in diesem Fall, wie sie voraussetzen, so gros- müthig zu handeln, sich irgend einer unerhör- ten Niederträchtigkeit schuldig machen könnte. Sie bedenken aber nicht, daß er seinem eignen Geständniß (in dem 31. Briefe des ersten Theils) nach, aus Liebe, Stolz und Rache zusammen- gesetzet war, welche alle gleich stark auf ihn würk- ten; und daß der Widerstand ihn noch mehr anfeuerte.
Th. III. S. 63. L. 15. zu den Worten: ihm folgen sollte, setze folgende Note:
Man hat der Fräulein Clarissa einen Feh- ler daraus gemacht, daß sie in ihrer ersten Un- terredung zu St. Albans, auch hernach, zu zurückhaltend, ja gar stolz gegen den Herrn Lo- velace gethan hätte. Aber diejenigen, welche sie deswegen tadelnswürdig gehalten, haben ge- wiß nicht die gehörige Aufmerksamkeit auf die Geschichte gewand. Denn wie zeitig erinnert er sie nicht, (wie man oben, und aus dem gleich folgenden, siehet) an die Bedingung, die sie ihm vorgeschrieben hatte, ehe sie noch in seiner Ge- walt war, daß er sich nemlich in einer ehrerbie- tigen Entfernung von ihr halten sollte, in der Hoffnung, zur Versöhnung mit ihren Ver- wandten, die ihr so sehr am Herzen lag, einen Weg offen zu lassen. Und mit wie vieler List verspricht er nicht ungebeten, die Bedingung zu erfüllen, welche sie ihm, dem Rath der Fräu- lein Howe zufolge, in ihren gegenwärtigen Um-
ständen
in dieſem Fall, wie ſie vorausſetzen, ſo gros- muͤthig zu handeln, ſich irgend einer unerhoͤr- ten Niedertraͤchtigkeit ſchuldig machen koͤnnte. Sie bedenken aber nicht, daß er ſeinem eignen Geſtaͤndniß (in dem 31. Briefe des erſten Theils) nach, aus Liebe, Stolz und Rache zuſammen- geſetzet war, welche alle gleich ſtark auf ihn wuͤrk- ten; und daß der Widerſtand ihn noch mehr anfeuerte.
Th. III. S. 63. L. 15. zu den Worten: ihm folgen ſollte, ſetze folgende Note:
Man hat der Fraͤulein Clariſſa einen Feh- ler daraus gemacht, daß ſie in ihrer erſten Un- terredung zu St. Albans, auch hernach, zu zuruͤckhaltend, ja gar ſtolz gegen den Herrn Lo- velace gethan haͤtte. Aber diejenigen, welche ſie deswegen tadelnswuͤrdig gehalten, haben ge- wiß nicht die gehoͤrige Aufmerkſamkeit auf die Geſchichte gewand. Denn wie zeitig erinnert er ſie nicht, (wie man oben, und aus dem gleich folgenden, ſiehet) an die Bedingung, die ſie ihm vorgeſchrieben hatte, ehe ſie noch in ſeiner Ge- walt war, daß er ſich nemlich in einer ehrerbie- tigen Entfernung von ihr halten ſollte, in der Hoffnung, zur Verſoͤhnung mit ihren Ver- wandten, die ihr ſo ſehr am Herzen lag, einen Weg offen zu laſſen. Und mit wie vieler Liſt verſpricht er nicht ungebeten, die Bedingung zu erfuͤllen, welche ſie ihm, dem Rath der Fraͤu- lein Howe zufolge, in ihren gegenwaͤrtigen Um-
ſtaͤnden
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[31/0039]
in dieſem Fall, wie ſie vorausſetzen, ſo gros-
muͤthig zu handeln, ſich irgend einer unerhoͤr-
ten Niedertraͤchtigkeit ſchuldig machen koͤnnte.
Sie bedenken aber nicht, daß er ſeinem eignen
Geſtaͤndniß (in dem 31. Briefe des erſten Theils)
nach, aus Liebe, Stolz und Rache zuſammen-
geſetzet war, welche alle gleich ſtark auf ihn wuͤrk-
ten; und daß der Widerſtand ihn noch mehr
anfeuerte.
Th. III. S. 63. L. 15. zu den Worten:
ihm folgen ſollte, ſetze folgende Note:
Man hat der Fraͤulein Clariſſa einen Feh-
ler daraus gemacht, daß ſie in ihrer erſten Un-
terredung zu St. Albans, auch hernach, zu
zuruͤckhaltend, ja gar ſtolz gegen den Herrn Lo-
velace gethan haͤtte. Aber diejenigen, welche
ſie deswegen tadelnswuͤrdig gehalten, haben ge-
wiß nicht die gehoͤrige Aufmerkſamkeit auf die
Geſchichte gewand. Denn wie zeitig erinnert
er ſie nicht, (wie man oben, und aus dem gleich
folgenden, ſiehet) an die Bedingung, die ſie ihm
vorgeſchrieben hatte, ehe ſie noch in ſeiner Ge-
walt war, daß er ſich nemlich in einer ehrerbie-
tigen Entfernung von ihr halten ſollte, in der
Hoffnung, zur Verſoͤhnung mit ihren Ver-
wandten, die ihr ſo ſehr am Herzen lag, einen
Weg offen zu laſſen. Und mit wie vieler Liſt
verſpricht er nicht ungebeten, die Bedingung
zu erfuͤllen, welche ſie ihm, dem Rath der Fraͤu-
lein Howe zufolge, in ihren gegenwaͤrtigen Um-
ſtaͤnden
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/39>, abgerufen am 22.02.2025.
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