Richter, Christoph Philipp: Spectaculum Historicum. Historisches Schauspiel. Jena, 1661.auf den Abend die Todtengräber sie in die gemeint Gruben mit den andern begruben. Als sie nun daselbst die gantze Nacht gelegen/ komt sie des Morgens wieder zu sich selbsten/ erfanget ihre Lebens-Geister/ weiß sich aber doch nicht wohl zu besinnen/ wo sie sey: Kan sich auch nicht hervor ziehen/ wegen ihrer Schwachheit/ und auch darüm/ weil sie mit der Last anderer Leichen und Erden beladen war. Da fieng sie an zu schreyen: Aber weil es von den Wohnungen entlegen war/ und sich niemand hinzu wagete/ wegen des Gestancks der Leichen/ und wegen der Furcht/ er möchte angestecket/ oder abgesondert werden: Blieb sie in diesem Zustande vier Tage lang ohne Essen und Trincken. Als sie der Hunger sehr drückte/ nagete und verschluckte sie ein Stücke von ihrem Schleyer/ damit ihr Antlitz bedecket war. Vier und zwantzig Stunden hernach kamen die Todtengräber wieder zu dieser Gruben / mehr Leichen hinein zu werffen. Sie machten ein Gerausche und hin und wieder gehen: Das hörte die Nicole/ und fieng an zu schreyen/ nach ihrem Vermögen/ so lange daß sie es endlich höreten / mit einem solchen Erschrecknüß/ wie ihm der Leser wohl kan einbilden: Und als sie erkenneten/ daß diß eine Menschenstimme wäre/ fiengen sie an nach zusuchen / zogen sie aus auf den Abend die Todtengräber sie in die gemeint Gruben mit den andern begruben. Als sie nun daselbst die gantze Nacht gelegen/ komt sie des Morgens wieder zu sich selbsten/ erfanget ihre Lebens-Geister/ weiß sich aber doch nicht wohl zu besinnen/ wo sie sey: Kan sich auch nicht hervor ziehen/ wegen ihrer Schwachheit/ und auch darüm/ weil sie mit der Last anderer Leichen und Erden beladen war. Da fieng sie an zu schreyen: Aber weil es von den Wohnungen entlegen war/ und sich niemand hinzu wagete/ wegen des Gestancks der Leichen/ und wegen der Furcht/ er möchte angestecket/ oder abgesondert werden: Blieb sie in diesem Zustande vier Tage lang ohne Essen und Trincken. Als sie der Hunger sehr drückte/ nagete und verschluckte sie ein Stücke von ihrem Schleyer/ damit ihr Antlitz bedecket war. Vier und zwantzig Stunden hernach kamen die Todtengräber wieder zu dieser Gruben / mehr Leichen hinein zu werffen. Sie machten ein Gerausche und hin und wieder gehen: Das hörte die Nicole/ und fieng an zu schreyen/ nach ihrem Vermögen/ so lange daß sie es endlich höreten / mit einem solchen Erschrecknüß/ wie ihm der Leser wohl kan einbilden: Und als sie erkenneten/ daß diß eine Menschenstimme wäre/ fiengen sie an nach zusuchen / zogen sie aus <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0176" n="156"/> auf den Abend die Todtengräber sie in die gemeint Gruben mit den andern begruben.</p> <p>Als sie nun daselbst die gantze Nacht gelegen/ komt sie des Morgens wieder zu sich selbsten/ erfanget ihre Lebens-Geister/ weiß sich aber doch nicht wohl zu besinnen/ wo sie sey: Kan sich auch nicht hervor ziehen/ wegen ihrer Schwachheit/ und auch darüm/ weil sie mit der Last anderer Leichen und Erden beladen war.</p> <p>Da fieng sie an zu schreyen: Aber weil es von den Wohnungen entlegen war/ und sich niemand hinzu wagete/ wegen des Gestancks der Leichen/ und wegen der Furcht/ er möchte angestecket/ oder abgesondert werden: Blieb sie in diesem Zustande vier Tage lang ohne Essen und Trincken.</p> <p>Als sie der Hunger sehr drückte/ nagete und verschluckte sie ein Stücke von ihrem Schleyer/ damit ihr Antlitz bedecket war.</p> <p>Vier und zwantzig Stunden hernach kamen die Todtengräber wieder zu dieser Gruben / mehr Leichen hinein zu werffen.</p> <p>Sie machten ein Gerausche und hin und wieder gehen: Das hörte die Nicole/ und fieng an zu schreyen/ nach ihrem Vermögen/ so lange daß sie es endlich höreten / mit einem solchen Erschrecknüß/ wie ihm der Leser wohl kan einbilden: Und als sie erkenneten/ daß diß eine Menschenstimme wäre/ fiengen sie an nach zusuchen / zogen sie aus </p> </div> </body> </text> </TEI> [156/0176]
auf den Abend die Todtengräber sie in die gemeint Gruben mit den andern begruben.
Als sie nun daselbst die gantze Nacht gelegen/ komt sie des Morgens wieder zu sich selbsten/ erfanget ihre Lebens-Geister/ weiß sich aber doch nicht wohl zu besinnen/ wo sie sey: Kan sich auch nicht hervor ziehen/ wegen ihrer Schwachheit/ und auch darüm/ weil sie mit der Last anderer Leichen und Erden beladen war.
Da fieng sie an zu schreyen: Aber weil es von den Wohnungen entlegen war/ und sich niemand hinzu wagete/ wegen des Gestancks der Leichen/ und wegen der Furcht/ er möchte angestecket/ oder abgesondert werden: Blieb sie in diesem Zustande vier Tage lang ohne Essen und Trincken.
Als sie der Hunger sehr drückte/ nagete und verschluckte sie ein Stücke von ihrem Schleyer/ damit ihr Antlitz bedecket war.
Vier und zwantzig Stunden hernach kamen die Todtengräber wieder zu dieser Gruben / mehr Leichen hinein zu werffen.
Sie machten ein Gerausche und hin und wieder gehen: Das hörte die Nicole/ und fieng an zu schreyen/ nach ihrem Vermögen/ so lange daß sie es endlich höreten / mit einem solchen Erschrecknüß/ wie ihm der Leser wohl kan einbilden: Und als sie erkenneten/ daß diß eine Menschenstimme wäre/ fiengen sie an nach zusuchen / zogen sie aus
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Zitationshilfe: | Richter, Christoph Philipp: Spectaculum Historicum. Historisches Schauspiel. Jena, 1661, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richter_spectaculum_1661/176>, abgerufen am 16.02.2025. |