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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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So muss also in der Periode zwischen dem Absterben des ioni-
schen Epos und dem Aufblühen des attischen Drama's ein
gewaltiger Umschwung in der Sagengestaltung erfolgt sein, zu
dem sich ein Ansatz allerdings bereits in der späteren Partie
der Nekyia findet, ein Umschwung, durch den die von Natur
gutartige, aber schwache und den Verführungskünsten des Aigisthos
nicht gewachsene Frau, die bei Homer Klytaimnestra ist, um-
gewandelt wird in das leidenschaftliche von Lieb und Hass und
Eifersucht bis in's Innerste bewegte, listige und thatkräftige
Weib, als welches uns Klytaimnestra bei Aischylos entgegentritt.
Aus dieser Anschauung heraus ist die Situation gebildet, die wir
auf den Vasen fanden; das Weib, das mit kalter List den Gatten
erschlug, verteidigt kühn den Buhlen auch gegen ihren Sohn,
auch wenn sie ihn als Sohn erkannt hätte. Ob letzterer Zug
gleichzeitig mit der Umwandlung des Charakters der Klytaim-
nestra oder erst in Folge davon in den Mythos eindringt, muss
vorläufig unentschieden bleiben.

Um nun der Ermittelung der dichterischen Vorlage, auf der
sowohl der bildliche Typus dieser Vasen beruht, als Aischylos seine
Oresteia aufbaut, näher zu treten, müssen wir einige Punkte ge-
nauer ins Auge fassen, welche für den auf diesen Vasen dargestellten
Moment die Voraussetzung bilden. Es ist klar, dass sowohl Talthybios
als Elektra im Einverständnis mit Orestes sind, beide müssen ihn
also kennen oder erkannt haben. Für Talthybios kommt hier das
Zeugnis des Nicolaos Damascenus Exc. de insid. Cod. Escor. fol. 77
= C. Müller F H G. III fr. 34 p. 374 in Betracht: oti Aigisthos
Agamemnona kteinas ton basilea sumboule tes gunaikos Klutaimne-
stras kai ton Oresten ton tou Agamemnonos uion emellen anelein.
touton de errusato Talthubios exarpasas kai ekthemenos eis ten
Phokida para Strophion. dekato d etei ek Phokeon elthon meta
Puladou tou Strophiou Aigisthon kai ten metera kteinas ton
Mukenon ebasileuen. elaunomenos de upo ton Aigisthou philon,
kata de ton pleiston logon upo Erinuon os enages theou keleu-
santos eis Athenas aphiketo kai en Areio pago kritheis apephugen.
aute e dike phonou tetarte en Athenais ekrithe. Mit dieser Nachricht,
soweit sie Talthybios betrifft, stimmt auch Dictys Cret. VI 2 überein.

So muſs also in der Periode zwischen dem Absterben des ioni-
schen Epos und dem Aufblühen des attischen Drama’s ein
gewaltiger Umschwung in der Sagengestaltung erfolgt sein, zu
dem sich ein Ansatz allerdings bereits in der späteren Partie
der Nekyia findet, ein Umschwung, durch den die von Natur
gutartige, aber schwache und den Verführungskünsten des Aigisthos
nicht gewachsene Frau, die bei Homer Klytaimnestra ist, um-
gewandelt wird in das leidenschaftliche von Lieb und Haſs und
Eifersucht bis in’s Innerste bewegte, listige und thatkräftige
Weib, als welches uns Klytaimnestra bei Aischylos entgegentritt.
Aus dieser Anschauung heraus ist die Situation gebildet, die wir
auf den Vasen fanden; das Weib, das mit kalter List den Gatten
erschlug, verteidigt kühn den Buhlen auch gegen ihren Sohn,
auch wenn sie ihn als Sohn erkannt hätte. Ob letzterer Zug
gleichzeitig mit der Umwandlung des Charakters der Klytaim-
nestra oder erst in Folge davon in den Mythos eindringt, muſs
vorläufig unentschieden bleiben.

Um nun der Ermittelung der dichterischen Vorlage, auf der
sowohl der bildliche Typus dieser Vasen beruht, als Aischylos seine
Oresteia aufbaut, näher zu treten, müssen wir einige Punkte ge-
nauer ins Auge fassen, welche für den auf diesen Vasen dargestellten
Moment die Voraussetzung bilden. Es ist klar, daſs sowohl Talthybios
als Elektra im Einverständnis mit Orestes sind, beide müssen ihn
also kennen oder erkannt haben. Für Talthybios kommt hier das
Zeugnis des Nicolaos Damascenus Exc. de insid. Cod. Escor. fol. 77
= C. Müller F H G. III fr. 34 p. 374 in Betracht: ὅτι Αἴγισϑος
Ἀγαμέμνονα κτείνας τὸν βασιλέα συμβουλῇ τῆς γυναικὸς Κλυταιμνή-
στρας καὶ τὸν Ὀρέστην τὸν τοῦ Ἀγαμέμνονος υἱὸν ἔμελλεν ἀνελεῖν.
τοῦτον δὲ ἐρρύσατο Ταλϑύβιος ἐξαρπάσας καὶ ἐκϑέμενος εἰς τὴν
Φωκίδα παρὰ Στρόφιον. δεκάτῳ δ̕ ἔτει ἐκ Φωκέων ἐλϑὼν μετὰ
Πυλάδου τοῦ Στροφίου Αἴγισϑον καὶ τὴν μητέρα κτείνας τῶν
Μυκηνῶν ἐβασίλευεν. ἐλαυνόμενος δὲ ὑπὸ τῶν Αἰγίσϑου φίλων,
κατὰ δὲ τὸν πλεῖστον λόγον ὑπὸ Ἐρινύων ὡς ἐναγὴς ϑεοῦ κελεύ-
σαντος εἰς Ἀϑήνας ἀφίκετο καὶ ἐν Ἀρείῳ πάγῳ κριϑεὶς ἀπέφυγεν.
αὕτη ἡ δίκη φόνου τετάρτη ἐν Ἀϑήναις ἐκρίϑη. Mit dieser Nachricht,
soweit sie Talthybios betrifft, stimmt auch Dictys Cret. VI 2 überein.

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[164/0178] So muſs also in der Periode zwischen dem Absterben des ioni- schen Epos und dem Aufblühen des attischen Drama’s ein gewaltiger Umschwung in der Sagengestaltung erfolgt sein, zu dem sich ein Ansatz allerdings bereits in der späteren Partie der Nekyia findet, ein Umschwung, durch den die von Natur gutartige, aber schwache und den Verführungskünsten des Aigisthos nicht gewachsene Frau, die bei Homer Klytaimnestra ist, um- gewandelt wird in das leidenschaftliche von Lieb und Haſs und Eifersucht bis in’s Innerste bewegte, listige und thatkräftige Weib, als welches uns Klytaimnestra bei Aischylos entgegentritt. Aus dieser Anschauung heraus ist die Situation gebildet, die wir auf den Vasen fanden; das Weib, das mit kalter List den Gatten erschlug, verteidigt kühn den Buhlen auch gegen ihren Sohn, auch wenn sie ihn als Sohn erkannt hätte. Ob letzterer Zug gleichzeitig mit der Umwandlung des Charakters der Klytaim- nestra oder erst in Folge davon in den Mythos eindringt, muſs vorläufig unentschieden bleiben. Um nun der Ermittelung der dichterischen Vorlage, auf der sowohl der bildliche Typus dieser Vasen beruht, als Aischylos seine Oresteia aufbaut, näher zu treten, müssen wir einige Punkte ge- nauer ins Auge fassen, welche für den auf diesen Vasen dargestellten Moment die Voraussetzung bilden. Es ist klar, daſs sowohl Talthybios als Elektra im Einverständnis mit Orestes sind, beide müssen ihn also kennen oder erkannt haben. Für Talthybios kommt hier das Zeugnis des Nicolaos Damascenus Exc. de insid. Cod. Escor. fol. 77 = C. Müller F H G. III fr. 34 p. 374 in Betracht: ὅτι Αἴγισϑος Ἀγαμέμνονα κτείνας τὸν βασιλέα συμβουλῇ τῆς γυναικὸς Κλυταιμνή- στρας καὶ τὸν Ὀρέστην τὸν τοῦ Ἀγαμέμνονος υἱὸν ἔμελλεν ἀνελεῖν. τοῦτον δὲ ἐρρύσατο Ταλϑύβιος ἐξαρπάσας καὶ ἐκϑέμενος εἰς τὴν Φωκίδα παρὰ Στρόφιον. δεκάτῳ δ̕ ἔτει ἐκ Φωκέων ἐλϑὼν μετὰ Πυλάδου τοῦ Στροφίου Αἴγισϑον καὶ τὴν μητέρα κτείνας τῶν Μυκηνῶν ἐβασίλευεν. ἐλαυνόμενος δὲ ὑπὸ τῶν Αἰγίσϑου φίλων, κατὰ δὲ τὸν πλεῖστον λόγον ὑπὸ Ἐρινύων ὡς ἐναγὴς ϑεοῦ κελεύ- σαντος εἰς Ἀϑήνας ἀφίκετο καὶ ἐν Ἀρείῳ πάγῳ κριϑεὶς ἀπέφυγεν. αὕτη ἡ δίκη φόνου τετάρτη ἐν Ἀϑήναις ἐκρίϑη. Mit dieser Nachricht, soweit sie Talthybios betrifft, stimmt auch Dictys Cret. VI 2 überein.

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/178>, abgerufen am 24.11.2024.