Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.der Gastfreundschaft; denn er kann doch jetzt noch nicht wissen, kann, dass er "mit königlicher Würde die Pflicht des Gastfreundes übe", ist mir unverständlich. 24) An der ausländischen Kleidung und den Lanzen erkennt der ältere
Miltiades die Dolonker als Fremde. Herodot VI 35 oreon tous Dologkous pariontas estheta ekhontas ouk egkhorien kai aikhmas prosebosato kai sphi pros- elthousi epeggeilato katagogen kai xeinia. der Gastfreundschaft; denn er kann doch jetzt noch nicht wissen, kann, daſs er „mit königlicher Würde die Pflicht des Gastfreundes übe“, ist mir unverständlich. 24) An der ausländischen Kleidung und den Lanzen erkennt der ältere
Miltiades die Dolonker als Fremde. Herodot VI 35 ὁρέων τοὺς Δολόγκους παριόντας ἐσϑῆτα ἔχοντας οὐκ ἐγχωρίην καὶ αἰχμὰς προσεβώσατο καί σφι προσ- ελϑοῦσι ἐπηγγείλατο καταγωγὴν καὶ ξείνια. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0107" n="93"/> der Gastfreundschaft; denn er kann doch jetzt noch nicht wissen,<lb/> welche Gefahr ihm der Ankömmling bringt. Und ist es ferner<lb/> erhört, daſs fremde unbekannte Ankömmlinge statt in den<lb/> Saal in das Frauengemach geführt werden? denn dieses ist<lb/> doch auf der Vase wie durch die arbeitenden Mädchen so<lb/> namentlich durch die an der Wand hängende Haube der<lb/> Hausfrau deutlich genug charakterisiert. Seltsam muſs es auch<lb/> berühren, Aineias und Paris ohne Waffen ohne Reisehut in<lb/> der Fremde umherirren zu sehen, während wir beide auf<lb/> den sicheren älteren Darstellungen vom Raub der Helena ent-<lb/> weder in völliger Rüstung, oder mit Petasos und Schwert oder<lb/> Lanze <note place="foot" n="24)">An der ausländischen Kleidung <hi rendition="#g">und den Lanzen</hi> erkennt der ältere<lb/> Miltiades die Dolonker als Fremde. Herodot VI 35 ὁρέων τοὺς Δολόγκους<lb/> παριόντας ἐσϑῆτα ἔχοντας οὐκ ἐγχωρίην <hi rendition="#g">καὶ αἰχμὰς</hi> προσεβώσατο καί σφι προσ-<lb/> ελϑοῦσι ἐπηγγείλατο καταγωγὴν καὶ ξείνια.</note> finden. Und nun gar das Gebaren der einen „Diene-<lb/> rin“. Sie muſs mit übernatürlichem Scharfsinn begabt sein,<lb/> um gleich beim ersten Anblick dem Paris anzumerken, daſs er<lb/> gekommen ist, ihre Herrin zu entführen. Diesen Bedenken<lb/> gegenüber wird wohl die Urlichs’sche Deutung aufzugeben sein.<lb/> Nicht in den Palast des Menelaos, sondern in sein Vaterhaus<lb/> tritt hier Paris ein. Seine Mutter Hekabe eilt ihm freudig ent-<lb/> gegen; Priamos aber steht zweifelnd. In ihm kämpft die Vater-<lb/> liebe mit der Furcht vor dem Schicksalswort, daſs Paris ihm<lb/> und seinem Volk Verderben bringe. Die beiden Mädchen sind Töchter<lb/> des Priamos. Unverkennbar ist Kassandra, die, da sie Paris zurück-<lb/> kehren und jetzt das Verderben gewiſs sieht, das Gemach ver-<lb/> lässt mit allen Zeichen des Schreckens und Entsetzens. Das<lb/> spinnende Mädchen ist nicht näher charakterisiert. Möglich, ja<lb/> wahrscheinlich, daſs Brygos hier Polyxena darstellen wollte, deren<lb/> Gestalt in anderen Sagen am meisten ausgebildet und deren<lb/> Tod eng mit Ilions Fall verknüpft ist. Die Gestalt aber, welche<lb/> hinter Paris schreitet und ihn ins Vaterhaus zurückführt, ist<lb/> Niemand anders, als Aphrodite selbst; Brygos hat ihr mit Absicht<lb/><note xml:id="seg2pn_10_2" prev="#seg2pn_10_1" place="foot" n="23)">kann, daſs er „mit königlicher Würde die Pflicht des Gastfreundes übe“, ist<lb/> mir unverständlich.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [93/0107]
der Gastfreundschaft; denn er kann doch jetzt noch nicht wissen,
welche Gefahr ihm der Ankömmling bringt. Und ist es ferner
erhört, daſs fremde unbekannte Ankömmlinge statt in den
Saal in das Frauengemach geführt werden? denn dieses ist
doch auf der Vase wie durch die arbeitenden Mädchen so
namentlich durch die an der Wand hängende Haube der
Hausfrau deutlich genug charakterisiert. Seltsam muſs es auch
berühren, Aineias und Paris ohne Waffen ohne Reisehut in
der Fremde umherirren zu sehen, während wir beide auf
den sicheren älteren Darstellungen vom Raub der Helena ent-
weder in völliger Rüstung, oder mit Petasos und Schwert oder
Lanze 24) finden. Und nun gar das Gebaren der einen „Diene-
rin“. Sie muſs mit übernatürlichem Scharfsinn begabt sein,
um gleich beim ersten Anblick dem Paris anzumerken, daſs er
gekommen ist, ihre Herrin zu entführen. Diesen Bedenken
gegenüber wird wohl die Urlichs’sche Deutung aufzugeben sein.
Nicht in den Palast des Menelaos, sondern in sein Vaterhaus
tritt hier Paris ein. Seine Mutter Hekabe eilt ihm freudig ent-
gegen; Priamos aber steht zweifelnd. In ihm kämpft die Vater-
liebe mit der Furcht vor dem Schicksalswort, daſs Paris ihm
und seinem Volk Verderben bringe. Die beiden Mädchen sind Töchter
des Priamos. Unverkennbar ist Kassandra, die, da sie Paris zurück-
kehren und jetzt das Verderben gewiſs sieht, das Gemach ver-
lässt mit allen Zeichen des Schreckens und Entsetzens. Das
spinnende Mädchen ist nicht näher charakterisiert. Möglich, ja
wahrscheinlich, daſs Brygos hier Polyxena darstellen wollte, deren
Gestalt in anderen Sagen am meisten ausgebildet und deren
Tod eng mit Ilions Fall verknüpft ist. Die Gestalt aber, welche
hinter Paris schreitet und ihn ins Vaterhaus zurückführt, ist
Niemand anders, als Aphrodite selbst; Brygos hat ihr mit Absicht
23)
24) An der ausländischen Kleidung und den Lanzen erkennt der ältere
Miltiades die Dolonker als Fremde. Herodot VI 35 ὁρέων τοὺς Δολόγκους
παριόντας ἐσϑῆτα ἔχοντας οὐκ ἐγχωρίην καὶ αἰχμὰς προσεβώσατο καί σφι προσ-
ελϑοῦσι ἐπηγγείλατο καταγωγὴν καὶ ξείνια.
23) kann, daſs er „mit königlicher Würde die Pflicht des Gastfreundes übe“, ist
mir unverständlich.
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