Richter, Christoph Philipp: Spectaculum Historicum. Historisches Schauspiel. Jena, 1661.Den 22. Novembris hat man einen grossen Stein angetroffen/ nach Mittage ümb zwey Uhr/ darunter ein Loch gewesen: Da hat man mit einer Stangen darein gestossen / und ist der Mäurer auf die Nasen getroffen worden: Weil man wolte fühlen/ ob es auch tieff wäre. Da schreyet der Mäurer/ und bittet/ daß man ihm ümb GOttes willen hulffe. Da man nun vernommen/ daß er noch am Leben/ hat man fleissig gearbeitet/ biß ümb zehen Uhr zu Nacht/ da ist man seiner ansichtig worden/ denn er stunde hinter der Leiter/ die Beine aber waren ihm mit Erdreich verfallen. Er hat frisch geredet/ und gesaget/ man solte ihm seine Frau eine Biersuppen lassen machen/ denn ihn sehr hungerte. Ehe er solche Rede vollendet/ scheust das Erdreich noch einmahl ein/ und überfället ihn: Da meinete nun iederman/ es wäre aus mit ihm/ und wolten die Nacht nicht mehr arbeiten. Aber durch Anregung des Bürgermeisters thäten sie mit der Arbeit Folge/ und funden ihn wieder am Leben/ ümb zwölff Uhr in der Nacht/ den 22. Novembris. Man hat ihn frisch und gesund/ unversehret seiner Gliedmassen/ heraus gebracht / ob er wohl vier Tage und vierdtehalb Nacht/ das sind acht und achtzig Stunden / im Erdreich gelegen: Und ist also in der höchsten Gefährligkeit/ durch der En- Den 22. Novembris hat man einen grossen Stein angetroffen/ nach Mittage ümb zwey Uhr/ darunter ein Loch gewesen: Da hat man mit einer Stangen darein gestossen / und ist der Mäurer auf die Nasen getroffen worden: Weil man wolte fühlen/ ob es auch tieff wäre. Da schreyet der Mäurer/ und bittet/ daß man ihm ümb GOttes willen hulffe. Da man nun vernommen/ daß er noch am Leben/ hat man fleissig gearbeitet/ biß ümb zehen Uhr zu Nacht/ da ist man seiner ansichtig worden/ denn er stunde hinter der Leiter/ die Beine aber waren ihm mit Erdreich verfallen. Er hat frisch geredet/ und gesaget/ man solte ihm seine Frau eine Biersuppen lassen machen/ denn ihn sehr hungerte. Ehe er solche Rede vollendet/ scheust das Erdreich noch einmahl ein/ und überfället ihn: Da meinete nun iederman/ es wäre aus mit ihm/ und wolten die Nacht nicht mehr arbeiten. Aber durch Anregung des Bürgermeisters thäten sie mit der Arbeit Folge/ und funden ihn wieder am Leben/ ümb zwölff Uhr in der Nacht/ den 22. Novembris. Man hat ihn frisch und gesund/ unversehret seiner Gliedmassen/ heraus gebracht / ob er wohl vier Tage und vierdtehalb Nacht/ das sind acht und achtzig Stunden / im Erdreich gelegen: Und ist also in der höchsten Gefährligkeit/ durch der En- <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0793" n="762"/> <p>Den 22. Novembris hat man einen grossen Stein angetroffen/ nach Mittage ümb zwey Uhr/ darunter ein Loch gewesen: Da hat man mit einer Stangen darein gestossen / und ist der Mäurer auf die Nasen getroffen worden: Weil man wolte fühlen/ ob es auch tieff wäre. Da schreyet der Mäurer/ und bittet/ daß man ihm ümb GOttes willen hulffe.</p> <p>Da man nun vernommen/ daß er noch am Leben/ hat man fleissig gearbeitet/ biß ümb zehen Uhr zu Nacht/ da ist man seiner ansichtig worden/ denn er stunde hinter der Leiter/ die Beine aber waren ihm mit Erdreich verfallen.</p> <p>Er hat frisch geredet/ und gesaget/ man solte ihm seine Frau eine Biersuppen lassen machen/ denn ihn sehr hungerte.</p> <p>Ehe er solche Rede vollendet/ scheust das Erdreich noch einmahl ein/ und überfället ihn: Da meinete nun iederman/ es wäre aus mit ihm/ und wolten die Nacht nicht mehr arbeiten.</p> <p>Aber durch Anregung des Bürgermeisters thäten sie mit der Arbeit Folge/ und funden ihn wieder am Leben/ ümb zwölff Uhr in der Nacht/ den 22. Novembris.</p> <p>Man hat ihn frisch und gesund/ unversehret seiner Gliedmassen/ heraus gebracht / ob er wohl vier Tage und vierdtehalb Nacht/ das sind acht und achtzig Stunden / im Erdreich gelegen: Und ist also in der höchsten Gefährligkeit/ durch der En- </p> </div> </body> </text> </TEI> [762/0793]
Den 22. Novembris hat man einen grossen Stein angetroffen/ nach Mittage ümb zwey Uhr/ darunter ein Loch gewesen: Da hat man mit einer Stangen darein gestossen / und ist der Mäurer auf die Nasen getroffen worden: Weil man wolte fühlen/ ob es auch tieff wäre. Da schreyet der Mäurer/ und bittet/ daß man ihm ümb GOttes willen hulffe.
Da man nun vernommen/ daß er noch am Leben/ hat man fleissig gearbeitet/ biß ümb zehen Uhr zu Nacht/ da ist man seiner ansichtig worden/ denn er stunde hinter der Leiter/ die Beine aber waren ihm mit Erdreich verfallen.
Er hat frisch geredet/ und gesaget/ man solte ihm seine Frau eine Biersuppen lassen machen/ denn ihn sehr hungerte.
Ehe er solche Rede vollendet/ scheust das Erdreich noch einmahl ein/ und überfället ihn: Da meinete nun iederman/ es wäre aus mit ihm/ und wolten die Nacht nicht mehr arbeiten.
Aber durch Anregung des Bürgermeisters thäten sie mit der Arbeit Folge/ und funden ihn wieder am Leben/ ümb zwölff Uhr in der Nacht/ den 22. Novembris.
Man hat ihn frisch und gesund/ unversehret seiner Gliedmassen/ heraus gebracht / ob er wohl vier Tage und vierdtehalb Nacht/ das sind acht und achtzig Stunden / im Erdreich gelegen: Und ist also in der höchsten Gefährligkeit/ durch der En-
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Zitationshilfe: | Richter, Christoph Philipp: Spectaculum Historicum. Historisches Schauspiel. Jena, 1661, S. 762. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richter_spectaculum_1661/793>, abgerufen am 16.02.2025. |