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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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Die Arabeske.
und diesen werden wir immerhin eher auf einem Boden erwarten, auf
dem späterhin die reine Arabeske sich entfaltet hat, als innerhalb der
Bannmeile von Byzanz, wo man niemals recht über die halbe Mitte
zwischen dem Beharren an der Tradition und dem Nachgeben gegen-
über den dekorativen Neigungen der Zeit hinaus gekommen ist.

Was sonst an Beispielen einer Rankenornamentik auf koptischen
Skulpturen vorliegt, bewegt sich in der gleichen Richtung, wenngleich
in minder entschiedenem Tempo. Ich verweise diesbezüglich bloss auf
die zahlreichen Gabelungen (Fig. 160) 44), die ebenfalls nicht denkbar
wären ohne das Aufkommen jenes neuen Grundprincips der Blattranken-
führung, das wir schon an der Fig. 159 als maassgebend erkannt haben.
Auch die üppige Gliederung der von einer fortlaufenden Wellenranke
abzweigenden Schösslinge in reich verzweigte Nebenranken 45) wider-

[Abbildung] Fig. 160.

Bordürenfragment von einer egyptisch-frühmittelalterlichen Grabstele.

streitet der antiken Tradition, die an dieser Stelle im Wesentlichen nur
eine spiralige Einrollung mit einer freien Endigung gekannt hat. Es
verrieth sich in dieser Neuerung der zur dicht und gleichmässig ver-
streuten Kleinmusterung neigende neuorientalische Geschmack. Daneben
finden sich Beispiele von nackter spiraliger Wellenranke gleich dem
mykenischen Urschema (Fig. 50), nur bereichert durch eine nicht minder
primitive Zwickelfüllung mittels einfacher Giebel 46). Es ist dies nicht
unwichtig im Hinblick darauf, dass uns noch unter der vollen Herr-
schaft der ausgebildeten Arabeske dergleichen urtypische Rankenbil-
dungen öfter begegnen werden.

Wir müssen es uns versagen, das überreiche aus Egypten vor-
liegende Material nach der besprochenen Richtung noch weiter zu er-
örtern. Es drängt uns, noch die früh-mittelalterlichen Denkmäler der

44) Gayet a. a. O. Taf. 98.
45) Z. B. Gayet a. a. O. Taf. 98, 30.
46) Gayet a. a. O. Taf. 27.

Die Arabeske.
und diesen werden wir immerhin eher auf einem Boden erwarten, auf
dem späterhin die reine Arabeske sich entfaltet hat, als innerhalb der
Bannmeile von Byzanz, wo man niemals recht über die halbe Mitte
zwischen dem Beharren an der Tradition und dem Nachgeben gegen-
über den dekorativen Neigungen der Zeit hinaus gekommen ist.

Was sonst an Beispielen einer Rankenornamentik auf koptischen
Skulpturen vorliegt, bewegt sich in der gleichen Richtung, wenngleich
in minder entschiedenem Tempo. Ich verweise diesbezüglich bloss auf
die zahlreichen Gabelungen (Fig. 160) 44), die ebenfalls nicht denkbar
wären ohne das Aufkommen jenes neuen Grundprincips der Blattranken-
führung, das wir schon an der Fig. 159 als maassgebend erkannt haben.
Auch die üppige Gliederung der von einer fortlaufenden Wellenranke
abzweigenden Schösslinge in reich verzweigte Nebenranken 45) wider-

[Abbildung] Fig. 160.

Bordürenfragment von einer egyptisch-frühmittelalterlichen Grabstele.

streitet der antiken Tradition, die an dieser Stelle im Wesentlichen nur
eine spiralige Einrollung mit einer freien Endigung gekannt hat. Es
verrieth sich in dieser Neuerung der zur dicht und gleichmässig ver-
streuten Kleinmusterung neigende neuorientalische Geschmack. Daneben
finden sich Beispiele von nackter spiraliger Wellenranke gleich dem
mykenischen Urschema (Fig. 50), nur bereichert durch eine nicht minder
primitive Zwickelfüllung mittels einfacher Giebel 46). Es ist dies nicht
unwichtig im Hinblick darauf, dass uns noch unter der vollen Herr-
schaft der ausgebildeten Arabeske dergleichen urtypische Rankenbil-
dungen öfter begegnen werden.

Wir müssen es uns versagen, das überreiche aus Egypten vor-
liegende Material nach der besprochenen Richtung noch weiter zu er-
örtern. Es drängt uns, noch die früh-mittelalterlichen Denkmäler der

44) Gayet a. a. O. Taf. 98.
45) Z. B. Gayet a. a. O. Taf. 98, 30.
46) Gayet a. a. O. Taf. 27.
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[296/0322] Die Arabeske. und diesen werden wir immerhin eher auf einem Boden erwarten, auf dem späterhin die reine Arabeske sich entfaltet hat, als innerhalb der Bannmeile von Byzanz, wo man niemals recht über die halbe Mitte zwischen dem Beharren an der Tradition und dem Nachgeben gegen- über den dekorativen Neigungen der Zeit hinaus gekommen ist. Was sonst an Beispielen einer Rankenornamentik auf koptischen Skulpturen vorliegt, bewegt sich in der gleichen Richtung, wenngleich in minder entschiedenem Tempo. Ich verweise diesbezüglich bloss auf die zahlreichen Gabelungen (Fig. 160) 44), die ebenfalls nicht denkbar wären ohne das Aufkommen jenes neuen Grundprincips der Blattranken- führung, das wir schon an der Fig. 159 als maassgebend erkannt haben. Auch die üppige Gliederung der von einer fortlaufenden Wellenranke abzweigenden Schösslinge in reich verzweigte Nebenranken 45) wider- [Abbildung Fig. 160. Bordürenfragment von einer egyptisch-frühmittelalterlichen Grabstele.] streitet der antiken Tradition, die an dieser Stelle im Wesentlichen nur eine spiralige Einrollung mit einer freien Endigung gekannt hat. Es verrieth sich in dieser Neuerung der zur dicht und gleichmässig ver- streuten Kleinmusterung neigende neuorientalische Geschmack. Daneben finden sich Beispiele von nackter spiraliger Wellenranke gleich dem mykenischen Urschema (Fig. 50), nur bereichert durch eine nicht minder primitive Zwickelfüllung mittels einfacher Giebel 46). Es ist dies nicht unwichtig im Hinblick darauf, dass uns noch unter der vollen Herr- schaft der ausgebildeten Arabeske dergleichen urtypische Rankenbil- dungen öfter begegnen werden. Wir müssen es uns versagen, das überreiche aus Egypten vor- liegende Material nach der besprochenen Richtung noch weiter zu er- örtern. Es drängt uns, noch die früh-mittelalterlichen Denkmäler der 44) Gayet a. a. O. Taf. 98. 45) Z. B. Gayet a. a. O. Taf. 98, 30. 46) Gayet a. a. O. Taf. 27.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/322>, abgerufen am 30.11.2024.