bung von ihrer Mine, und Anstand, die sehr zu ihrem Vortheil ist, und sagt:
Jch konnte mich hiebei kaum enthalten, sie zu umarmen, trotz einem Ungewitter, das ich zu befürchten hatte. So viel Witz, so viel Schönheit, solche lebhafte Manieren, so unge- meine Scharfsinnigkeit und Einsicht! O Bel- ford! Sie darf keinem Manne eigen werden, als mir. Nunmehr kan ich den Befehl des He- rodes erklären, und rechtfertigen, daß man seine Mariamne ermorden sollte, wenn er von feiner Unterredung mit dem Caesar nicht le- bendig zurück käme. Denn sollte ich es mir nur als warscheinlich denken, daß irgend ein andrer Mann dies bezaubernde Mädgen besitzen wür- de, und sollte es auch nach meinem Tode seyn, so würde mich der Gedanke allein schon reizen, ihm die Kehle abzuschneiden, und wenn er ein König wäre!
Diese Fräulein mag mich einen wilden, einen ungestümen Liebhaber schelten, - - und mag mich deswegen weniger leiden können: Aber alle übri- ge Fräulein, die ich angetroffen habe, mochten auch gern ein Ungewitter erregen, und sichs dann zu Nutze machen. Doch haben sie nie ein Ungewitter erregt, daß ichs mir nicht auch zu Nutze gemacht hätte! - - Der Himmel geleite uns nur einmal glücklich nach London!
Herr Lovelace macht von seiner heftigen Entzückung, mit welcher er ihre Hand
ergrif-
bung von ihrer Mine, und Anſtand, die ſehr zu ihrem Vortheil iſt, und ſagt:
Jch konnte mich hiebei kaum enthalten, ſie zu umarmen, trotz einem Ungewitter, das ich zu befuͤrchten hatte. So viel Witz, ſo viel Schoͤnheit, ſolche lebhafte Manieren, ſo unge- meine Scharfſinnigkeit und Einſicht! O Bel- ford! Sie darf keinem Manne eigen werden, als mir. Nunmehr kan ich den Befehl des He- rodes erklaͤren, und rechtfertigen, daß man ſeine Mariamne ermorden ſollte, wenn er von feiner Unterredung mit dem Caeſar nicht le- bendig zuruͤck kaͤme. Denn ſollte ich es mir nur als warſcheinlich denken, daß irgend ein andrer Mann dies bezaubernde Maͤdgen beſitzen wuͤr- de, und ſollte es auch nach meinem Tode ſeyn, ſo wuͤrde mich der Gedanke allein ſchon reizen, ihm die Kehle abzuſchneiden, und wenn er ein Koͤnig waͤre!
Dieſe Fraͤulein mag mich einen wilden, einen ungeſtuͤmen Liebhaber ſchelten, ‒ ‒ und mag mich deswegen weniger leiden koͤnnen: Aber alle uͤbri- ge Fraͤulein, die ich angetroffen habe, mochten auch gern ein Ungewitter erregen, und ſichs dann zu Nutze machen. Doch haben ſie nie ein Ungewitter erregt, daß ichs mir nicht auch zu Nutze gemacht haͤtte! ‒ ‒ Der Himmel geleite uns nur einmal gluͤcklich nach London!
Herr Lovelace macht von ſeiner heftigen Entzuͤckung, mit welcher er ihre Hand
ergrif-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><list><item><pbfacs="#f0074"n="66"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
bung von ihrer Mine, und Anſtand,<lb/>
die ſehr zu ihrem Vortheil iſt, und ſagt:</item></list><lb/><p>Jch konnte mich hiebei kaum enthalten, ſie<lb/>
zu umarmen, trotz einem Ungewitter, das ich<lb/>
zu befuͤrchten hatte. So viel Witz, ſo viel<lb/>
Schoͤnheit, ſolche lebhafte Manieren, ſo unge-<lb/>
meine Scharfſinnigkeit und Einſicht! O <hirendition="#fr">Bel-<lb/>
ford!</hi> Sie darf keinem Manne eigen werden,<lb/>
als mir. Nunmehr kan ich den Befehl des <hirendition="#fr">He-<lb/>
rodes</hi> erklaͤren, und rechtfertigen, daß man<lb/>ſeine <hirendition="#fr">Mariamne</hi> ermorden ſollte, wenn er von<lb/>
feiner Unterredung mit dem <hirendition="#fr">Caeſar</hi> nicht le-<lb/>
bendig zuruͤck kaͤme. Denn ſollte ich es mir nur<lb/>
als warſcheinlich denken, daß irgend ein andrer<lb/>
Mann dies bezaubernde Maͤdgen beſitzen wuͤr-<lb/>
de, und ſollte es auch nach meinem Tode ſeyn,<lb/>ſo wuͤrde mich der Gedanke allein ſchon reizen,<lb/>
ihm die Kehle abzuſchneiden, und wenn er ein<lb/>
Koͤnig waͤre!</p><lb/><p>Dieſe Fraͤulein mag mich einen wilden, einen<lb/>
ungeſtuͤmen Liebhaber ſchelten, ‒‒ und mag mich<lb/>
deswegen weniger leiden koͤnnen: Aber alle uͤbri-<lb/>
ge Fraͤulein, die ich angetroffen habe, mochten<lb/>
auch gern ein Ungewitter erregen, und ſichs<lb/>
dann zu Nutze machen. Doch haben ſie nie ein<lb/>
Ungewitter erregt, daß ichs mir nicht auch zu<lb/>
Nutze gemacht haͤtte! ‒‒ Der Himmel geleite<lb/>
uns nur einmal gluͤcklich nach <hirendition="#fr">London!</hi></p><lb/><list><item>Herr <hirendition="#fr">Lovelace</hi> macht von ſeiner heftigen<lb/>
Entzuͤckung, mit welcher er ihre Hand<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ergrif-</fw><lb/></item></list></div></div></body></text></TEI>
[66/0074]
bung von ihrer Mine, und Anſtand,
die ſehr zu ihrem Vortheil iſt, und ſagt:
Jch konnte mich hiebei kaum enthalten, ſie
zu umarmen, trotz einem Ungewitter, das ich
zu befuͤrchten hatte. So viel Witz, ſo viel
Schoͤnheit, ſolche lebhafte Manieren, ſo unge-
meine Scharfſinnigkeit und Einſicht! O Bel-
ford! Sie darf keinem Manne eigen werden,
als mir. Nunmehr kan ich den Befehl des He-
rodes erklaͤren, und rechtfertigen, daß man
ſeine Mariamne ermorden ſollte, wenn er von
feiner Unterredung mit dem Caeſar nicht le-
bendig zuruͤck kaͤme. Denn ſollte ich es mir nur
als warſcheinlich denken, daß irgend ein andrer
Mann dies bezaubernde Maͤdgen beſitzen wuͤr-
de, und ſollte es auch nach meinem Tode ſeyn,
ſo wuͤrde mich der Gedanke allein ſchon reizen,
ihm die Kehle abzuſchneiden, und wenn er ein
Koͤnig waͤre!
Dieſe Fraͤulein mag mich einen wilden, einen
ungeſtuͤmen Liebhaber ſchelten, ‒ ‒ und mag mich
deswegen weniger leiden koͤnnen: Aber alle uͤbri-
ge Fraͤulein, die ich angetroffen habe, mochten
auch gern ein Ungewitter erregen, und ſichs
dann zu Nutze machen. Doch haben ſie nie ein
Ungewitter erregt, daß ichs mir nicht auch zu
Nutze gemacht haͤtte! ‒ ‒ Der Himmel geleite
uns nur einmal gluͤcklich nach London!
Herr Lovelace macht von ſeiner heftigen
Entzuͤckung, mit welcher er ihre Hand
ergrif-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/74>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.