Wünsche, in Ansehung dessen, was sie von der Entwicklung des Knotens besorgt, auf verschied- ne Weise ausgedrückt haben.
Die meisten sind von dem schönen Geschlecht an ihn abgelassen, und gehen dahin, daß sie gerne einen glücklichen Ausgang, wie man es nennet, haben wollen. Einige von diesen, welche, wie sie gestehen, von dem Charackter unsrer Heldin eingenommen sind, wünschen ei- frigst, sie glücklich zu sehen. Andre, die mit ihnen völlig übereinstimmen, behaupten über- dem, daß die poetische Gerechtigkeit dieses nothwendig erfordere. Denn, schreibt eine dieser sinnreichen Correspondentinnen, ohne Zwei- fel aus einem guten und menschenfreundlichen Herzen; "Wenn es ausgemacht ist, daß es in "eines Verfassers Gewalt stehet, seine Geschichte "endigen zu lassen, wie es ihm beliebet, war- "um sollte er nicht viel lieber dem Leser ein Ver- "gnügen, als unangenehme Empfindungen er- "wecken, den er für die Hauptpersonen so sehr "eingenommen hat?"
Andre, und zwar einige Herren, erklären sich gegen das Trauerspiel überhaupt, und ge- ben, fast mit den Worten des Herrn Lovela- ce, den Lustspielen den Vorzug, der in seinem Geschmack von allem Frauenzimmer in dem Hause der Sinclair, und von der Sinclair selbst unterstützet würde. "Jch habe zu viele "Empfindung, sagt er. (*) Es ist ohnehin
genug
(*) Siehe Th. IV. S. 149
Wuͤnſche, in Anſehung deſſen, was ſie von der Entwicklung des Knotens beſorgt, auf verſchied- ne Weiſe ausgedruͤckt haben.
Die meiſten ſind von dem ſchoͤnen Geſchlecht an ihn abgelaſſen, und gehen dahin, daß ſie gerne einen gluͤcklichen Ausgang, wie man es nennet, haben wollen. Einige von dieſen, welche, wie ſie geſtehen, von dem Charackter unſrer Heldin eingenommen ſind, wuͤnſchen ei- frigſt, ſie gluͤcklich zu ſehen. Andre, die mit ihnen voͤllig uͤbereinſtimmen, behaupten uͤber- dem, daß die poetiſche Gerechtigkeit dieſes nothwendig erfordere. Denn, ſchreibt eine dieſer ſinnreichen Correspondentinnen, ohne Zwei- fel aus einem guten und menſchenfreundlichen Herzen; „Wenn es ausgemacht iſt, daß es in „eines Verfaſſers Gewalt ſtehet, ſeine Geſchichte „endigen zu laſſen, wie es ihm beliebet, war- „um ſollte er nicht viel lieber dem Leſer ein Ver- „gnuͤgen, als unangenehme Empfindungen er- „wecken, den er fuͤr die Hauptperſonen ſo ſehr „eingenommen hat?”
Andre, und zwar einige Herren, erklaͤren ſich gegen das Trauerſpiel uͤberhaupt, und ge- ben, faſt mit den Worten des Herrn Lovela- ce, den Luſtſpielen den Vorzug, der in ſeinem Geſchmack von allem Frauenzimmer in dem Hauſe der Sinclair, und von der Sinclair ſelbſt unterſtuͤtzet wuͤrde. „Jch habe zu viele „Empfindung, ſagt er. (*) Es iſt ohnehin
genug
(*) Siehe Th. IV. S. 149
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0342"n="334"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Wuͤnſche, in Anſehung deſſen, was ſie von der<lb/>
Entwicklung des Knotens beſorgt, auf verſchied-<lb/>
ne Weiſe ausgedruͤckt haben.</p><lb/><p>Die meiſten ſind von dem ſchoͤnen Geſchlecht<lb/>
an ihn abgelaſſen, und gehen dahin, daß ſie<lb/>
gerne einen <hirendition="#fr">gluͤcklichen Ausgang,</hi> wie man<lb/>
es nennet, haben wollen. Einige von dieſen,<lb/>
welche, wie ſie geſtehen, von dem Charackter<lb/>
unſrer Heldin eingenommen ſind, wuͤnſchen ei-<lb/>
frigſt, ſie <hirendition="#fr">gluͤcklich</hi> zu ſehen. Andre, die mit<lb/>
ihnen voͤllig uͤbereinſtimmen, behaupten uͤber-<lb/>
dem, daß die <hirendition="#fr">poetiſche Gerechtigkeit</hi> dieſes<lb/>
nothwendig erfordere. Denn, ſchreibt eine<lb/>
dieſer ſinnreichen Correspondentinnen, ohne Zwei-<lb/>
fel aus einem guten und menſchenfreundlichen<lb/>
Herzen; „Wenn es ausgemacht iſt, daß es in<lb/>„eines Verfaſſers Gewalt ſtehet, ſeine Geſchichte<lb/>„endigen zu laſſen, wie es ihm beliebet, war-<lb/>„um ſollte er nicht viel lieber dem Leſer ein Ver-<lb/>„gnuͤgen, als unangenehme Empfindungen er-<lb/>„wecken, den er fuͤr die Hauptperſonen ſo ſehr<lb/>„eingenommen hat?”</p><lb/><p>Andre, und zwar einige Herren, erklaͤren<lb/>ſich gegen das Trauerſpiel uͤberhaupt, und ge-<lb/>
ben, faſt mit den Worten des Herrn <hirendition="#fr">Lovela-<lb/>
ce,</hi> den Luſtſpielen den Vorzug, der in ſeinem<lb/>
Geſchmack von allem Frauenzimmer in dem<lb/>
Hauſe der <hirendition="#fr">Sinclair,</hi> und von der <hirendition="#fr">Sinclair</hi><lb/>ſelbſt unterſtuͤtzet wuͤrde. „Jch habe zu viele<lb/>„Empfindung, ſagt er. <noteplace="foot"n="(*)">Siehe Th. <hirendition="#aq">IV.</hi> S. 149</note> Es iſt ohnehin<lb/><fwplace="bottom"type="catch">genug</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[334/0342]
Wuͤnſche, in Anſehung deſſen, was ſie von der
Entwicklung des Knotens beſorgt, auf verſchied-
ne Weiſe ausgedruͤckt haben.
Die meiſten ſind von dem ſchoͤnen Geſchlecht
an ihn abgelaſſen, und gehen dahin, daß ſie
gerne einen gluͤcklichen Ausgang, wie man
es nennet, haben wollen. Einige von dieſen,
welche, wie ſie geſtehen, von dem Charackter
unſrer Heldin eingenommen ſind, wuͤnſchen ei-
frigſt, ſie gluͤcklich zu ſehen. Andre, die mit
ihnen voͤllig uͤbereinſtimmen, behaupten uͤber-
dem, daß die poetiſche Gerechtigkeit dieſes
nothwendig erfordere. Denn, ſchreibt eine
dieſer ſinnreichen Correspondentinnen, ohne Zwei-
fel aus einem guten und menſchenfreundlichen
Herzen; „Wenn es ausgemacht iſt, daß es in
„eines Verfaſſers Gewalt ſtehet, ſeine Geſchichte
„endigen zu laſſen, wie es ihm beliebet, war-
„um ſollte er nicht viel lieber dem Leſer ein Ver-
„gnuͤgen, als unangenehme Empfindungen er-
„wecken, den er fuͤr die Hauptperſonen ſo ſehr
„eingenommen hat?”
Andre, und zwar einige Herren, erklaͤren
ſich gegen das Trauerſpiel uͤberhaupt, und ge-
ben, faſt mit den Worten des Herrn Lovela-
ce, den Luſtſpielen den Vorzug, der in ſeinem
Geſchmack von allem Frauenzimmer in dem
Hauſe der Sinclair, und von der Sinclair
ſelbſt unterſtuͤtzet wuͤrde. „Jch habe zu viele
„Empfindung, ſagt er. (*) Es iſt ohnehin
genug
(*) Siehe Th. IV. S. 149
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/342>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.