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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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A. Altorientalisches.

Wie wichtig gerade der Volutenkelch bei der Zusammensetzung
der egyptischen Palmette gewesen ist, erhellt am besten daraus, dass zahl-
reiche Beispiele vorkommen, an denen der bekrönende Fächer in Weg-
fall gekommen ist. An Fig. 19 allerdings ist dieser Wegfall nur ein
scheinbarer, die einzelnen Blätter der Fächer sind zwar nicht in
Zeichnung ausgeführt, aber der Gesammt-Aussencontour desselben ist
deutlich umschrieben. Diese Stilisirung der Krone läuft vielmehr ganz
parallel jener in Fig. 13 beobachteten, wo die Blätter der Krone völlig
in der gleichen Weise nicht einzeln ausgeführt, sondern nur durch den
Gesammtcontour angedeutet sind.26) Eine zweifellose Reduction des
Palmettenmotivs bietet dagegen Fig. 20, nach einem Kapitäl aus der
Zeit Thutmes' III. Hier haben wir, wenn wir von der untersten Blatt-

[Abbildung] Fig. 19.

Egyptische Palmette
mit schematisch gezeichnetem Blattfächer.

[Abbildung] Fig. 20.

Volutenkelch mit blossem Zäpfchen
als Zwickelfüllung. Aus Karnak.

hülse des Kapitäls absehen, bloss einen Volutenkelch mit zwickel-
füllenden Zäpfchen. Da gilt es aber vor Allem, den Nachweis zu
liefern, dass wir es in der That mit einer Verkürzung des schon
fertigen Palmettenmotivs zu thun haben, und nicht umgekehrt mit einer
früheren einfacheren Vorstufe, aus welcher sich unter Hinzufügung
des Fächers die Palmette erst nachträglich entwickelt hätte. So viel
nun bis jetzt bekannt, ist die Palmette früher27) an Denkmälern nach-

26) Diese Parallele scheint übrigens geeignet, uns vollends zu bestärken in
der Ueberzeugung, dass der krönende Fächer der Palmette eben als Blüten-
krone und nicht als Fruchtknoten, wie Goodyear will, aufzufassen ist.
27) Nach Goodyear (S. 112) unter Berufung auf Flinders Petrie an Amuleten
aus der XII. Dyn., die Palmette mit blosser Contourumschreibung des Fächers
sogar schon an Denkmälern aus der Zeit der IV. Dyn.
A. Altorientalisches.

Wie wichtig gerade der Volutenkelch bei der Zusammensetzung
der egyptischen Palmette gewesen ist, erhellt am besten daraus, dass zahl-
reiche Beispiele vorkommen, an denen der bekrönende Fächer in Weg-
fall gekommen ist. An Fig. 19 allerdings ist dieser Wegfall nur ein
scheinbarer, die einzelnen Blätter der Fächer sind zwar nicht in
Zeichnung ausgeführt, aber der Gesammt-Aussencontour desselben ist
deutlich umschrieben. Diese Stilisirung der Krone läuft vielmehr ganz
parallel jener in Fig. 13 beobachteten, wo die Blätter der Krone völlig
in der gleichen Weise nicht einzeln ausgeführt, sondern nur durch den
Gesammtcontour angedeutet sind.26) Eine zweifellose Reduction des
Palmettenmotivs bietet dagegen Fig. 20, nach einem Kapitäl aus der
Zeit Thutmes’ III. Hier haben wir, wenn wir von der untersten Blatt-

[Abbildung] Fig. 19.

Egyptische Palmette
mit schematisch gezeichnetem Blattfächer.

[Abbildung] Fig. 20.

Volutenkelch mit blossem Zäpfchen
als Zwickelfüllung. Aus Karnak.

hülse des Kapitäls absehen, bloss einen Volutenkelch mit zwickel-
füllenden Zäpfchen. Da gilt es aber vor Allem, den Nachweis zu
liefern, dass wir es in der That mit einer Verkürzung des schon
fertigen Palmettenmotivs zu thun haben, und nicht umgekehrt mit einer
früheren einfacheren Vorstufe, aus welcher sich unter Hinzufügung
des Fächers die Palmette erst nachträglich entwickelt hätte. So viel
nun bis jetzt bekannt, ist die Palmette früher27) an Denkmälern nach-

26) Diese Parallele scheint übrigens geeignet, uns vollends zu bestärken in
der Ueberzeugung, dass der krönende Fächer der Palmette eben als Blüten-
krone und nicht als Fruchtknoten, wie Goodyear will, aufzufassen ist.
27) Nach Goodyear (S. 112) unter Berufung auf Flinders Petrie an Amuleten
aus der XII. Dyn., die Palmette mit blosser Contourumschreibung des Fächers
sogar schon an Denkmälern aus der Zeit der IV. Dyn.
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[64/0090] A. Altorientalisches. Wie wichtig gerade der Volutenkelch bei der Zusammensetzung der egyptischen Palmette gewesen ist, erhellt am besten daraus, dass zahl- reiche Beispiele vorkommen, an denen der bekrönende Fächer in Weg- fall gekommen ist. An Fig. 19 allerdings ist dieser Wegfall nur ein scheinbarer, die einzelnen Blätter der Fächer sind zwar nicht in Zeichnung ausgeführt, aber der Gesammt-Aussencontour desselben ist deutlich umschrieben. Diese Stilisirung der Krone läuft vielmehr ganz parallel jener in Fig. 13 beobachteten, wo die Blätter der Krone völlig in der gleichen Weise nicht einzeln ausgeführt, sondern nur durch den Gesammtcontour angedeutet sind. 26) Eine zweifellose Reduction des Palmettenmotivs bietet dagegen Fig. 20, nach einem Kapitäl aus der Zeit Thutmes’ III. Hier haben wir, wenn wir von der untersten Blatt- [Abbildung Fig. 19. Egyptische Palmette mit schematisch gezeichnetem Blattfächer.] [Abbildung Fig. 20. Volutenkelch mit blossem Zäpfchen als Zwickelfüllung. Aus Karnak.] hülse des Kapitäls absehen, bloss einen Volutenkelch mit zwickel- füllenden Zäpfchen. Da gilt es aber vor Allem, den Nachweis zu liefern, dass wir es in der That mit einer Verkürzung des schon fertigen Palmettenmotivs zu thun haben, und nicht umgekehrt mit einer früheren einfacheren Vorstufe, aus welcher sich unter Hinzufügung des Fächers die Palmette erst nachträglich entwickelt hätte. So viel nun bis jetzt bekannt, ist die Palmette früher 27) an Denkmälern nach- 26) Diese Parallele scheint übrigens geeignet, uns vollends zu bestärken in der Ueberzeugung, dass der krönende Fächer der Palmette eben als Blüten- krone und nicht als Fruchtknoten, wie Goodyear will, aufzufassen ist. 27) Nach Goodyear (S. 112) unter Berufung auf Flinders Petrie an Amuleten aus der XII. Dyn., die Palmette mit blosser Contourumschreibung des Fächers sogar schon an Denkmälern aus der Zeit der IV. Dyn.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/90>, abgerufen am 23.11.2024.