Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.auch der Fabrikort sei13). Wer wird glauben wollen, dass selbst 13) Vgl. über dieses und die verwandten Reliefs R. Schoene, Griech. Reliefs S. 61. Fragmente, die von einer oder gar mehreren Repliken dieser Darstellung herrühren, sind vor einigen Jahren im athenischen Kunsthandel aufgetaucht. 14) Conze erklärt diese Figur für Pylades und den vordersten Mann für Orestes. 15) Die Unbärtigkeit ist kein entscheidender Gegengrund; die Züge sind -- ebenso wie die des Dieners -- offenbar mit Absicht härter und ältlicher, die Gesichtsbildung knochiger, als die des fast jugendlich zarten Orestes. Im Anbringen und Weglassen des Bartes ist bekanntlich die archaische Kunst sehr frei. Es genügt an den bärtigen Troilos auf der korinthischen Vase des Timonidas zu erinnern. Auf dem Kypseloskasten war bekanntlich der eine der Dioskuren bärtig, der andere unbärtig. Daraus Schlüsse für die entwickelte Kunst zu ziehen ist sehr bedenklich. 16) Noch auf der späten unteritalischen Vase im Neapler Museum (Heyde-
mann nr. 2858, R. Rochette M. I. pl. 34) finden wir, wie auch Conze hervor- hebt, im Gefolge des Orestes einen bärtigen Mann mit Stab und einen auf dem Reisesack sitzenden Diener. Ob die Übereinstimmung eine zufällige ist oder ob wirklich eine bildliche Tradition von dem melischen Terrakotta- auch der Fabrikort sei13). Wer wird glauben wollen, daſs selbst 13) Vgl. über dieses und die verwandten Reliefs R. Schoene, Griech. Reliefs S. 61. Fragmente, die von einer oder gar mehreren Repliken dieser Darstellung herrühren, sind vor einigen Jahren im athenischen Kunsthandel aufgetaucht. 14) Conze erklärt diese Figur für Pylades und den vordersten Mann für Orestes. 15) Die Unbärtigkeit ist kein entscheidender Gegengrund; die Züge sind — ebenso wie die des Dieners — offenbar mit Absicht härter und ältlicher, die Gesichtsbildung knochiger, als die des fast jugendlich zarten Orestes. Im Anbringen und Weglassen des Bartes ist bekanntlich die archaische Kunst sehr frei. Es genügt an den bärtigen Troilos auf der korinthischen Vase des Timonidas zu erinnern. Auf dem Kypseloskasten war bekanntlich der eine der Dioskuren bärtig, der andere unbärtig. Daraus Schlüsse für die entwickelte Kunst zu ziehen ist sehr bedenklich. 16) Noch auf der späten unteritalischen Vase im Neapler Museum (Heyde-
mann nr. 2858, R. Rochette M. I. pl. 34) finden wir, wie auch Conze hervor- hebt, im Gefolge des Orestes einen bärtigen Mann mit Stab und einen auf dem Reisesack sitzenden Diener. Ob die Übereinstimmung eine zufällige ist oder ob wirklich eine bildliche Tradition von dem melischen Terrakotta- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0182" n="168"/> auch der Fabrikort sei<note place="foot" n="13)">Vgl. über dieses und die verwandten Reliefs R. Schoene, Griech.<lb/> Reliefs S. 61. Fragmente, die von einer oder gar mehreren Repliken dieser<lb/> Darstellung herrühren, sind vor einigen Jahren im athenischen Kunsthandel<lb/> aufgetaucht.</note>. Wer wird glauben wollen, daſs selbst<lb/> beim Beginn des peloponnesischen Krieges die aischyleische Version<lb/> bereits so das Volksbewustsein in ausserattischen Landschaften<lb/> durchdrungen habe, daſs selbst melische Thonarbeiter, sei es<lb/> mittelbar oder unmittelbar, unter ihrem Einflus standen? Und<lb/> ein Blick auf die Gruppe rechts führt uns noch einen Schritt<lb/> weiter: der zweite Jüngling, der im Ephebenkostüm, ist offenbar<lb/> der Vornehmste, mithin Orestes, für den mir die nachdenkliche<lb/> Haltung besonders charakteristisch und schön erscheint<note place="foot" n="14)">Conze erklärt diese Figur für Pylades und den vordersten Mann für<lb/> Orestes.</note>. Sollte<lb/> nun der andere Mann, der zu Elektra spricht, wirklich Pylades<lb/> sein? ihm würde, sollte man meinen, die Anknüpfung des Gespräches<lb/> wenig ziemen. Mir scheint, die ganze bisherige Betrachtung<lb/> führt gebieterisch auf eine andere Benennung; es ist Talthybios<note place="foot" n="15)">Die Unbärtigkeit ist kein entscheidender Gegengrund; die Züge sind<lb/> — ebenso wie die des Dieners — offenbar mit Absicht härter und ältlicher, die<lb/> Gesichtsbildung knochiger, als die des fast jugendlich zarten Orestes. Im<lb/> Anbringen und Weglassen des Bartes ist bekanntlich die archaische Kunst<lb/> sehr frei. Es genügt an den bärtigen Troilos auf der korinthischen Vase<lb/> des Timonidas zu erinnern. Auf dem Kypseloskasten war bekanntlich der<lb/> eine der Dioskuren bärtig, der andere unbärtig. Daraus Schlüsse für die<lb/> entwickelte Kunst zu ziehen ist sehr bedenklich.</note>.<lb/> Der Herold geht voran, er allein kennt Elektra, aus ihren Händen<lb/> hat er einst den kleinen Orestes empfangen; ihm ziemt es die<lb/> Unterredung anzuknüpfen und die Erkennung herbeizuführen. Und<lb/> sollte nicht der Stab in seiner Linken ebenso gut, nein, besser<lb/> ein Kerykeion — etwa von der längeren Form, wie sie Hermes auf<lb/> den schwarzfigurigen Vasen trägt — sein können, als ein Speer?<note xml:id="seg2pn_15_1" next="#seg2pn_15_2" place="foot" n="16)">Noch auf der späten unteritalischen Vase im Neapler Museum (Heyde-<lb/> mann nr. 2858, R. Rochette M. I. pl. 34) finden wir, wie auch Conze hervor-<lb/> hebt, im Gefolge des Orestes einen bärtigen Mann mit Stab und einen auf<lb/> dem Reisesack sitzenden Diener. Ob die Übereinstimmung eine zufällige ist<lb/> oder ob wirklich eine bildliche Tradition von dem melischen Terrakotta-</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [168/0182]
auch der Fabrikort sei 13). Wer wird glauben wollen, daſs selbst
beim Beginn des peloponnesischen Krieges die aischyleische Version
bereits so das Volksbewustsein in ausserattischen Landschaften
durchdrungen habe, daſs selbst melische Thonarbeiter, sei es
mittelbar oder unmittelbar, unter ihrem Einflus standen? Und
ein Blick auf die Gruppe rechts führt uns noch einen Schritt
weiter: der zweite Jüngling, der im Ephebenkostüm, ist offenbar
der Vornehmste, mithin Orestes, für den mir die nachdenkliche
Haltung besonders charakteristisch und schön erscheint 14). Sollte
nun der andere Mann, der zu Elektra spricht, wirklich Pylades
sein? ihm würde, sollte man meinen, die Anknüpfung des Gespräches
wenig ziemen. Mir scheint, die ganze bisherige Betrachtung
führt gebieterisch auf eine andere Benennung; es ist Talthybios 15).
Der Herold geht voran, er allein kennt Elektra, aus ihren Händen
hat er einst den kleinen Orestes empfangen; ihm ziemt es die
Unterredung anzuknüpfen und die Erkennung herbeizuführen. Und
sollte nicht der Stab in seiner Linken ebenso gut, nein, besser
ein Kerykeion — etwa von der längeren Form, wie sie Hermes auf
den schwarzfigurigen Vasen trägt — sein können, als ein Speer? 16)
13) Vgl. über dieses und die verwandten Reliefs R. Schoene, Griech.
Reliefs S. 61. Fragmente, die von einer oder gar mehreren Repliken dieser
Darstellung herrühren, sind vor einigen Jahren im athenischen Kunsthandel
aufgetaucht.
14) Conze erklärt diese Figur für Pylades und den vordersten Mann für
Orestes.
15) Die Unbärtigkeit ist kein entscheidender Gegengrund; die Züge sind
— ebenso wie die des Dieners — offenbar mit Absicht härter und ältlicher, die
Gesichtsbildung knochiger, als die des fast jugendlich zarten Orestes. Im
Anbringen und Weglassen des Bartes ist bekanntlich die archaische Kunst
sehr frei. Es genügt an den bärtigen Troilos auf der korinthischen Vase
des Timonidas zu erinnern. Auf dem Kypseloskasten war bekanntlich der
eine der Dioskuren bärtig, der andere unbärtig. Daraus Schlüsse für die
entwickelte Kunst zu ziehen ist sehr bedenklich.
16) Noch auf der späten unteritalischen Vase im Neapler Museum (Heyde-
mann nr. 2858, R. Rochette M. I. pl. 34) finden wir, wie auch Conze hervor-
hebt, im Gefolge des Orestes einen bärtigen Mann mit Stab und einen auf
dem Reisesack sitzenden Diener. Ob die Übereinstimmung eine zufällige ist
oder ob wirklich eine bildliche Tradition von dem melischen Terrakotta-
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