Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.2. Frühsaracenische Rankenornamentik. haben. Was an den erwähnten Einzeichnungen an den Motiven vonFig. 193, sowie an Fig. 139 (insbesondere an b und c) zunächst an flache Halbpalmetten-Projektion denken lässt, ist hauptsächlich die Kelchvolute am Ansatze des eingezeichneten Blattes, die wir von alt- egyptischer Zeit her (S. 60) als wesentlichen und unzertrennlichen Be- standtheil der Blüthendarstellungen in Palmettenprojektion kennen ge- lernt haben. Die Kelchvolute an den saracenischen Halbpalmetten und Gabelranken in Fig. 193 und 139 kommt aber nicht von der altgriechi- schen Palmettenvolute, sondern von einer Eigenthümlichkeit des Akanthus selbst her, nämlich von den rundlichen "Pfeifen", die immer zwischen je zwei Zackenausladungen des Akanthusblattes angebracht sind. Inwiefern dies schon an den frühbyzantinischen Ablegern des Akanthusblattes als formbilden- des und charakteristisches Ele- ment zu beobachten ist, haben wir auf S. 279 festgestellt. In Fig. 194 gebe ich ferner einen Ausschnitt aus dem Apsismosaik von San Clemente in Rom88), das im 12. Jahrh. vielleicht von by- zantinischen Arbeitern, gewiss aber unter der Herrschaft der Maniera greca, wenigstens in der Ornamentik, ausgeführt worden [Abbildung]
Fig. 194. ist. An den Akanthushalbblättern, die da der Reihe nach die Akan-Rankeneinrollung vom Apsis-Mosaik thusranke zusammensetzen, erscheinen die entwicklungsgeschichtlichen Abkömmlinge der plastischen "Pfeifen" jedesmal am Ansatze, an der Wurzel des Blattes durch eine volutenförmige Einrollung deutlich her- vorgehoben. Angesichts der Systemlosigkeit in den Anschauungen, die gegen- 88) Nach de'Rossi, Musaici antichi delle chiese di Roma Taf. 21. Man beachte auch die frei endigende Blüthe in der Mitte der Einrollung, mit ihren umgeschlagenen Blättern gemäss Fig. 181--183. Riegl, Stilfragen. 22
2. Frühsaracenische Rankenornamentik. haben. Was an den erwähnten Einzeichnungen an den Motiven vonFig. 193, sowie an Fig. 139 (insbesondere an b und c) zunächst an flache Halbpalmetten-Projektion denken lässt, ist hauptsächlich die Kelchvolute am Ansatze des eingezeichneten Blattes, die wir von alt- egyptischer Zeit her (S. 60) als wesentlichen und unzertrennlichen Be- standtheil der Blüthendarstellungen in Palmettenprojektion kennen ge- lernt haben. Die Kelchvolute an den saracenischen Halbpalmetten und Gabelranken in Fig. 193 und 139 kommt aber nicht von der altgriechi- schen Palmettenvolute, sondern von einer Eigenthümlichkeit des Akanthus selbst her, nämlich von den rundlichen „Pfeifen“, die immer zwischen je zwei Zackenausladungen des Akanthusblattes angebracht sind. Inwiefern dies schon an den frühbyzantinischen Ablegern des Akanthusblattes als formbilden- des und charakteristisches Ele- ment zu beobachten ist, haben wir auf S. 279 festgestellt. In Fig. 194 gebe ich ferner einen Ausschnitt aus dem Apsismosaik von San Clemente in Rom88), das im 12. Jahrh. vielleicht von by- zantinischen Arbeitern, gewiss aber unter der Herrschaft der Maniera greca, wenigstens in der Ornamentik, ausgeführt worden [Abbildung]
Fig. 194. ist. An den Akanthushalbblättern, die da der Reihe nach die Akan-Rankeneinrollung vom Apsis-Mosaik thusranke zusammensetzen, erscheinen die entwicklungsgeschichtlichen Abkömmlinge der plastischen „Pfeifen“ jedesmal am Ansatze, an der Wurzel des Blattes durch eine volutenförmige Einrollung deutlich her- vorgehoben. Angesichts der Systemlosigkeit in den Anschauungen, die gegen- 88) Nach de’Rossi, Musaici antichi delle chiese di Roma Taf. 21. Man beachte auch die frei endigende Blüthe in der Mitte der Einrollung, mit ihren umgeschlagenen Blättern gemäss Fig. 181—183. Riegl, Stilfragen. 22
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2. Frühsaracenische Rankenornamentik.
haben. Was an den erwähnten Einzeichnungen an den Motiven von
Fig. 193, sowie an Fig. 139 (insbesondere an b und c) zunächst an
flache Halbpalmetten-Projektion denken lässt, ist hauptsächlich die
Kelchvolute am Ansatze des eingezeichneten Blattes, die wir von alt-
egyptischer Zeit her (S. 60) als wesentlichen und unzertrennlichen Be-
standtheil der Blüthendarstellungen in Palmettenprojektion kennen ge-
lernt haben. Die Kelchvolute an den saracenischen Halbpalmetten und
Gabelranken in Fig. 193 und 139 kommt aber nicht von der altgriechi-
schen Palmettenvolute, sondern von einer Eigenthümlichkeit des Akanthus
selbst her, nämlich von den rundlichen „Pfeifen“, die immer zwischen
je zwei Zackenausladungen des
Akanthusblattes angebracht sind.
Inwiefern dies schon an den
frühbyzantinischen Ablegern des
Akanthusblattes als formbilden-
des und charakteristisches Ele-
ment zu beobachten ist, haben
wir auf S. 279 festgestellt. In
Fig. 194 gebe ich ferner einen
Ausschnitt aus dem Apsismosaik
von San Clemente in Rom 88), das
im 12. Jahrh. vielleicht von by-
zantinischen Arbeitern, gewiss
aber unter der Herrschaft der
Maniera greca, wenigstens in der
Ornamentik, ausgeführt worden
[Abbildung Fig. 194.
Rankeneinrollung vom Apsis-Mosaik
in San Clemente (Rom).]
ist. An den Akanthushalbblättern, die da der Reihe nach die Akan-
thusranke zusammensetzen, erscheinen die entwicklungsgeschichtlichen
Abkömmlinge der plastischen „Pfeifen“ jedesmal am Ansatze, an der
Wurzel des Blattes durch eine volutenförmige Einrollung deutlich her-
vorgehoben.
Angesichts der Systemlosigkeit in den Anschauungen, die gegen-
wärtig vom Wesen und Ursprung der saracenischen Ornamentik und
insbesondere von ihrem wichtigsten Ausdrucksmittel — von der Ara-
beske — in Umlauf sind, erschien es geboten, vor Allem einmal den
88) Nach de’Rossi, Musaici antichi delle chiese di Roma Taf. 21. Man
beachte auch die frei endigende Blüthe in der Mitte der Einrollung, mit ihren
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