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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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2. Frühsaracenische Rankenornamentik.
sammenhang mit dem antiken Rankenornament noch recht greifbar
deutlich erscheinen. Das Gleiche gilt von der ausgesprochen vegeta-
bilischen Modellirung, der feinen, kleinlichen Fiederung sämmtlicher
Blattmotive: dass dies auf eine stilistische Veränderung mit dem
Akanthusblatt zurückgeht, wurde schon auf S. 299 auseinandergesetzt,
und erscheint vollends bewiesen durch Fig. 175, wo der Akanthus zum
Theil noch mit den rund herausgebohrten Pfeifen zwichen den ein-
zelnen Zacken versehen ist70). Auch sind die fein ausgezackten Konturen
der Blätter ohne umschreibende glatte Aussenlinie geblieben. Dennoch
wird schon beim ersten Anblick Niemand an der saracenischen Her-
kunft dieses Kästchens zweifeln. Es liegt dies vor Allem an dem
[Abbildung] Fig. 174.

Vorderwand eines saracenischen Elfenbeinkästchens, datirt vom Jahre 965 n. Ch.

eigenthümlichen Polygon, welches die Hauptranke in der ganzen Höhe
der Wand bildet, ferner in gewissen Durchschneidungen der Ranken,
endlich -- wie es wenigstens zunächst den Anschein hat -- in der Be-
handlung einiger Blüthenmotive.

Es ist eben charakteristisch für diesen ganzen Umwandlungs-
process der naturalistischen antiken Ranke zur geometrisirend-stilisirten
Arabeske, dass derselbe an verschiedenen Punkten gleichzeitig ansetzt
und in der Fortbildung keineswegs gleichmässig verfährt: hier wird
die Schematisirung der Motive mehr gefördert, dort diejenige der
Rankenführung, wie es eben auf einem so weit ausgedehnten Gebiete

70) Beiläufig bemerkt, war die Behandlung des Akanthus an abend-
ländischen Arbeiten (Elfenbeinschnitzereien, Miniaturmalereien) jener Zeit nicht
selten genau die gleiche.

2. Frühsaracenische Rankenornamentik.
sammenhang mit dem antiken Rankenornament noch recht greifbar
deutlich erscheinen. Das Gleiche gilt von der ausgesprochen vegeta-
bilischen Modellirung, der feinen, kleinlichen Fiederung sämmtlicher
Blattmotive: dass dies auf eine stilistische Veränderung mit dem
Akanthusblatt zurückgeht, wurde schon auf S. 299 auseinandergesetzt,
und erscheint vollends bewiesen durch Fig. 175, wo der Akanthus zum
Theil noch mit den rund herausgebohrten Pfeifen zwichen den ein-
zelnen Zacken versehen ist70). Auch sind die fein ausgezackten Konturen
der Blätter ohne umschreibende glatte Aussenlinie geblieben. Dennoch
wird schon beim ersten Anblick Niemand an der saracenischen Her-
kunft dieses Kästchens zweifeln. Es liegt dies vor Allem an dem
[Abbildung] Fig. 174.

Vorderwand eines saracenischen Elfenbeinkästchens, datirt vom Jahre 965 n. Ch.

eigenthümlichen Polygon, welches die Hauptranke in der ganzen Höhe
der Wand bildet, ferner in gewissen Durchschneidungen der Ranken,
endlich — wie es wenigstens zunächst den Anschein hat — in der Be-
handlung einiger Blüthenmotive.

Es ist eben charakteristisch für diesen ganzen Umwandlungs-
process der naturalistischen antiken Ranke zur geometrisirend-stilisirten
Arabeske, dass derselbe an verschiedenen Punkten gleichzeitig ansetzt
und in der Fortbildung keineswegs gleichmässig verfährt: hier wird
die Schematisirung der Motive mehr gefördert, dort diejenige der
Rankenführung, wie es eben auf einem so weit ausgedehnten Gebiete

70) Beiläufig bemerkt, war die Behandlung des Akanthus an abend-
ländischen Arbeiten (Elfenbeinschnitzereien, Miniaturmalereien) jener Zeit nicht
selten genau die gleiche.
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[317/0343] 2. Frühsaracenische Rankenornamentik. sammenhang mit dem antiken Rankenornament noch recht greifbar deutlich erscheinen. Das Gleiche gilt von der ausgesprochen vegeta- bilischen Modellirung, der feinen, kleinlichen Fiederung sämmtlicher Blattmotive: dass dies auf eine stilistische Veränderung mit dem Akanthusblatt zurückgeht, wurde schon auf S. 299 auseinandergesetzt, und erscheint vollends bewiesen durch Fig. 175, wo der Akanthus zum Theil noch mit den rund herausgebohrten Pfeifen zwichen den ein- zelnen Zacken versehen ist 70). Auch sind die fein ausgezackten Konturen der Blätter ohne umschreibende glatte Aussenlinie geblieben. Dennoch wird schon beim ersten Anblick Niemand an der saracenischen Her- kunft dieses Kästchens zweifeln. Es liegt dies vor Allem an dem [Abbildung Fig. 174. Vorderwand eines saracenischen Elfenbeinkästchens, datirt vom Jahre 965 n. Ch.] eigenthümlichen Polygon, welches die Hauptranke in der ganzen Höhe der Wand bildet, ferner in gewissen Durchschneidungen der Ranken, endlich — wie es wenigstens zunächst den Anschein hat — in der Be- handlung einiger Blüthenmotive. Es ist eben charakteristisch für diesen ganzen Umwandlungs- process der naturalistischen antiken Ranke zur geometrisirend-stilisirten Arabeske, dass derselbe an verschiedenen Punkten gleichzeitig ansetzt und in der Fortbildung keineswegs gleichmässig verfährt: hier wird die Schematisirung der Motive mehr gefördert, dort diejenige der Rankenführung, wie es eben auf einem so weit ausgedehnten Gebiete 70) Beiläufig bemerkt, war die Behandlung des Akanthus an abend- ländischen Arbeiten (Elfenbeinschnitzereien, Miniaturmalereien) jener Zeit nicht selten genau die gleiche.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/343>, abgerufen am 23.12.2024.