Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst. Wenn man von der Schraffirung der Kelchblätter absieht, so trägt dasGanze einen ziemlich strengen Charakter, was auch in dem Umstande wohlbegründet ist, dass die Kopie des zu supponirenden egyptischen Vorbildes offenbar in recht genauer Weise erfolgte. Die konstatirte Genauigkeit der Uebertragung mochte vielleicht [Abbildung]
Fig. 57. mit Zwickellotus31); dazu im Saum Rosetten und zu äusserst die zahn-Ornamentale Wandmalerei aus Tiryns. schnittartigen Stäbchen, ebenfalls genau wie an der Decke von Orcho- menos. Uns interessirt hier vornehmlich der Zwickellotus. Von den drei spitzen Blättern, die das Gerippe desselben bilden, sind hier nicht bloss die beiden seitlichen durch Schraffirung gleichsam als gerippt charakterisirt, sondern auch das füllende mittlere Blatt: also ein zweifellos naturalisirender Zug, den wir an denselben Typen in der egyptischen Kunst nirgends vorfinden. Hinsichtlich des Palmettenfächers hat es sich der Maler sehr bequem gemacht, indem er nicht die ein- zelnen radianten Blätter, sondern die der Breite nach angeordneten 30) Schliemann, Tiryns Taf. V. 31) Da es sich hier um eine schmale Bordüre handelt, setzen an jedem
Auge nur je zwei Spiralen ab, was natürlich die Identität beider Muster nicht alterirt. B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst. Wenn man von der Schraffirung der Kelchblätter absieht, so trägt dasGanze einen ziemlich strengen Charakter, was auch in dem Umstande wohlbegründet ist, dass die Kopie des zu supponirenden egyptischen Vorbildes offenbar in recht genauer Weise erfolgte. Die konstatirte Genauigkeit der Uebertragung mochte vielleicht [Abbildung]
Fig. 57. mit Zwickellotus31); dazu im Saum Rosetten und zu äusserst die zahn-Ornamentale Wandmalerei aus Tiryns. schnittartigen Stäbchen, ebenfalls genau wie an der Decke von Orcho- menos. Uns interessirt hier vornehmlich der Zwickellotus. Von den drei spitzen Blättern, die das Gerippe desselben bilden, sind hier nicht bloss die beiden seitlichen durch Schraffirung gleichsam als gerippt charakterisirt, sondern auch das füllende mittlere Blatt: also ein zweifellos naturalisirender Zug, den wir an denselben Typen in der egyptischen Kunst nirgends vorfinden. Hinsichtlich des Palmettenfächers hat es sich der Maler sehr bequem gemacht, indem er nicht die ein- zelnen radianten Blätter, sondern die der Breite nach angeordneten 30) Schliemann, Tiryns Taf. V. 31) Da es sich hier um eine schmale Bordüre handelt, setzen an jedem
Auge nur je zwei Spiralen ab, was natürlich die Identität beider Muster nicht alterirt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0158" n="132"/><fw place="top" type="header">B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst.</fw><lb/> Wenn man von der Schraffirung der Kelchblätter absieht, so trägt das<lb/> Ganze einen ziemlich strengen Charakter, was auch in dem Umstande<lb/> wohlbegründet ist, dass die Kopie des zu supponirenden egyptischen<lb/> Vorbildes offenbar in recht genauer Weise erfolgte.</p><lb/> <p>Die konstatirte Genauigkeit der Uebertragung mochte vielleicht<lb/> damit zusammenhängen, dass die Decke von Orchomenos in Steinrelief<lb/> ausgeführt worden ist. Freiere Bewegung war erst dann ermöglicht,<lb/> wenn es sich um Ausführung in einer freieren Technik z. B. in Wand-<lb/> malerei handelte. Hiefür haben wir ein Beispiel aus Tiryns (Fig. 57)<note place="foot" n="30)">Schliemann, Tiryns Taf. V.</note>,<lb/> das uns in trefflicher Weise dazu dienen wird, den Process der weiteren<lb/> Verarbeitung des Motivs durch die mykenischen Künstler zu verfolgen.<lb/> Das Grundschema ist hier das gleiche wie in Orchomenos: Spiralen<lb/><figure><head>Fig. 57.</head><lb/><p>Ornamentale Wandmalerei aus Tiryns.</p></figure><lb/> mit Zwickellotus<note place="foot" n="31)">Da es sich hier um eine schmale Bordüre handelt, setzen an jedem<lb/> Auge nur je zwei Spiralen ab, was natürlich die Identität beider Muster nicht<lb/> alterirt.</note>; dazu im Saum Rosetten und zu äusserst die zahn-<lb/> schnittartigen Stäbchen, ebenfalls genau wie an der Decke von Orcho-<lb/> menos. Uns interessirt hier vornehmlich der Zwickellotus. Von den<lb/> drei spitzen Blättern, die das Gerippe desselben bilden, sind hier nicht<lb/> bloss die beiden seitlichen durch Schraffirung gleichsam als gerippt<lb/> charakterisirt, sondern auch das füllende mittlere Blatt: also ein<lb/> zweifellos naturalisirender Zug, den wir an denselben Typen in der<lb/> egyptischen Kunst nirgends vorfinden. Hinsichtlich des Palmettenfächers<lb/> hat es sich der Maler sehr bequem gemacht, indem er nicht die ein-<lb/> zelnen radianten Blätter, sondern die der Breite nach angeordneten<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [132/0158]
B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst.
Wenn man von der Schraffirung der Kelchblätter absieht, so trägt das
Ganze einen ziemlich strengen Charakter, was auch in dem Umstande
wohlbegründet ist, dass die Kopie des zu supponirenden egyptischen
Vorbildes offenbar in recht genauer Weise erfolgte.
Die konstatirte Genauigkeit der Uebertragung mochte vielleicht
damit zusammenhängen, dass die Decke von Orchomenos in Steinrelief
ausgeführt worden ist. Freiere Bewegung war erst dann ermöglicht,
wenn es sich um Ausführung in einer freieren Technik z. B. in Wand-
malerei handelte. Hiefür haben wir ein Beispiel aus Tiryns (Fig. 57) 30),
das uns in trefflicher Weise dazu dienen wird, den Process der weiteren
Verarbeitung des Motivs durch die mykenischen Künstler zu verfolgen.
Das Grundschema ist hier das gleiche wie in Orchomenos: Spiralen
[Abbildung Fig. 57.
Ornamentale Wandmalerei aus Tiryns.]
mit Zwickellotus 31); dazu im Saum Rosetten und zu äusserst die zahn-
schnittartigen Stäbchen, ebenfalls genau wie an der Decke von Orcho-
menos. Uns interessirt hier vornehmlich der Zwickellotus. Von den
drei spitzen Blättern, die das Gerippe desselben bilden, sind hier nicht
bloss die beiden seitlichen durch Schraffirung gleichsam als gerippt
charakterisirt, sondern auch das füllende mittlere Blatt: also ein
zweifellos naturalisirender Zug, den wir an denselben Typen in der
egyptischen Kunst nirgends vorfinden. Hinsichtlich des Palmettenfächers
hat es sich der Maler sehr bequem gemacht, indem er nicht die ein-
zelnen radianten Blätter, sondern die der Breite nach angeordneten
30) Schliemann, Tiryns Taf. V.
31) Da es sich hier um eine schmale Bordüre handelt, setzen an jedem
Auge nur je zwei Spiralen ab, was natürlich die Identität beider Muster nicht
alterirt.
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