Meinung nach, den meisten Verstand haben, die Frau oder der Mann?
Wolan, mein Herr, was ist nun noch übrig, wenn Sie mein Aenngen würklich so sehr lie- ben, wie Sie vorgeben? - - Gut, das überlasse ich ihnen. Sie können, wenn Sie wollen, mor- gen mit mir frühstücken. Aber mit keinem vol- len Herzen, mit keinen zornigen Minen, das rathe ich Jhnen, es wäre denn, daß Sie es aus- keifen könnten. Das habe ich auch mannigmal mit meinem Mann gethan, wenn er mich böse machte. Aber bei meiner Tochter gewinne ich nichts damit, vielweniger Sie. Den Rath hielt ich für nöthig, Jhnen zu geben, Sie können sich darnach richten.
Jhre Freundinn, Annabella Howe.
Th. II. S. 252. L. 24. Zu den Worten: einziehen möchten, setze folgende Note:
Man wird aus dem 34. Briefe des ersten Theils schen, daß Herr Lovelace eine doppelte Ursache hatte, sein Rosenknöspgen nicht zu ver- führen. Einmal war seinem Stolze dadurch geschmeichelt, daß die Großmutter ihn gebe- ten, ihre Enkelin zu schonen. "Manches klei- "nen schelmischen Mädgens, sagt er in dem "Briefe S. 385, würde ich geschonet haben, "wenn mein Vermögen, es zu verführen, er- "kannt, und ich frühe genug um Barmherzig- "keit gebeten wäre. Mein Wahlspruch soll im-
"mer
Meinung nach, den meiſten Verſtand haben, die Frau oder der Mann?
Wolan, mein Herr, was iſt nun noch uͤbrig, wenn Sie mein Aenngen wuͤrklich ſo ſehr lie- ben, wie Sie vorgeben? ‒ ‒ Gut, das uͤberlaſſe ich ihnen. Sie koͤnnen, wenn Sie wollen, mor- gen mit mir fruͤhſtuͤcken. Aber mit keinem vol- len Herzen, mit keinen zornigen Minen, das rathe ich Jhnen, es waͤre denn, daß Sie es aus- keifen koͤnnten. Das habe ich auch mannigmal mit meinem Mann gethan, wenn er mich boͤſe machte. Aber bei meiner Tochter gewinne ich nichts damit, vielweniger Sie. Den Rath hielt ich fuͤr noͤthig, Jhnen zu geben, Sie koͤnnen ſich darnach richten.
Jhre Freundinn, Annabella Howe.
Th. II. S. 252. L. 24. Zu den Worten: einziehen moͤchten, ſetze folgende Note:
Man wird aus dem 34. Briefe des erſten Theils ſchen, daß Herr Lovelace eine doppelte Urſache hatte, ſein Roſenknoͤspgen nicht zu ver- fuͤhren. Einmal war ſeinem Stolze dadurch geſchmeichelt, daß die Großmutter ihn gebe- ten, ihre Enkelin zu ſchonen. “Manches klei- „nen ſchelmiſchen Maͤdgens, ſagt er in dem „Briefe S. 385, wuͤrde ich geſchonet haben, „wenn mein Vermoͤgen, es zu verfuͤhren, er- „kannt, und ich fruͤhe genug um Barmherzig- „keit gebeten waͤre. Mein Wahlſpruch ſoll im-
„mer
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Meinung nach, den meiſten Verſtand haben,
die Frau oder der Mann?
Wolan, mein Herr, was iſt nun noch uͤbrig,
wenn Sie mein Aenngen wuͤrklich ſo ſehr lie-
ben, wie Sie vorgeben? ‒ ‒ Gut, das uͤberlaſſe
ich ihnen. Sie koͤnnen, wenn Sie wollen, mor-
gen mit mir fruͤhſtuͤcken. Aber mit keinem vol-
len Herzen, mit keinen zornigen Minen, das
rathe ich Jhnen, es waͤre denn, daß Sie es aus-
keifen koͤnnten. Das habe ich auch mannigmal
mit meinem Mann gethan, wenn er mich boͤſe
machte. Aber bei meiner Tochter gewinne ich
nichts damit, vielweniger Sie. Den Rath hielt
ich fuͤr noͤthig, Jhnen zu geben, Sie koͤnnen
ſich darnach richten.
Jhre Freundinn,
Annabella Howe.
Th. II. S. 252. L. 24. Zu den Worten:
einziehen moͤchten, ſetze folgende Note:
Man wird aus dem 34. Briefe des erſten
Theils ſchen, daß Herr Lovelace eine doppelte
Urſache hatte, ſein Roſenknoͤspgen nicht zu ver-
fuͤhren. Einmal war ſeinem Stolze dadurch
geſchmeichelt, daß die Großmutter ihn gebe-
ten, ihre Enkelin zu ſchonen. “Manches klei-
„nen ſchelmiſchen Maͤdgens, ſagt er in dem
„Briefe S. 385, wuͤrde ich geſchonet haben,
„wenn mein Vermoͤgen, es zu verfuͤhren, er-
„kannt, und ich fruͤhe genug um Barmherzig-
„keit gebeten waͤre. Mein Wahlſpruch ſoll im-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/37>, abgerufen am 16.07.2024.
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