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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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gespitzte Pointe, eine gar zu feine Beziehung in die Auswahl
und Gruppierung der Darstellungen zu legen. Wie ja überhaupt
das Gesuchte und Zugespitzte dem einfachen und schlichten
Geist des fünften Jahrhunderts widerspricht, so dürfen wir am
wenigsten tiefe und versteckte Gedanken bei schlichten attischen
Werkmeistern voraussetzen.

Anders lautet das Urteil von Brunn. Nach seiner An-
schauung, die er vor kurzem im dritten Heft seiner Troischen
Miscellen (Ber. d. bayer. Akad. d. Wissenschaften 1880 S. 167 f.)
ausführlich dargelegt hat, haben die Vasenmaler in der Auswahl und
Zusammenstellung der Scenen einen Tiefsinn und einen Gedanken-
reichtum entwickelt, wie Pindar in seinen Oden und die Tragiker
in ihren Chorgesängen (s. Brunn a. a. O. S. 185) teils wirklich teils
nach der Meinung einer jetzt glücklich überwundenen Interpre-
tationsmethode gezeigt haben. Wir werden von Brunn belehrt:
erstens S. 184, dass "die Vasenmaler nicht jede beliebige Scene
des troischen Krieges (und also doch auch der übrigen Sagen-
kreise) darstellten, selbst wenn dieselbe an sich in der Schilde-
rung eines epischen Dichters die Elemente für eine künstlerische
Konception darbot, sondern in ähnlichem Sinn wie die Tragiker
mit Umsicht und im Hinblick auf die Gesamtentwicklung des
Sagenkreises dasjenige auswählten, was über die äussere Gestal-
tung der Darstellung hinaus der Phantasie eine reichere Anre-
gung bot" oder, wie der Lehrsatz an einer anderen Stelle S. 186
in kürzerer Formulierung lautet, "dass nur Kern- und Knoten-
punkte der Sage in der älteren und mittleren Vasenmalerei eine
typische Geltung erlangt haben". Wir lernen zweitens S. 185,
dass derselbe feine poetische Sinn auch in der Verbindung ver-
schiedener Scenen auf einem und demselben Gefässe in nicht ge-
ringerem Masse vorauszusetzen ist, dass dabei nicht etwa reine
Willkür, sondern (wenigstens bei sorgfältiger ausgeführten Ge-
fässen) ein einheitlicher zusammenfassender Grundgedanke mass-
gebend war, dass zwar ausnahmsweise auch die Scene der einen
Seite die fast unmittelbare Fortsetzung der anderen bildet, dass
aber in den weitaus meisten Fällen der Zusammenhang nicht in
dem Stofflichen des Inhaltes, sondern in poetischen Beziehungen

Philolog. Untersuchungen V. 7

gespitzte Pointe, eine gar zu feine Beziehung in die Auswahl
und Gruppierung der Darstellungen zu legen. Wie ja überhaupt
das Gesuchte und Zugespitzte dem einfachen und schlichten
Geist des fünften Jahrhunderts widerspricht, so dürfen wir am
wenigsten tiefe und versteckte Gedanken bei schlichten attischen
Werkmeistern voraussetzen.

Anders lautet das Urteil von Brunn. Nach seiner An-
schauung, die er vor kurzem im dritten Heft seiner Troischen
Miscellen (Ber. d. bayer. Akad. d. Wissenschaften 1880 S. 167 f.)
ausführlich dargelegt hat, haben die Vasenmaler in der Auswahl und
Zusammenstellung der Scenen einen Tiefsinn und einen Gedanken-
reichtum entwickelt, wie Pindar in seinen Oden und die Tragiker
in ihren Chorgesängen (s. Brunn a. a. O. S. 185) teils wirklich teils
nach der Meinung einer jetzt glücklich überwundenen Interpre-
tationsmethode gezeigt haben. Wir werden von Brunn belehrt:
erstens S. 184, daſs „die Vasenmaler nicht jede beliebige Scene
des troischen Krieges (und also doch auch der übrigen Sagen-
kreise) darstellten, selbst wenn dieselbe an sich in der Schilde-
rung eines epischen Dichters die Elemente für eine künstlerische
Konception darbot, sondern in ähnlichem Sinn wie die Tragiker
mit Umsicht und im Hinblick auf die Gesamtentwicklung des
Sagenkreises dasjenige auswählten, was über die äuſsere Gestal-
tung der Darstellung hinaus der Phantasie eine reichere Anre-
gung bot“ oder, wie der Lehrsatz an einer anderen Stelle S. 186
in kürzerer Formulierung lautet, „daſs nur Kern- und Knoten-
punkte der Sage in der älteren und mittleren Vasenmalerei eine
typische Geltung erlangt haben“. Wir lernen zweitens S. 185,
daſs derselbe feine poetische Sinn auch in der Verbindung ver-
schiedener Scenen auf einem und demselben Gefäſse in nicht ge-
ringerem Maſse vorauszusetzen ist, daſs dabei nicht etwa reine
Willkür, sondern (wenigstens bei sorgfältiger ausgeführten Ge-
fäſsen) ein einheitlicher zusammenfassender Grundgedanke maſs-
gebend war, daſs zwar ausnahmsweise auch die Scene der einen
Seite die fast unmittelbare Fortsetzung der anderen bildet, daſs
aber in den weitaus meisten Fällen der Zusammenhang nicht in
dem Stofflichen des Inhaltes, sondern in poetischen Beziehungen

Philolog. Untersuchungen V. 7
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[97/0111] gespitzte Pointe, eine gar zu feine Beziehung in die Auswahl und Gruppierung der Darstellungen zu legen. Wie ja überhaupt das Gesuchte und Zugespitzte dem einfachen und schlichten Geist des fünften Jahrhunderts widerspricht, so dürfen wir am wenigsten tiefe und versteckte Gedanken bei schlichten attischen Werkmeistern voraussetzen. Anders lautet das Urteil von Brunn. Nach seiner An- schauung, die er vor kurzem im dritten Heft seiner Troischen Miscellen (Ber. d. bayer. Akad. d. Wissenschaften 1880 S. 167 f.) ausführlich dargelegt hat, haben die Vasenmaler in der Auswahl und Zusammenstellung der Scenen einen Tiefsinn und einen Gedanken- reichtum entwickelt, wie Pindar in seinen Oden und die Tragiker in ihren Chorgesängen (s. Brunn a. a. O. S. 185) teils wirklich teils nach der Meinung einer jetzt glücklich überwundenen Interpre- tationsmethode gezeigt haben. Wir werden von Brunn belehrt: erstens S. 184, daſs „die Vasenmaler nicht jede beliebige Scene des troischen Krieges (und also doch auch der übrigen Sagen- kreise) darstellten, selbst wenn dieselbe an sich in der Schilde- rung eines epischen Dichters die Elemente für eine künstlerische Konception darbot, sondern in ähnlichem Sinn wie die Tragiker mit Umsicht und im Hinblick auf die Gesamtentwicklung des Sagenkreises dasjenige auswählten, was über die äuſsere Gestal- tung der Darstellung hinaus der Phantasie eine reichere Anre- gung bot“ oder, wie der Lehrsatz an einer anderen Stelle S. 186 in kürzerer Formulierung lautet, „daſs nur Kern- und Knoten- punkte der Sage in der älteren und mittleren Vasenmalerei eine typische Geltung erlangt haben“. Wir lernen zweitens S. 185, daſs derselbe feine poetische Sinn auch in der Verbindung ver- schiedener Scenen auf einem und demselben Gefäſse in nicht ge- ringerem Maſse vorauszusetzen ist, daſs dabei nicht etwa reine Willkür, sondern (wenigstens bei sorgfältiger ausgeführten Ge- fäſsen) ein einheitlicher zusammenfassender Grundgedanke maſs- gebend war, daſs zwar ausnahmsweise auch die Scene der einen Seite die fast unmittelbare Fortsetzung der anderen bildet, daſs aber in den weitaus meisten Fällen der Zusammenhang nicht in dem Stofflichen des Inhaltes, sondern in poetischen Beziehungen Philolog. Untersuchungen V. 7

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/111>, abgerufen am 27.11.2024.