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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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als sie die äolische Heldensage übernahmen und weiterbildeten,
diese ihnen geläufige Figur als Bundesgenossen der Troer ein-
gefügt52); denn was für die Lesbier die Kämpfe mit der Troas,
das waren für sie die Kämpfe mit den Lykiern und Kariern;
und beide flossen zu einem grossen einheitlichen Bilde, dessen
Schauplatz Troia ist, zusammen. Es ist klar, dass damals mit
Sarpedon auch seine Lykier in die troische Sage aufgenommen
wurden und damals zuerst die Gegner der Griechen als Troes kai
Lukioi kai Dardanoi agkhimakhetai zusammengefasst wurden; und
gewiss war es auch damals, dass der Hauptfluss Lykiens, Xanthos,
seinen Namen hergeben musste, um als zweiter bei den Göttern
gebräuchlicher Name des Skamandros zu dienen53). Es bedarf
übrigens kaum der ausdrücklichen Versicherung, dass dieser
sagengeschichtliche Vorgang lange vor die Entstehung der uns
erhaltenen Gedichte fällt, dass also die Sänger Sarpedon und
seine Lykier bereits als integrierenden Bestandteil der Sage über-
nahmen.

Als eine ächt volkstümliche Gestalt wird Sarpedon endlich durch
den ihm geweihten religiösen Kult erwiesen. Das Sarpedoneion
bei Xanthos bezeugt Appian (bell. civ. IV 78. 79); gerade dieser
Umstand aber, dass man in Lykien das Grab des Sarpedon be-
sass, während die Sage die Gräber der übrigen vor Troia ge-
fallenen Helden in die Troas selbst setzt, wird wohl den ionischen
Sänger zu der singulären Erfindung veranlasst haben, dass Schlaf

52) Sehr merkwürdig ist der siegreiche Zweikampf des Sarpedon mit
dem Herakliden Tlepolemos d. h. dem Vertreter der Dorer auf Rhodos
(P 628--669), ein Kampf also, wie der Dichter ausdrücklich hervorzuheben
nicht unterlässt, zwischen einem Sohn und einem Enkel des Zeus. Sieht
diese Episode nicht ganz aus, wie eine Lokalsage aus der Südwestecke Klein-
asiens, deren Schauplatz ursprünglich gar nicht Troia, sondern Lykien ist,
wenn sie auch jetzt unlösbar in den Zusammenhang jenes troischen
Schlachtenbildes hineinverwebt ist?
53) So Hercher, Homerische Aufsätze S. 37 Anm. 4, von dessen Auffassung
ich nur insofern abweiche, als ich die Einführung des Doppelnamens Xan-
thos nicht als das willkürliche Spiel eines Nachdichters, sondern als notwen-
dige Konsequenz des oben geschilderten Vorgangs der Sagenentwicklung
oder vielmehr Sagenverschmelzung ansehe.

als sie die äolische Heldensage übernahmen und weiterbildeten,
diese ihnen geläufige Figur als Bundesgenossen der Troer ein-
gefügt52); denn was für die Lesbier die Kämpfe mit der Troas,
das waren für sie die Kämpfe mit den Lykiern und Kariern;
und beide flossen zu einem groſsen einheitlichen Bilde, dessen
Schauplatz Troia ist, zusammen. Es ist klar, daſs damals mit
Sarpedon auch seine Lykier in die troische Sage aufgenommen
wurden und damals zuerst die Gegner der Griechen als Τρῶες καὶ
Λύκιοι καὶ Δάρδανοι ἀγχιμαχηταί zusammengefaſst wurden; und
gewiſs war es auch damals, daſs der Hauptfluſs Lykiens, Xanthos,
seinen Namen hergeben muſste, um als zweiter bei den Göttern
gebräuchlicher Name des Skamandros zu dienen53). Es bedarf
übrigens kaum der ausdrücklichen Versicherung, daſs dieser
sagengeschichtliche Vorgang lange vor die Entstehung der uns
erhaltenen Gedichte fällt, daſs also die Sänger Sarpedon und
seine Lykier bereits als integrierenden Bestandteil der Sage über-
nahmen.

Als eine ächt volkstümliche Gestalt wird Sarpedon endlich durch
den ihm geweihten religiösen Kult erwiesen. Das Σαρπηδόνειον
bei Xanthos bezeugt Appian (bell. civ. IV 78. 79); gerade dieser
Umstand aber, daſs man in Lykien das Grab des Sarpedon be-
saſs, während die Sage die Gräber der übrigen vor Troia ge-
fallenen Helden in die Troas selbst setzt, wird wohl den ionischen
Sänger zu der singulären Erfindung veranlaſst haben, daſs Schlaf

52) Sehr merkwürdig ist der siegreiche Zweikampf des Sarpedon mit
dem Herakliden Tlepolemos d. h. dem Vertreter der Dorer auf Rhodos
(Π 628—669), ein Kampf also, wie der Dichter ausdrücklich hervorzuheben
nicht unterläſst, zwischen einem Sohn und einem Enkel des Zeus. Sieht
diese Episode nicht ganz aus, wie eine Lokalsage aus der Südwestecke Klein-
asiens, deren Schauplatz ursprünglich gar nicht Troia, sondern Lykien ist,
wenn sie auch jetzt unlösbar in den Zusammenhang jenes troischen
Schlachtenbildes hineinverwebt ist?
53) So Hercher, Homerische Aufsätze S. 37 Anm. 4, von dessen Auffassung
ich nur insofern abweiche, als ich die Einführung des Doppelnamens Xan-
thos nicht als das willkürliche Spiel eines Nachdichters, sondern als notwen-
dige Konsequenz des oben geschilderten Vorgangs der Sagenentwicklung
oder vielmehr Sagenverschmelzung ansehe.
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[118/0132] als sie die äolische Heldensage übernahmen und weiterbildeten, diese ihnen geläufige Figur als Bundesgenossen der Troer ein- gefügt 52); denn was für die Lesbier die Kämpfe mit der Troas, das waren für sie die Kämpfe mit den Lykiern und Kariern; und beide flossen zu einem groſsen einheitlichen Bilde, dessen Schauplatz Troia ist, zusammen. Es ist klar, daſs damals mit Sarpedon auch seine Lykier in die troische Sage aufgenommen wurden und damals zuerst die Gegner der Griechen als Τρῶες καὶ Λύκιοι καὶ Δάρδανοι ἀγχιμαχηταί zusammengefaſst wurden; und gewiſs war es auch damals, daſs der Hauptfluſs Lykiens, Xanthos, seinen Namen hergeben muſste, um als zweiter bei den Göttern gebräuchlicher Name des Skamandros zu dienen 53). Es bedarf übrigens kaum der ausdrücklichen Versicherung, daſs dieser sagengeschichtliche Vorgang lange vor die Entstehung der uns erhaltenen Gedichte fällt, daſs also die Sänger Sarpedon und seine Lykier bereits als integrierenden Bestandteil der Sage über- nahmen. Als eine ächt volkstümliche Gestalt wird Sarpedon endlich durch den ihm geweihten religiösen Kult erwiesen. Das Σαρπηδόνειον bei Xanthos bezeugt Appian (bell. civ. IV 78. 79); gerade dieser Umstand aber, daſs man in Lykien das Grab des Sarpedon be- saſs, während die Sage die Gräber der übrigen vor Troia ge- fallenen Helden in die Troas selbst setzt, wird wohl den ionischen Sänger zu der singulären Erfindung veranlaſst haben, daſs Schlaf 52) Sehr merkwürdig ist der siegreiche Zweikampf des Sarpedon mit dem Herakliden Tlepolemos d. h. dem Vertreter der Dorer auf Rhodos (Π 628—669), ein Kampf also, wie der Dichter ausdrücklich hervorzuheben nicht unterläſst, zwischen einem Sohn und einem Enkel des Zeus. Sieht diese Episode nicht ganz aus, wie eine Lokalsage aus der Südwestecke Klein- asiens, deren Schauplatz ursprünglich gar nicht Troia, sondern Lykien ist, wenn sie auch jetzt unlösbar in den Zusammenhang jenes troischen Schlachtenbildes hineinverwebt ist? 53) So Hercher, Homerische Aufsätze S. 37 Anm. 4, von dessen Auffassung ich nur insofern abweiche, als ich die Einführung des Doppelnamens Xan- thos nicht als das willkürliche Spiel eines Nachdichters, sondern als notwen- dige Konsequenz des oben geschilderten Vorgangs der Sagenentwicklung oder vielmehr Sagenverschmelzung ansehe.

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/132>, abgerufen am 24.11.2024.