Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.9. Das Aufkommen des Akanthus-Ornaments. kann, übrigens nicht der Grazie entbehrenden Fabulirens -- in völligunverkennbarer Weise aufgedrückt, und ich glaube kaum, dass es irgend ein Forscher in neuerer Zeit unternommen haben möchte, ihre Stichhaltigkeit ernsthaft zu vertreten. Furtwängler hat auch schon (a. a. O. S. 9) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das erste Auf- treten des Akanthus nachweislich an Palmetten-Akroterien erfolgt ist, [Abbildung]
Fig. 111. zu einer Zeit, da ein korinthisches Kapitäl bisher noch nicht nach-Korinthisches Kapitäl vom Lysikrates-Denkmal. Nach Jacobsthal. gewiesen werden konnte. Brückner scheint der gleichen Meinung zu sein, da er (a. a. O. 82) sogar die Gründe nennen zu können glaubt, welche dazu geführt hätten, den Akanthus an den Akroterien der Grabstelen anzubringen. Dass aber das eigenthümliche ausgezackte vegetabilische Motiv, das ein so charakteristisches Merkmal des korin- thischen Kapitäls ist, in der That gemäss Vitruv's Berichte auf eine unmittelbare Nachahmung der Acanthus spinosa zurückgeht, daran hat 9. Das Aufkommen des Akanthus-Ornaments. kann, übrigens nicht der Grazie entbehrenden Fabulirens — in völligunverkennbarer Weise aufgedrückt, und ich glaube kaum, dass es irgend ein Forscher in neuerer Zeit unternommen haben möchte, ihre Stichhaltigkeit ernsthaft zu vertreten. Furtwängler hat auch schon (a. a. O. S. 9) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das erste Auf- treten des Akanthus nachweislich an Palmetten-Akroterien erfolgt ist, [Abbildung]
Fig. 111. zu einer Zeit, da ein korinthisches Kapitäl bisher noch nicht nach-Korinthisches Kapitäl vom Lysikrates-Denkmal. Nach Jacobsthal. gewiesen werden konnte. Brückner scheint der gleichen Meinung zu sein, da er (a. a. O. 82) sogar die Gründe nennen zu können glaubt, welche dazu geführt hätten, den Akanthus an den Akroterien der Grabstelen anzubringen. Dass aber das eigenthümliche ausgezackte vegetabilische Motiv, das ein so charakteristisches Merkmal des korin- thischen Kapitäls ist, in der That gemäss Vitruv’s Berichte auf eine unmittelbare Nachahmung der Acanthus spinosa zurückgeht, daran hat <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0239" n="213"/><fw place="top" type="header">9. Das Aufkommen des Akanthus-Ornaments.</fw><lb/> kann, übrigens nicht der Grazie entbehrenden Fabulirens — in völlig<lb/> unverkennbarer Weise aufgedrückt, und ich glaube kaum, dass es<lb/> irgend ein Forscher in neuerer Zeit unternommen haben möchte, ihre<lb/> Stichhaltigkeit ernsthaft zu vertreten. Furtwängler hat auch schon<lb/> (a. a. O. S. 9) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das erste Auf-<lb/> treten des Akanthus nachweislich an Palmetten-Akroterien erfolgt ist,<lb/><figure><head>Fig. 111.</head><lb/><p>Korinthisches Kapitäl vom Lysikrates-Denkmal. Nach Jacobsthal.</p></figure><lb/> zu einer Zeit, da ein korinthisches Kapitäl bisher noch nicht nach-<lb/> gewiesen werden konnte. Brückner scheint der gleichen Meinung zu<lb/> sein, da er (a. a. O. 82) sogar die Gründe nennen zu können glaubt,<lb/> welche dazu geführt hätten, den Akanthus an den Akroterien der<lb/> Grabstelen anzubringen. Dass aber das eigenthümliche ausgezackte<lb/> vegetabilische Motiv, das ein so charakteristisches Merkmal des korin-<lb/> thischen Kapitäls ist, in der That gemäss Vitruv’s Berichte auf eine<lb/> unmittelbare Nachahmung der Acanthus spinosa zurückgeht, daran hat<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [213/0239]
9. Das Aufkommen des Akanthus-Ornaments.
kann, übrigens nicht der Grazie entbehrenden Fabulirens — in völlig
unverkennbarer Weise aufgedrückt, und ich glaube kaum, dass es
irgend ein Forscher in neuerer Zeit unternommen haben möchte, ihre
Stichhaltigkeit ernsthaft zu vertreten. Furtwängler hat auch schon
(a. a. O. S. 9) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das erste Auf-
treten des Akanthus nachweislich an Palmetten-Akroterien erfolgt ist,
[Abbildung Fig. 111.
Korinthisches Kapitäl vom Lysikrates-Denkmal. Nach Jacobsthal.]
zu einer Zeit, da ein korinthisches Kapitäl bisher noch nicht nach-
gewiesen werden konnte. Brückner scheint der gleichen Meinung zu
sein, da er (a. a. O. 82) sogar die Gründe nennen zu können glaubt,
welche dazu geführt hätten, den Akanthus an den Akroterien der
Grabstelen anzubringen. Dass aber das eigenthümliche ausgezackte
vegetabilische Motiv, das ein so charakteristisches Merkmal des korin-
thischen Kapitäls ist, in der That gemäss Vitruv’s Berichte auf eine
unmittelbare Nachahmung der Acanthus spinosa zurückgeht, daran hat
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Zitationshilfe: | Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/239>, abgerufen am 29.06.2024. |