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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst.
Rankenschema bloss dadurch, dass an ersterem die Intermittirungen
nicht an die Berg- und Thalpunkte verlegt sind. Zu Grunde liegt aber
auch der Fig. 52 zweifellos die Wellenlinie, die nur zum Unterschiede
von Fig. 53 ungefähr in der Mitte einer jeden auf- und absteigenden
Schwingung intermittirt. Und selbst dieser Unterschied ist als wesent-
lich und charakteristisch nicht genug zu betonen, da er gleichfalls in
hohem Grade geeignet ist, dasjenige zu bestätigen, was wir vom Cha-
rakter der mykenischen Pflanzen-Ornamentik im Allgemeinen gesagt
haben.

Die Kunst, die uns an den melischen Vasen entgegentritt, steht
bereits im erneuerten Banne eines entschiedenen orientalischen Einflusses,
der sich weit unmittelbarer und autoritärer geltend gemacht hat, als der-

[Abbildung] Fig. 53.

Gemaltes Ornament einer intermittirenden Wellenranke von einer melischen Vase.

jenige, dem die "mykenischen" Künstler ihre Blüthenmotive verdankten.
Es hängt dies mit Geschehnissen der nachmykenischen Zeit zusammen,
deren Erörterung an geeigneterer Stelle nicht vorgegriffen werden
darf. Die Errungenschaften der Wellenranke haben nun die griechi-
schen Künstler auch der nachmykenischen Zeit niemals mehr preisge-
geben, aber die Stilisirung ist mit dem Eindringen der strengen orien-
talischen Typen gleichfalls eine strengere geworden. Die Lotusblüthen
in Fig. 53 weisen ganz so wie die egyptischen parallel zur Axe des
Gefässes entweder aufwärts oder abwärts22). An der mykenischen

22) Struktursymboliker werden freilich dieses Auf- und Abwärtsweisen
als feinsinnige Bezugnahme auf die Function des Aus- und Eingiessens auf-
fassen. Dies würde nun allenfalls für den Hals einer Vase passen; Fig. 53

B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst.
Rankenschema bloss dadurch, dass an ersterem die Intermittirungen
nicht an die Berg- und Thalpunkte verlegt sind. Zu Grunde liegt aber
auch der Fig. 52 zweifellos die Wellenlinie, die nur zum Unterschiede
von Fig. 53 ungefähr in der Mitte einer jeden auf- und absteigenden
Schwingung intermittirt. Und selbst dieser Unterschied ist als wesent-
lich und charakteristisch nicht genug zu betonen, da er gleichfalls in
hohem Grade geeignet ist, dasjenige zu bestätigen, was wir vom Cha-
rakter der mykenischen Pflanzen-Ornamentik im Allgemeinen gesagt
haben.

Die Kunst, die uns an den melischen Vasen entgegentritt, steht
bereits im erneuerten Banne eines entschiedenen orientalischen Einflusses,
der sich weit unmittelbarer und autoritärer geltend gemacht hat, als der-

[Abbildung] Fig. 53.

Gemaltes Ornament einer intermittirenden Wellenranke von einer melischen Vase.

jenige, dem die „mykenischen“ Künstler ihre Blüthenmotive verdankten.
Es hängt dies mit Geschehnissen der nachmykenischen Zeit zusammen,
deren Erörterung an geeigneterer Stelle nicht vorgegriffen werden
darf. Die Errungenschaften der Wellenranke haben nun die griechi-
schen Künstler auch der nachmykenischen Zeit niemals mehr preisge-
geben, aber die Stilisirung ist mit dem Eindringen der strengen orien-
talischen Typen gleichfalls eine strengere geworden. Die Lotusblüthen
in Fig. 53 weisen ganz so wie die egyptischen parallel zur Axe des
Gefässes entweder aufwärts oder abwärts22). An der mykenischen

22) Struktursymboliker werden freilich dieses Auf- und Abwärtsweisen
als feinsinnige Bezugnahme auf die Function des Aus- und Eingiessens auf-
fassen. Dies würde nun allenfalls für den Hals einer Vase passen; Fig. 53
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[124/0150] B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst. Rankenschema bloss dadurch, dass an ersterem die Intermittirungen nicht an die Berg- und Thalpunkte verlegt sind. Zu Grunde liegt aber auch der Fig. 52 zweifellos die Wellenlinie, die nur zum Unterschiede von Fig. 53 ungefähr in der Mitte einer jeden auf- und absteigenden Schwingung intermittirt. Und selbst dieser Unterschied ist als wesent- lich und charakteristisch nicht genug zu betonen, da er gleichfalls in hohem Grade geeignet ist, dasjenige zu bestätigen, was wir vom Cha- rakter der mykenischen Pflanzen-Ornamentik im Allgemeinen gesagt haben. Die Kunst, die uns an den melischen Vasen entgegentritt, steht bereits im erneuerten Banne eines entschiedenen orientalischen Einflusses, der sich weit unmittelbarer und autoritärer geltend gemacht hat, als der- [Abbildung Fig. 53. Gemaltes Ornament einer intermittirenden Wellenranke von einer melischen Vase.] jenige, dem die „mykenischen“ Künstler ihre Blüthenmotive verdankten. Es hängt dies mit Geschehnissen der nachmykenischen Zeit zusammen, deren Erörterung an geeigneterer Stelle nicht vorgegriffen werden darf. Die Errungenschaften der Wellenranke haben nun die griechi- schen Künstler auch der nachmykenischen Zeit niemals mehr preisge- geben, aber die Stilisirung ist mit dem Eindringen der strengen orien- talischen Typen gleichfalls eine strengere geworden. Die Lotusblüthen in Fig. 53 weisen ganz so wie die egyptischen parallel zur Axe des Gefässes entweder aufwärts oder abwärts 22). An der mykenischen 22) Struktursymboliker werden freilich dieses Auf- und Abwärtsweisen als feinsinnige Bezugnahme auf die Function des Aus- und Eingiessens auf- fassen. Dies würde nun allenfalls für den Hals einer Vase passen; Fig. 53

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/150>, abgerufen am 24.11.2024.