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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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1. Das Pflanzenrankenornament in der byzantinischen Kunst.
Beiwerk, zu dieser Function ungenügend erschienen; in spätrömischer
Zeit waren die Anforderungen an die Bedeutsamkeit des Ornaments so
geringe geworden, dass die Akanthusranke öfter zur Musterung grosser
Innenflächen herangezogen wurde22). An die fortlaufende Ranke setzen
sich die Theilglieder der ehemaligen Akanthushalbblätter der Reihe nach
an, und zwar unfrei, ohne selbständige Stielung. Dass darin das ganze
Geheimniss der Arabeskenornamentik liegt, hat schon Owen
Jones erkannt
, wenn auch noch nicht völlig richtig erfasst. Im Text zu
den arabischen Ornamenten seiner Grammatik der Ornamente hat er den
Arkadenwand-Ausschnitt Fig. 144 gleichfalls abgebildet und sagt dazu:

".. bildet diese Spandrille jedenfalls die Grundlage der bei den
Arabern und Mauren gebräuchlichen Verzierung der Oberflächen. Das

[Abbildung] Fig. 144.

Arkadenzwickel von der Sophienkirche zu Konstantinopel.

Blattwerk, welches den Mittelpunkt der Spandrille umgiebt, ist zwar
noch eine Reminiscenz des Akanthusblattes, doch offenbart sich in dem-
selben der erste Versuch, das Principium der aus einander entspriessen-
den Blätter23) zu beseitigen, denn die Rankenverzierung ist zusammen-
hängend und ununterbrochen. Das Muster ist über den ganzen Bogen-
zwickel vertheilt, um eine gleiche Färbung hervorzubringen, ein Resultat,
welches die Araber und Mauren unter allen Umständen zu erzielen
suchten."


22) Apsismosaik der Kapelle der hl. Rufina und Secunda am Baptisterium
des Lateran, nach de'Rossi um 400; Deckenmosaik der Apsis von San Vitale.
23) Owen Jones fasste nämlich die Wellenranke nicht als ein fortlaufendes
Einheitliches, sondern als eine äusserliche Aneinanderreihung einzelner Spiral-
ranken. Die Einseitigkeit dieser Auffassung darzulegen, ist nach den Aus-
führungen im 3. Kapitel dieses Buches wohl überflüssig.

1. Das Pflanzenrankenornament in der byzantinischen Kunst.
Beiwerk, zu dieser Function ungenügend erschienen; in spätrömischer
Zeit waren die Anforderungen an die Bedeutsamkeit des Ornaments so
geringe geworden, dass die Akanthusranke öfter zur Musterung grosser
Innenflächen herangezogen wurde22). An die fortlaufende Ranke setzen
sich die Theilglieder der ehemaligen Akanthushalbblätter der Reihe nach
an, und zwar unfrei, ohne selbständige Stielung. Dass darin das ganze
Geheimniss der Arabeskenornamentik liegt, hat schon Owen
Jones erkannt
, wenn auch noch nicht völlig richtig erfasst. Im Text zu
den arabischen Ornamenten seiner Grammatik der Ornamente hat er den
Arkadenwand-Ausschnitt Fig. 144 gleichfalls abgebildet und sagt dazu:

„.. bildet diese Spandrille jedenfalls die Grundlage der bei den
Arabern und Mauren gebräuchlichen Verzierung der Oberflächen. Das

[Abbildung] Fig. 144.

Arkadenzwickel von der Sophienkirche zu Konstantinopel.

Blattwerk, welches den Mittelpunkt der Spandrille umgiebt, ist zwar
noch eine Reminiscenz des Akanthusblattes, doch offenbart sich in dem-
selben der erste Versuch, das Principium der aus einander entspriessen-
den Blätter23) zu beseitigen, denn die Rankenverzierung ist zusammen-
hängend und ununterbrochen. Das Muster ist über den ganzen Bogen-
zwickel vertheilt, um eine gleiche Färbung hervorzubringen, ein Resultat,
welches die Araber und Mauren unter allen Umständen zu erzielen
suchten.“


22) Apsismosaik der Kapelle der hl. Rufina und Secunda am Baptisterium
des Lateran, nach de’Rossi um 400; Deckenmosaik der Apsis von San Vitale.
23) Owen Jones fasste nämlich die Wellenranke nicht als ein fortlaufendes
Einheitliches, sondern als eine äusserliche Aneinanderreihung einzelner Spiral-
ranken. Die Einseitigkeit dieser Auffassung darzulegen, ist nach den Aus-
führungen im 3. Kapitel dieses Buches wohl überflüssig.
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[281/0307] 1. Das Pflanzenrankenornament in der byzantinischen Kunst. Beiwerk, zu dieser Function ungenügend erschienen; in spätrömischer Zeit waren die Anforderungen an die Bedeutsamkeit des Ornaments so geringe geworden, dass die Akanthusranke öfter zur Musterung grosser Innenflächen herangezogen wurde 22). An die fortlaufende Ranke setzen sich die Theilglieder der ehemaligen Akanthushalbblätter der Reihe nach an, und zwar unfrei, ohne selbständige Stielung. Dass darin das ganze Geheimniss der Arabeskenornamentik liegt, hat schon Owen Jones erkannt, wenn auch noch nicht völlig richtig erfasst. Im Text zu den arabischen Ornamenten seiner Grammatik der Ornamente hat er den Arkadenwand-Ausschnitt Fig. 144 gleichfalls abgebildet und sagt dazu: „.. bildet diese Spandrille jedenfalls die Grundlage der bei den Arabern und Mauren gebräuchlichen Verzierung der Oberflächen. Das [Abbildung Fig. 144. Arkadenzwickel von der Sophienkirche zu Konstantinopel.] Blattwerk, welches den Mittelpunkt der Spandrille umgiebt, ist zwar noch eine Reminiscenz des Akanthusblattes, doch offenbart sich in dem- selben der erste Versuch, das Principium der aus einander entspriessen- den Blätter 23) zu beseitigen, denn die Rankenverzierung ist zusammen- hängend und ununterbrochen. Das Muster ist über den ganzen Bogen- zwickel vertheilt, um eine gleiche Färbung hervorzubringen, ein Resultat, welches die Araber und Mauren unter allen Umständen zu erzielen suchten.“ 22) Apsismosaik der Kapelle der hl. Rufina und Secunda am Baptisterium des Lateran, nach de’Rossi um 400; Deckenmosaik der Apsis von San Vitale. 23) Owen Jones fasste nämlich die Wellenranke nicht als ein fortlaufendes Einheitliches, sondern als eine äusserliche Aneinanderreihung einzelner Spiral- ranken. Die Einseitigkeit dieser Auffassung darzulegen, ist nach den Aus- führungen im 3. Kapitel dieses Buches wohl überflüssig.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/307>, abgerufen am 28.11.2024.