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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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Die Arabeske.
nach dem altgriechischen Schema, nur mit byzantinischer Blattstilisi-
rung; am Halse des Kapitäls eine nicht minder charakteristische
intermittirende Wellenranke. Und in der That lehren die wenigen
römischen Denkmäler auf asiatischem Boden, die man bisher einer
sorgfältigeren Publikation für würdig befunden hat 35), dass die inter-
mittirende Wellenranke unter reichlicher Hinzuziehung der flachen
Palmettenmotive daselbst allezeit eine sehr maassgebende Rolle ge-
spielt hat. Dieser Wechselbezug zwischen byzantinischer und helle-
nischer Weise ist auch Salzenberg bereits aufgefallen, der allerdings
wieder über's Ziel geschossen hat, indem er kurzweg gesagt hat: "Das
(byzantinische) Blattornament zeigt nicht die römische Behandlungsweise,
sondern mehr die hellenische 36)".

[Abbildung] Fig. 156.

Gesimsstück von der Pantokrator-Kirche zn Konstantinopel.

Dieser Punkt ist wichtig nicht bloss für die Herausbildung der
Ornamentik der Justinianischen Zeit, sondern auch für die spätere Ent-
wicklung. Es muss im Orient allezeit ein -- sei es lokales, sei es an
gewissen Techniken haftendes -- Beharren an älteren Weisen, insbe-
sondere an der Flachstilisirung in althellenischem Charakter, gegeben
haben. Nur so ist es zu erklären, dass uns -- wie wir sehen werden --
noch an Kunstwerken des 12.--14. Jahrh. fast rein griechische Ranken-
verzierungen begegnen.

Ferner ist die Behandlung des Akanthus, die wir an den justinia-
nischen Steinskulpturen vollzogen sahen, nicht die alleinige und aus-
schliessliche im frühbyzantinischen Reiche gewesen. Auch der weiche
lappige Akanthus hat daneben -- wofür uns allerdings hauptsächlich
die nachfolgende Entwicklung zum Zeugniss dienen muss -- fortdauernd
Verwendung gefunden. Auf diese Unterschiede werden gewiss Material

35) Wie z. B. die vom Grafen Lanckoronski publicirten Denkmäler aus
Pamphylien und Pisidien.
36) A. a. O. 19.

Die Arabeske.
nach dem altgriechischen Schema, nur mit byzantinischer Blattstilisi-
rung; am Halse des Kapitäls eine nicht minder charakteristische
intermittirende Wellenranke. Und in der That lehren die wenigen
römischen Denkmäler auf asiatischem Boden, die man bisher einer
sorgfältigeren Publikation für würdig befunden hat 35), dass die inter-
mittirende Wellenranke unter reichlicher Hinzuziehung der flachen
Palmettenmotive daselbst allezeit eine sehr maassgebende Rolle ge-
spielt hat. Dieser Wechselbezug zwischen byzantinischer und helle-
nischer Weise ist auch Salzenberg bereits aufgefallen, der allerdings
wieder über’s Ziel geschossen hat, indem er kurzweg gesagt hat: „Das
(byzantinische) Blattornament zeigt nicht die römische Behandlungsweise,
sondern mehr die hellenische 36)“.

[Abbildung] Fig. 156.

Gesimsstück von der Pantokrator-Kirche zn Konstantinopel.

Dieser Punkt ist wichtig nicht bloss für die Herausbildung der
Ornamentik der Justinianischen Zeit, sondern auch für die spätere Ent-
wicklung. Es muss im Orient allezeit ein — sei es lokales, sei es an
gewissen Techniken haftendes — Beharren an älteren Weisen, insbe-
sondere an der Flachstilisirung in althellenischem Charakter, gegeben
haben. Nur so ist es zu erklären, dass uns — wie wir sehen werden —
noch an Kunstwerken des 12.—14. Jahrh. fast rein griechische Ranken-
verzierungen begegnen.

Ferner ist die Behandlung des Akanthus, die wir an den justinia-
nischen Steinskulpturen vollzogen sahen, nicht die alleinige und aus-
schliessliche im frühbyzantinischen Reiche gewesen. Auch der weiche
lappige Akanthus hat daneben — wofür uns allerdings hauptsächlich
die nachfolgende Entwicklung zum Zeugniss dienen muss — fortdauernd
Verwendung gefunden. Auf diese Unterschiede werden gewiss Material

35) Wie z. B. die vom Grafen Lanckoronski publicirten Denkmäler aus
Pamphylien und Pisidien.
36) A. a. O. 19.
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[290/0316] Die Arabeske. nach dem altgriechischen Schema, nur mit byzantinischer Blattstilisi- rung; am Halse des Kapitäls eine nicht minder charakteristische intermittirende Wellenranke. Und in der That lehren die wenigen römischen Denkmäler auf asiatischem Boden, die man bisher einer sorgfältigeren Publikation für würdig befunden hat 35), dass die inter- mittirende Wellenranke unter reichlicher Hinzuziehung der flachen Palmettenmotive daselbst allezeit eine sehr maassgebende Rolle ge- spielt hat. Dieser Wechselbezug zwischen byzantinischer und helle- nischer Weise ist auch Salzenberg bereits aufgefallen, der allerdings wieder über’s Ziel geschossen hat, indem er kurzweg gesagt hat: „Das (byzantinische) Blattornament zeigt nicht die römische Behandlungsweise, sondern mehr die hellenische 36)“. [Abbildung Fig. 156. Gesimsstück von der Pantokrator-Kirche zn Konstantinopel. ] Dieser Punkt ist wichtig nicht bloss für die Herausbildung der Ornamentik der Justinianischen Zeit, sondern auch für die spätere Ent- wicklung. Es muss im Orient allezeit ein — sei es lokales, sei es an gewissen Techniken haftendes — Beharren an älteren Weisen, insbe- sondere an der Flachstilisirung in althellenischem Charakter, gegeben haben. Nur so ist es zu erklären, dass uns — wie wir sehen werden — noch an Kunstwerken des 12.—14. Jahrh. fast rein griechische Ranken- verzierungen begegnen. Ferner ist die Behandlung des Akanthus, die wir an den justinia- nischen Steinskulpturen vollzogen sahen, nicht die alleinige und aus- schliessliche im frühbyzantinischen Reiche gewesen. Auch der weiche lappige Akanthus hat daneben — wofür uns allerdings hauptsächlich die nachfolgende Entwicklung zum Zeugniss dienen muss — fortdauernd Verwendung gefunden. Auf diese Unterschiede werden gewiss Material 35) Wie z. B. die vom Grafen Lanckoronski publicirten Denkmäler aus Pamphylien und Pisidien. 36) A. a. O. 19.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/316>, abgerufen am 29.11.2024.