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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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A. Altorientalisches.
Fig. 233), auf seinem Gewande den typisch ausgebildeten heiligen
Baum und die Rosetten der späteren assyrischen Ornamentik. Vollends,
wenn Renan Recht hat mit der Datirung der Inschrift der bekannten,
in den Monum. X. Taf. 32 publicirten palestrinischen Silberschale in
das 6. Jahrhundert v. Ch., so ergiebt sich bei der nahen stilistischen
Verwandtschaft fast aller erhaltenen phönikischen und phönikisch-ky-
priotischen Kunstdenkmäler für die Blüthe des phönikischen Kunsthand-
werks ein ziemlich spätes Datum, kaum viel über das Jahr Eintausend
v. Ch. hinauf. Für eine frühere Kunstblüthe bei den Phönikern mangelt
es vollständig an Beweisen. Dem Umstande, dass die Kafa (Phöniker)
auf egyptischen Wandgemälden den Thutmessiden Vasen als Tribute
darbringen, hat nicht nur Sybel, sondern haben auch Andere weit über-
triebene Bedeutung beigelegt. Denn selbst in dem unkontrollirbaren
Falle, dass die dargestellten Vasen in der That treue Abbilder phöni-
kischer Originalerzeugnisse wären, bleibt es doch noch immer fraglich,
ob ihre Ornamentik nicht auf egyptische Wurzel zurückgeht. Wenig-
stens vermissen wir an dem späteren uns aus Denkmälern bekannten
phönikischen Kunsthandwerk gerade die Spirale und die Thierköpfe
d. h. jene Elemente, die uns an den Geschenken der Kafa entgegen-
treten und die wir nicht minder an egyptischen Kunstwerken, wenn
auch erst des Neuen Reiches, so häufig wiederkehren sehen. Möglicher-
weise sind es in der That die Hetiter gewesen, die die egyptischen
Kunstformen, wenn auch nicht den Griechen, so doch den Mesopotamiern
vermittelt haben; freilich konnten es dann gewiss nicht jene rohen, eine
ausgebildete höhere Kunst barbarisirenden Bildwerke gewesen sein, die
man heute den Hetitern zuschreibt.

Was insbesondere den phönikischen Typus des Palmettenbaums
betrifft, so dürfen wir darin eine gefällige ornamentale Weiterbildung
einer egyptischen Grundform erblicken, die noch bis in die Zeit der
künstlerischen Hegemonie der Hellenen herab auf phönikischem Boden
zur Darstellung gebracht worden ist. Als Anknüpfungspunkt für die
weitere Entwicklung im Abendlande hat sie augenscheinlich wenigstens
dauernd nicht gedient78); sie ist aber für diese Entwicklung gerade im
7. und 6. Jahrhundert v. Ch. sehr bedeutungsvoll geworden durch den
Umstand, dass der phönikische Palmettenbaum das schon in der alt-

78) Sybel lässt die griechische umschriebene, d. h. oben von einer Kreis-
linie umzogene Palmette von der phönikischen im engeren Sinne abstammen,
was aber gänzlich unstatthaft ist, da jene sich aus dem Lotusblüthen-Knospen-
Bande abgelöst hat.

A. Altorientalisches.
Fig. 233), auf seinem Gewande den typisch ausgebildeten heiligen
Baum und die Rosetten der späteren assyrischen Ornamentik. Vollends,
wenn Renan Recht hat mit der Datirung der Inschrift der bekannten,
in den Monum. X. Taf. 32 publicirten palestrinischen Silberschale in
das 6. Jahrhundert v. Ch., so ergiebt sich bei der nahen stilistischen
Verwandtschaft fast aller erhaltenen phönikischen und phönikisch-ky-
priotischen Kunstdenkmäler für die Blüthe des phönikischen Kunsthand-
werks ein ziemlich spätes Datum, kaum viel über das Jahr Eintausend
v. Ch. hinauf. Für eine frühere Kunstblüthe bei den Phönikern mangelt
es vollständig an Beweisen. Dem Umstande, dass die Kafa (Phöniker)
auf egyptischen Wandgemälden den Thutmessiden Vasen als Tribute
darbringen, hat nicht nur Sybel, sondern haben auch Andere weit über-
triebene Bedeutung beigelegt. Denn selbst in dem unkontrollirbaren
Falle, dass die dargestellten Vasen in der That treue Abbilder phöni-
kischer Originalerzeugnisse wären, bleibt es doch noch immer fraglich,
ob ihre Ornamentik nicht auf egyptische Wurzel zurückgeht. Wenig-
stens vermissen wir an dem späteren uns aus Denkmälern bekannten
phönikischen Kunsthandwerk gerade die Spirale und die Thierköpfe
d. h. jene Elemente, die uns an den Geschenken der Kafa entgegen-
treten und die wir nicht minder an egyptischen Kunstwerken, wenn
auch erst des Neuen Reiches, so häufig wiederkehren sehen. Möglicher-
weise sind es in der That die Hetiter gewesen, die die egyptischen
Kunstformen, wenn auch nicht den Griechen, so doch den Mesopotamiern
vermittelt haben; freilich konnten es dann gewiss nicht jene rohen, eine
ausgebildete höhere Kunst barbarisirenden Bildwerke gewesen sein, die
man heute den Hetitern zuschreibt.

Was insbesondere den phönikischen Typus des Palmettenbaums
betrifft, so dürfen wir darin eine gefällige ornamentale Weiterbildung
einer egyptischen Grundform erblicken, die noch bis in die Zeit der
künstlerischen Hegemonie der Hellenen herab auf phönikischem Boden
zur Darstellung gebracht worden ist. Als Anknüpfungspunkt für die
weitere Entwicklung im Abendlande hat sie augenscheinlich wenigstens
dauernd nicht gedient78); sie ist aber für diese Entwicklung gerade im
7. und 6. Jahrhundert v. Ch. sehr bedeutungsvoll geworden durch den
Umstand, dass der phönikische Palmettenbaum das schon in der alt-

78) Sybel lässt die griechische umschriebene, d. h. oben von einer Kreis-
linie umzogene Palmette von der phönikischen im engeren Sinne abstammen,
was aber gänzlich unstatthaft ist, da jene sich aus dem Lotusblüthen-Knospen-
Bande abgelöst hat.
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[108/0134] A. Altorientalisches. Fig. 233), auf seinem Gewande den typisch ausgebildeten heiligen Baum und die Rosetten der späteren assyrischen Ornamentik. Vollends, wenn Renan Recht hat mit der Datirung der Inschrift der bekannten, in den Monum. X. Taf. 32 publicirten palestrinischen Silberschale in das 6. Jahrhundert v. Ch., so ergiebt sich bei der nahen stilistischen Verwandtschaft fast aller erhaltenen phönikischen und phönikisch-ky- priotischen Kunstdenkmäler für die Blüthe des phönikischen Kunsthand- werks ein ziemlich spätes Datum, kaum viel über das Jahr Eintausend v. Ch. hinauf. Für eine frühere Kunstblüthe bei den Phönikern mangelt es vollständig an Beweisen. Dem Umstande, dass die Kafa (Phöniker) auf egyptischen Wandgemälden den Thutmessiden Vasen als Tribute darbringen, hat nicht nur Sybel, sondern haben auch Andere weit über- triebene Bedeutung beigelegt. Denn selbst in dem unkontrollirbaren Falle, dass die dargestellten Vasen in der That treue Abbilder phöni- kischer Originalerzeugnisse wären, bleibt es doch noch immer fraglich, ob ihre Ornamentik nicht auf egyptische Wurzel zurückgeht. Wenig- stens vermissen wir an dem späteren uns aus Denkmälern bekannten phönikischen Kunsthandwerk gerade die Spirale und die Thierköpfe d. h. jene Elemente, die uns an den Geschenken der Kafa entgegen- treten und die wir nicht minder an egyptischen Kunstwerken, wenn auch erst des Neuen Reiches, so häufig wiederkehren sehen. Möglicher- weise sind es in der That die Hetiter gewesen, die die egyptischen Kunstformen, wenn auch nicht den Griechen, so doch den Mesopotamiern vermittelt haben; freilich konnten es dann gewiss nicht jene rohen, eine ausgebildete höhere Kunst barbarisirenden Bildwerke gewesen sein, die man heute den Hetitern zuschreibt. Was insbesondere den phönikischen Typus des Palmettenbaums betrifft, so dürfen wir darin eine gefällige ornamentale Weiterbildung einer egyptischen Grundform erblicken, die noch bis in die Zeit der künstlerischen Hegemonie der Hellenen herab auf phönikischem Boden zur Darstellung gebracht worden ist. Als Anknüpfungspunkt für die weitere Entwicklung im Abendlande hat sie augenscheinlich wenigstens dauernd nicht gedient 78); sie ist aber für diese Entwicklung gerade im 7. und 6. Jahrhundert v. Ch. sehr bedeutungsvoll geworden durch den Umstand, dass der phönikische Palmettenbaum das schon in der alt- 78) Sybel lässt die griechische umschriebene, d. h. oben von einer Kreis- linie umzogene Palmette von der phönikischen im engeren Sinne abstammen, was aber gänzlich unstatthaft ist, da jene sich aus dem Lotusblüthen-Knospen- Bande abgelöst hat.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/134>, abgerufen am 22.11.2024.