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Riemann, Bernhard: Ueber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen. In: Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 13 (1868), S. 133-150.

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ÜB. D. HYPOTHESEN, WELCHE DER GEOMETRIE ZU GRUNDE LIEGEN.
§. 3.

Ich werde nun zeigen, wie man umgekehrt eine Veränderlichkeit,
deren Gebiet gegeben ist, in eine Veränderlichkeit von einer Dimension
und eine Veränderlichkeit von weniger Dimensionen zerlegen kann. Zu
diesem Ende denke man sich ein veränderliches Stück einer Mannigfal-
tigkeit von einer Dimension -- von einem festen Anfangspunkte an ge-
rechnet, so dass die Werthe desselben unter einander vergleichbar sind --
welches für jeden Punkt der gegebenen Mannigfaltigkeit einen bestimm-
ten mit ihm stetig sich ändernden Werth hat, oder mit andern Worten,
man nehme innerhalb der gegebenen Mannigfaltigkeit eine stetige Fun-
ction des Orts an, und zwar eine solche Function, welche nicht längs
eines Theils dieser Mannigfaltigkeit constant ist. Jedes System von
Punkten, wo die Function einen constanten Werth hat, bildet dann eine
stetige Mannigfaltigkeit von weniger Dimensionen, als die gegebene.
Diese Mannigfaltigkeiten gehen bei Aenderung der Function stetig in
einander über; man wird daher annehmen können, dass aus einer von
ihnen die übrigen hervorgehen, und es wird dies, allgemein zu reden,
so geschehen können, dass jeder Punkt in einen bestimmten Punkt der
andern übergeht; die Ausnahmsfälle, deren Untersuchung wichtig ist,
können hier unberücksichtigt bleiben. Hierdurch wird die Ortsbestim-
mung in der gegebenen Mannigfaltigkeit zurückgeführt auf eine Grössen-
bestimmung und auf eine Ortsbestimmung in einer minderfach ausge-
dehnten Mannigfaltigkeit. Es ist nun leicht zu zeigen, dass diese Man-
nigfaltigkeit n -- 1 Dimensionen hat, wenn die gegebene Mannigfaltigkeit
eine nfach ausgedehnte ist. Durch nmalige Wiederholung dieses Ver-
fahrens wird daher die Ortsbestimmung in einer nfach ausgedehnten Man-
nigfaltigkeit auf n Grössenbestimmungen, und also die Ortsbestimmung
in einer gegebenen Mannigfaltigkeit, wenn dieses möglich ist, auf eine
endliche Anzahl von Quantitätsbestimmungen zurückgeführt. Es giebt
indess auch Mannigfaltigkeiten, in welchen die Ortsbestimmung nicht
eine endliche Zahl, sondern entweder eine unendliche Reihe oder eine
stetige Mannigfaltigkeit von Grössenbestimmungen erfordert. Solche Man-
nigfaltigkeiten bilden z. B. die möglichen Bestimmungen einer Function

Mathem. Classe. XIII. S
ÜB. D. HYPOTHESEN, WELCHE DER GEOMETRIE ZU GRUNDE LIEGEN.
§. 3.

Ich werde nun zeigen, wie man umgekehrt eine Veränderlichkeit,
deren Gebiet gegeben ist, in eine Veränderlichkeit von einer Dimension
und eine Veränderlichkeit von weniger Dimensionen zerlegen kann. Zu
diesem Ende denke man sich ein veränderliches Stück einer Mannigfal-
tigkeit von einer Dimension — von einem festen Anfangspunkte an ge-
rechnet, so dass die Werthe desselben unter einander vergleichbar sind —
welches für jeden Punkt der gegebenen Mannigfaltigkeit einen bestimm-
ten mit ihm stetig sich ändernden Werth hat, oder mit andern Worten,
man nehme innerhalb der gegebenen Mannigfaltigkeit eine stetige Fun-
ction des Orts an, und zwar eine solche Function, welche nicht längs
eines Theils dieser Mannigfaltigkeit constant ist. Jedes System von
Punkten, wo die Function einen constanten Werth hat, bildet dann eine
stetige Mannigfaltigkeit von weniger Dimensionen, als die gegebene.
Diese Mannigfaltigkeiten gehen bei Aenderung der Function stetig in
einander über; man wird daher annehmen können, dass aus einer von
ihnen die übrigen hervorgehen, und es wird dies, allgemein zu reden,
so geschehen können, dass jeder Punkt in einen bestimmten Punkt der
andern übergeht; die Ausnahmsfälle, deren Untersuchung wichtig ist,
können hier unberücksichtigt bleiben. Hierdurch wird die Ortsbestim-
mung in der gegebenen Mannigfaltigkeit zurückgeführt auf eine Grössen-
bestimmung und auf eine Ortsbestimmung in einer minderfach ausge-
dehnten Mannigfaltigkeit. Es ist nun leicht zu zeigen, dass diese Man-
nigfaltigkeit n — 1 Dimensionen hat, wenn die gegebene Mannigfaltigkeit
eine nfach ausgedehnte ist. Durch nmalige Wiederholung dieses Ver-
fahrens wird daher die Ortsbestimmung in einer nfach ausgedehnten Man-
nigfaltigkeit auf n Grössenbestimmungen, und also die Ortsbestimmung
in einer gegebenen Mannigfaltigkeit, wenn dieses möglich ist, auf eine
endliche Anzahl von Quantitätsbestimmungen zurückgeführt. Es giebt
indess auch Mannigfaltigkeiten, in welchen die Ortsbestimmung nicht
eine endliche Zahl, sondern entweder eine unendliche Reihe oder eine
stetige Mannigfaltigkeit von Grössenbestimmungen erfordert. Solche Man-
nigfaltigkeiten bilden z. B. die möglichen Bestimmungen einer Function

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[137/0012] ÜB. D. HYPOTHESEN, WELCHE DER GEOMETRIE ZU GRUNDE LIEGEN. §. 3. Ich werde nun zeigen, wie man umgekehrt eine Veränderlichkeit, deren Gebiet gegeben ist, in eine Veränderlichkeit von einer Dimension und eine Veränderlichkeit von weniger Dimensionen zerlegen kann. Zu diesem Ende denke man sich ein veränderliches Stück einer Mannigfal- tigkeit von einer Dimension — von einem festen Anfangspunkte an ge- rechnet, so dass die Werthe desselben unter einander vergleichbar sind — welches für jeden Punkt der gegebenen Mannigfaltigkeit einen bestimm- ten mit ihm stetig sich ändernden Werth hat, oder mit andern Worten, man nehme innerhalb der gegebenen Mannigfaltigkeit eine stetige Fun- ction des Orts an, und zwar eine solche Function, welche nicht längs eines Theils dieser Mannigfaltigkeit constant ist. Jedes System von Punkten, wo die Function einen constanten Werth hat, bildet dann eine stetige Mannigfaltigkeit von weniger Dimensionen, als die gegebene. Diese Mannigfaltigkeiten gehen bei Aenderung der Function stetig in einander über; man wird daher annehmen können, dass aus einer von ihnen die übrigen hervorgehen, und es wird dies, allgemein zu reden, so geschehen können, dass jeder Punkt in einen bestimmten Punkt der andern übergeht; die Ausnahmsfälle, deren Untersuchung wichtig ist, können hier unberücksichtigt bleiben. Hierdurch wird die Ortsbestim- mung in der gegebenen Mannigfaltigkeit zurückgeführt auf eine Grössen- bestimmung und auf eine Ortsbestimmung in einer minderfach ausge- dehnten Mannigfaltigkeit. Es ist nun leicht zu zeigen, dass diese Man- nigfaltigkeit n — 1 Dimensionen hat, wenn die gegebene Mannigfaltigkeit eine nfach ausgedehnte ist. Durch nmalige Wiederholung dieses Ver- fahrens wird daher die Ortsbestimmung in einer nfach ausgedehnten Man- nigfaltigkeit auf n Grössenbestimmungen, und also die Ortsbestimmung in einer gegebenen Mannigfaltigkeit, wenn dieses möglich ist, auf eine endliche Anzahl von Quantitätsbestimmungen zurückgeführt. Es giebt indess auch Mannigfaltigkeiten, in welchen die Ortsbestimmung nicht eine endliche Zahl, sondern entweder eine unendliche Reihe oder eine stetige Mannigfaltigkeit von Grössenbestimmungen erfordert. Solche Man- nigfaltigkeiten bilden z. B. die möglichen Bestimmungen einer Function Mathem. Classe. XIII. S

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Zitationshilfe: Riemann, Bernhard: Ueber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen. In: Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 13 (1868), S. 133-150, hier S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riemann_hypothesen_1867/12>, abgerufen am 23.11.2024.