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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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hübschen Einfall des Aristophanes, die Götter den Todestag
beider durch Trauer und Fasten begehen: nub. 621

pollakis d emon agonton ton theon apastian,
enik an penthomen e ton Memnon e Sarpedona ktl.

Auch von dieser Seite her lässt sich also nicht erkennen,
welches Vorrecht Memnon vor Sarpedon gehabt haben sollte;
im Gegenteil, je früher man sich jenen bildlichen Typus ent-
standen denkt, desto ausschliesslicher wird der Anspruch des
Letzteren.

Noch ist eines weiteren Einwandes, den Brunn gegen die
Deutung auf Sarpedon macht, zu gedenken; er sagt S. 186 "Wenn
schon der um so viel bedeutsamere Tod des Patroklos zu einer
sehr schwachen, fast nur durch die Beziehung auf Achill bedingten
künstlerischen Entwickelung gelangt ist, so ist für den Tod des
Sarpedon (der nur eine Episode zur Verherrlichung des Patroklos
sei s. oben S. 112), eine stärkere Betonung in der Kunst sicher nicht
zu erwarten". Seltsam; einige Seiten vorher hat uns Brunn be-
lehrt (S. 176) "dass die Darstellungen von Memnons Tod die-
jenigen vom Tode des Achilleus bei weitem überragen". Nun
ist es aber doch gewiss Brunns Meinung, dass der Tod des
Achilleus noch ein weit bedeutsameres Ereignis sei, als der des
Memnon. Worin unterscheidet sich denn nun das Verhältnis,
wie es Brunn zwischen den Darstellungen von Memnons und
Achilleus' Tode voraussetzt, von demjenigen, das sich bei meiner
Deutung für die Darstellungen von Sarpedons und Patroklos'
Tode ergiebt?

Ich darf hoffen, durch die bisherigen Erörterungen den Nach-
weis geführt zu haben, dass gerade eine Betrachtungsweise, wie
die von Brunn angestellte, die Deutung auf Sarpedon nicht nur
nicht ausschliefen, sondern sie vielmehr in hohem Grade stützen
würde. Damit soll jedoch keineswegs gesagt sein, dass ich die
Richtigkeit oder die Berechtigung einer solchen Betrachtungs-
weise ohne weiteres anerkenne; vielmehr muss ich bekennen, dass
ich einige Zweifel nicht unterdrücken kann. Es mag an mir
liegen, aber ich bin wirklich ausser Stande, mir einen klaren

hübschen Einfall des Aristophanes, die Götter den Todestag
beider durch Trauer und Fasten begehen: nub. 621

πολλάκις δ̕ ἡμῶν ἀγόντων τῶν ϑεῶν ἀπαστίαν,
ἡνίκ̕ ἂν πενϑῶμεν ἢ τὸν Μέμνον̕ ἢ Σαρπηδόνα κτλ.

Auch von dieser Seite her läſst sich also nicht erkennen,
welches Vorrecht Memnon vor Sarpedon gehabt haben sollte;
im Gegenteil, je früher man sich jenen bildlichen Typus ent-
standen denkt, desto ausschlieſslicher wird der Anspruch des
Letzteren.

Noch ist eines weiteren Einwandes, den Brunn gegen die
Deutung auf Sarpedon macht, zu gedenken; er sagt S. 186 „Wenn
schon der um so viel bedeutsamere Tod des Patroklos zu einer
sehr schwachen, fast nur durch die Beziehung auf Achill bedingten
künstlerischen Entwickelung gelangt ist, so ist für den Tod des
Sarpedon (der nur eine Episode zur Verherrlichung des Patroklos
sei s. oben S. 112), eine stärkere Betonung in der Kunst sicher nicht
zu erwarten“. Seltsam; einige Seiten vorher hat uns Brunn be-
lehrt (S. 176) „daſs die Darstellungen von Memnons Tod die-
jenigen vom Tode des Achilleus bei weitem überragen“. Nun
ist es aber doch gewiſs Brunns Meinung, daſs der Tod des
Achilleus noch ein weit bedeutsameres Ereignis sei, als der des
Memnon. Worin unterscheidet sich denn nun das Verhältnis,
wie es Brunn zwischen den Darstellungen von Memnons und
Achilleus’ Tode voraussetzt, von demjenigen, das sich bei meiner
Deutung für die Darstellungen von Sarpedons und Patroklos’
Tode ergiebt?

Ich darf hoffen, durch die bisherigen Erörterungen den Nach-
weis geführt zu haben, daſs gerade eine Betrachtungsweise, wie
die von Brunn angestellte, die Deutung auf Sarpedon nicht nur
nicht ausschliefen, sondern sie vielmehr in hohem Grade stützen
würde. Damit soll jedoch keineswegs gesagt sein, daſs ich die
Richtigkeit oder die Berechtigung einer solchen Betrachtungs-
weise ohne weiteres anerkenne; vielmehr muſs ich bekennen, daſs
ich einige Zweifel nicht unterdrücken kann. Es mag an mir
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[121/0135] hübschen Einfall des Aristophanes, die Götter den Todestag beider durch Trauer und Fasten begehen: nub. 621 πολλάκις δ̕ ἡμῶν ἀγόντων τῶν ϑεῶν ἀπαστίαν, ἡνίκ̕ ἂν πενϑῶμεν ἢ τὸν Μέμνον̕ ἢ Σαρπηδόνα κτλ. Auch von dieser Seite her läſst sich also nicht erkennen, welches Vorrecht Memnon vor Sarpedon gehabt haben sollte; im Gegenteil, je früher man sich jenen bildlichen Typus ent- standen denkt, desto ausschlieſslicher wird der Anspruch des Letzteren. Noch ist eines weiteren Einwandes, den Brunn gegen die Deutung auf Sarpedon macht, zu gedenken; er sagt S. 186 „Wenn schon der um so viel bedeutsamere Tod des Patroklos zu einer sehr schwachen, fast nur durch die Beziehung auf Achill bedingten künstlerischen Entwickelung gelangt ist, so ist für den Tod des Sarpedon (der nur eine Episode zur Verherrlichung des Patroklos sei s. oben S. 112), eine stärkere Betonung in der Kunst sicher nicht zu erwarten“. Seltsam; einige Seiten vorher hat uns Brunn be- lehrt (S. 176) „daſs die Darstellungen von Memnons Tod die- jenigen vom Tode des Achilleus bei weitem überragen“. Nun ist es aber doch gewiſs Brunns Meinung, daſs der Tod des Achilleus noch ein weit bedeutsameres Ereignis sei, als der des Memnon. Worin unterscheidet sich denn nun das Verhältnis, wie es Brunn zwischen den Darstellungen von Memnons und Achilleus’ Tode voraussetzt, von demjenigen, das sich bei meiner Deutung für die Darstellungen von Sarpedons und Patroklos’ Tode ergiebt? Ich darf hoffen, durch die bisherigen Erörterungen den Nach- weis geführt zu haben, daſs gerade eine Betrachtungsweise, wie die von Brunn angestellte, die Deutung auf Sarpedon nicht nur nicht ausschliefen, sondern sie vielmehr in hohem Grade stützen würde. Damit soll jedoch keineswegs gesagt sein, daſs ich die Richtigkeit oder die Berechtigung einer solchen Betrachtungs- weise ohne weiteres anerkenne; vielmehr muſs ich bekennen, daſs ich einige Zweifel nicht unterdrücken kann. Es mag an mir liegen, aber ich bin wirklich auſser Stande, mir einen klaren

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/135>, abgerufen am 24.11.2024.