"man einer jeden Person etwas zu gute hal- "ten. Jch verdiente keinen Vorwurf von "dem, der meine Umstände bedenklich mach- "te: und Sie, meine wertheste, sollten gefun- "den haben, wenn ich mit einem andern Man- "ne zu thun gehabt, oder er nur halb die gu- "ten Eigenschaften besessen hätte, die Herr "Hickmann besitzet, daß meine Werke sich in "diesem Stück nach meinen Lehrsätzen gerich- "tet haben würde." Man lese den ganzen Brief, wie auch den Brief des Herrn Lovela- ce Th. VII. Num. III. wo er kurz vor ihrem Tode ihre Aufführung in diesem Stück von al- lem Tadel frei spricht.
Einige würdige und sinnreiche Personen ha- ben gemeinet, daß, wenn Lovelace als ein Ungläubiger, oder als ein Religions-Spötter vorgestellet wäre, sein Charackter, nach dem Geschmack unsrer mehr als Sceptischen Zeiten natürlicher gewesen seyn würde. Doch es ist nur gar zu bekannt, wie viele Leute es von diesem Schlage giebt, deren Handlungen mit ihrem Glauben nicht übereinstimmen. Und sagt nicht die heilige Schrift selbst von den Teufeln, daß sie glauben und zittern?
Wiewol der Leser hat auch warnehmen müssen, daß man durch das ganze Werk einen starken, und, wie wir hoffen, guten Gebrauch davon gemacht hat, daß Herr Lovelace als ein Un- gläubiger bloß in seinem Wandel geschildert ist. Und dies so wol in den Gründen seines
Freun-
„man einer jeden Perſon etwas zu gute hal- „ten. Jch verdiente keinen Vorwurf von „dem, der meine Umſtaͤnde bedenklich mach- „te: und Sie, meine wertheſte, ſollten gefun- „den haben, wenn ich mit einem andern Man- „ne zu thun gehabt, oder er nur halb die gu- „ten Eigenſchaften beſeſſen haͤtte, die Herr „Hickmann beſitzet, daß meine Werke ſich in „dieſem Stuͤck nach meinen Lehrſaͤtzen gerich- „tet haben wuͤrde.” Man leſe den ganzen Brief, wie auch den Brief des Herrn Lovela- ce Th. VII. Num. III. wo er kurz vor ihrem Tode ihre Auffuͤhrung in dieſem Stuͤck von al- lem Tadel frei ſpricht.
Einige wuͤrdige und ſinnreiche Perſonen ha- ben gemeinet, daß, wenn Lovelace als ein Unglaͤubiger, oder als ein Religions-Spoͤtter vorgeſtellet waͤre, ſein Charackter, nach dem Geſchmack unſrer mehr als Sceptiſchen Zeiten natuͤrlicher geweſen ſeyn wuͤrde. Doch es iſt nur gar zu bekannt, wie viele Leute es von dieſem Schlage giebt, deren Handlungen mit ihrem Glauben nicht uͤbereinſtimmen. Und ſagt nicht die heilige Schrift ſelbſt von den Teufeln, daß ſie glauben und zittern?
Wiewol der Leſer hat auch warnehmen muͤſſen, daß man durch das ganze Werk einen ſtarken, und, wie wir hoffen, guten Gebrauch davon gemacht hat, daß Herr Lovelace als ein Un- glaͤubiger bloß in ſeinem Wandel geſchildert iſt. Und dies ſo wol in den Gruͤnden ſeines
Freun-
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„man einer jeden Perſon etwas zu gute hal-
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„dem, der meine Umſtaͤnde bedenklich mach-
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„den haben, wenn ich mit einem andern Man-
„ne zu thun gehabt, oder er nur halb die gu-
„ten Eigenſchaften beſeſſen haͤtte, die Herr
„Hickmann beſitzet, daß meine Werke ſich in
„dieſem Stuͤck nach meinen Lehrſaͤtzen gerich-
„tet haben wuͤrde.” Man leſe den ganzen
Brief, wie auch den Brief des Herrn Lovela-
ce Th. VII. Num. III. wo er kurz vor ihrem
Tode ihre Auffuͤhrung in dieſem Stuͤck von al-
lem Tadel frei ſpricht.
Einige wuͤrdige und ſinnreiche Perſonen ha-
ben gemeinet, daß, wenn Lovelace als ein
Unglaͤubiger, oder als ein Religions-Spoͤtter
vorgeſtellet waͤre, ſein Charackter, nach dem
Geſchmack unſrer mehr als Sceptiſchen Zeiten
natuͤrlicher geweſen ſeyn wuͤrde. Doch es iſt
nur gar zu bekannt, wie viele Leute es von
dieſem Schlage giebt, deren Handlungen mit
ihrem Glauben nicht uͤbereinſtimmen. Und
ſagt nicht die heilige Schrift ſelbſt von den
Teufeln, daß ſie glauben und zittern?
Wiewol der Leſer hat auch warnehmen muͤſſen,
daß man durch das ganze Werk einen ſtarken,
und, wie wir hoffen, guten Gebrauch davon
gemacht hat, daß Herr Lovelace als ein Un-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/357>, abgerufen am 16.02.2025.
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