derselben Stufe, wie der des Theopomp die lesbische Tradition
durch die Fabel zu erklären, dass Killos auf der Reise von Lydien nach
Argos umgekommen sei. Es versteht sich, was auch schon von Anderen ge-
bührend hervorgehoben ist, dass es sich ursprünglich um einen Brautraub
handelt, bei dem Myrtilos verräterischer Weise hilft, und dass die Umwandlung
zu einem Wettrennen erst in Olympia entstanden ist.

noch von einer Feindschaft zwischen Atreus und Thyestes weiſs,
sondern nur von einer ruhigen Herrscherfolge, in welcher sich
das Szepter, das einst Hermes dem Ahnherrn Pelops verliehen
hat, friedlich vom Vater auf den Sohn, vom Bruder auf den Bruder
vererbt, erscheint in der Mythengestaltung, die das attische Drama
bereits zeitig übernimmt, das Geschlecht der Pelopiden als das
fremde zugewanderte, das sich durch Verrat der Herrschaft
bemächtigt hat und dessen Geschichte eine Reihe von Frevlern
und eine Häufung von Gräueltaten aufzuweisen hat, wie sie sich
sonst nur bei dem Labdakidenhause, dort aber schon in der ältesten
Sagenform, finden. Mir scheint, dies ist Alles so ausgesprochen
tendenziös gefärbt, daſs es nicht zweifelhaft sein kann, welchem
Stamm und welcher Zeit diese Umbildung angehöre. Die alten
Sagen, wie sie die Tisameniden auf Lesbos von ihren Ahnherrn,
die für sie — ob mit Recht oder Unrecht, das zu erörtern, muſs
mir hier ganz fern liegen — die alten Herren von Mykene und Sparta
waren, erzählten, die Sagen, die in der Form, welche ihnen der
ionische Heldensang gab, bald Gemeingut von ganz Hellas wurden,
muſsten dem dorischen Einwanderer, der auf denselben von Sage
und Lied verherrlichten Stätten saſs, ein Dorn im Auge sein.
Die peloponnesischen Dorer sind es, in deren Sagen immer neue
Schmach auf das Haus der Pelopiden gehäuft wird, während
gleichzeitig die Mythen von Herakles in immer hellerem Lichte
strahlen. Schon in den späteren Partien der Ilias macht sich
dieser Einfluſs, der hier offenbar von der dorischen Hexapolis
ausgeht, geltend: lange vor Agamemnon hat schon Herakles Troia
erobert; die stolze Herrin des goldreichen Mykene, die Schützerin
der Atriden, Herakles hat sie verwundet; und so dichtet die Sage

späteren Vulgärsage längst erkannt, aber der Versuch sie dadurch zu er-
klären, daſs Pelops mit der Hippodameia nach Lydien zurückgekehrt sei,
steht auf derselben Stufe, wie der des Theopomp die lesbische Tradition
durch die Fabel zu erklären, daſs Killos auf der Reise von Lydien nach
Argos umgekommen sei. Es versteht sich, was auch schon von Anderen ge-
bührend hervorgehoben ist, daſs es sich ursprünglich um einen Brautraub
handelt, bei dem Myrtilos verräterischer Weise hilft, und daſs die Umwandlung
zu einem Wettrennen erst in Olympia entstanden ist.
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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/202>, abgerufen am 22.11.2024.