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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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A. Altorientalisches.
anscheinend primitive, von Aussen her unbeeinflusste Künste zur Ver-
gleichung heranziehen, die das Pflanzenornament gar nicht kennen, aber
die Spirale in ausserordentlichem Maasse ausgebildet haben; es soll
dann auch auf die vielerörterte Frage nach der Entstehung der Spirale
mit einigen Worten eingegangen werden. Vorerst wollen wir aber die
Art der Verwendung der Spirale in der altegyptischen Kunst in Be-
tracht ziehen. Das ursprüngliche Schema ist auch hier dasjenige
des Streifens, der Bordüre, des Frieses (Fig. 25). Die Spirale rollt sich
[Abbildung] Fig. 26.

Innenmusterung mit Spiralen und zwickelfüllendem Lotus.

ein und wieder aus; der Mittelpunkt wird im vorliegenden Falle deut-
lich durch eine Rosette gekennzeichnet; ist das Ornament in kleinerem
Maassstabe gehalten, namentlich an Metallgefässen, dann erscheint
anstatt der vielblättrigen Rosette ein blosser Kreis, das sogen. Auge.
Die Zwickel, welche die verbindenden Linien mit der Peripherie
der kreisförmigen Einrollungen bilden, sind mit deutlichen Lotus-
blüthen in Profil ausgefüllt. Es leidet hiernach keinen Zweifel: das
maassgebende Verzierungselement ist hier die Spirale, die
Blüthenmotive sind dagegen blosse Zuthaten, hervorgerufen
durch das Postulat der Zwickelfüllung
.


A. Altorientalisches.
anscheinend primitive, von Aussen her unbeeinflusste Künste zur Ver-
gleichung heranziehen, die das Pflanzenornament gar nicht kennen, aber
die Spirale in ausserordentlichem Maasse ausgebildet haben; es soll
dann auch auf die vielerörterte Frage nach der Entstehung der Spirale
mit einigen Worten eingegangen werden. Vorerst wollen wir aber die
Art der Verwendung der Spirale in der altegyptischen Kunst in Be-
tracht ziehen. Das ursprüngliche Schema ist auch hier dasjenige
des Streifens, der Bordüre, des Frieses (Fig. 25). Die Spirale rollt sich
[Abbildung] Fig. 26.

Innenmusterung mit Spiralen und zwickelfüllendem Lotus.

ein und wieder aus; der Mittelpunkt wird im vorliegenden Falle deut-
lich durch eine Rosette gekennzeichnet; ist das Ornament in kleinerem
Maassstabe gehalten, namentlich an Metallgefässen, dann erscheint
anstatt der vielblättrigen Rosette ein blosser Kreis, das sogen. Auge.
Die Zwickel, welche die verbindenden Linien mit der Peripherie
der kreisförmigen Einrollungen bilden, sind mit deutlichen Lotus-
blüthen in Profil ausgefüllt. Es leidet hiernach keinen Zweifel: das
maassgebende Verzierungselement ist hier die Spirale, die
Blüthenmotive sind dagegen blosse Zuthaten, hervorgerufen
durch das Postulat der Zwickelfüllung
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[72/0098] A. Altorientalisches. anscheinend primitive, von Aussen her unbeeinflusste Künste zur Ver- gleichung heranziehen, die das Pflanzenornament gar nicht kennen, aber die Spirale in ausserordentlichem Maasse ausgebildet haben; es soll dann auch auf die vielerörterte Frage nach der Entstehung der Spirale mit einigen Worten eingegangen werden. Vorerst wollen wir aber die Art der Verwendung der Spirale in der altegyptischen Kunst in Be- tracht ziehen. Das ursprüngliche Schema ist auch hier dasjenige des Streifens, der Bordüre, des Frieses (Fig. 25). Die Spirale rollt sich [Abbildung Fig. 26. Innenmusterung mit Spiralen und zwickelfüllendem Lotus.] ein und wieder aus; der Mittelpunkt wird im vorliegenden Falle deut- lich durch eine Rosette gekennzeichnet; ist das Ornament in kleinerem Maassstabe gehalten, namentlich an Metallgefässen, dann erscheint anstatt der vielblättrigen Rosette ein blosser Kreis, das sogen. Auge. Die Zwickel, welche die verbindenden Linien mit der Peripherie der kreisförmigen Einrollungen bilden, sind mit deutlichen Lotus- blüthen in Profil ausgefüllt. Es leidet hiernach keinen Zweifel: das maassgebende Verzierungselement ist hier die Spirale, die Blüthenmotive sind dagegen blosse Zuthaten, hervorgerufen durch das Postulat der Zwickelfüllung.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/98>, abgerufen am 23.11.2024.