Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite



haltung, ihr ein Vermögen hinterlassen würde,
welches mit ihrer Erziehung übereinkäme. Da
es ihnen gar nicht eingefallen war, daß in je-
der Haushaltung eine Sparsamkeit zu beobach-
ten sei, so konnten sie sie sich auch nicht wieder
einziehen, und ihre Tochter schien es auch nicht
zu wünschen. Sie glaubten, daß ein glänzen-
der und pralender Aufzug einen guten Namen
machte. Das hiessen sie auf einen artigen
Fuß leben.
Und da sie einmal ihr Haupt über
ihre Nachbaren erhoben hatten, so glaubten
sie, es würde ihrem Credit nachtheilig seyn,
wenn sie in ihrem Staat mehr zurück als vor-
wärts giengen. Sie schmeichelten sich selbst,
und ihrem Mädgen, die völlig ihrer Meinung
war, daß sie Reizungen und Witz genug be-
sässe, einen Mann vom Range oder wenigstens
von grossen Reichthümern an sich zu ziehen.
Denn diese Tochter eines Krämers, und eines
Krämers Tochter konnte den Gedanken nicht
ertragen, einen schlechten Bürger zu nehmen,
und sie unterhielt ihre Hofnungen mit einigen
wenigen, wenigstens in Vergleichung sehr we-
nigen, Exempeln, (die sie in ihrer Einbildung
als ganz gemeine Vorfälle betrachtete) von
Mädgen, die ihr am Stande, an Gaben, Er-
ziehung, und selbst an Mitteln weit nachstehen
müßten, und denen es geglückt wäre, - - wie
sie nicht zweifelte, daß es ihr auch glücken wür-
de. Artige Renten, und eigne Kutsche und
Pferde, diese Kleinigkeiten, welche die Eitel-

keit



haltung, ihr ein Vermoͤgen hinterlaſſen wuͤrde,
welches mit ihrer Erziehung uͤbereinkaͤme. Da
es ihnen gar nicht eingefallen war, daß in je-
der Haushaltung eine Sparſamkeit zu beobach-
ten ſei, ſo konnten ſie ſie ſich auch nicht wieder
einziehen, und ihre Tochter ſchien es auch nicht
zu wuͤnſchen. Sie glaubten, daß ein glaͤnzen-
der und pralender Aufzug einen guten Namen
machte. Das hieſſen ſie auf einen artigen
Fuß leben.
Und da ſie einmal ihr Haupt uͤber
ihre Nachbaren erhoben hatten, ſo glaubten
ſie, es wuͤrde ihrem Credit nachtheilig ſeyn,
wenn ſie in ihrem Staat mehr zuruͤck als vor-
waͤrts giengen. Sie ſchmeichelten ſich ſelbſt,
und ihrem Maͤdgen, die voͤllig ihrer Meinung
war, daß ſie Reizungen und Witz genug be-
ſaͤſſe, einen Mann vom Range oder wenigſtens
von groſſen Reichthuͤmern an ſich zu ziehen.
Denn dieſe Tochter eines Kraͤmers, und eines
Kraͤmers Tochter konnte den Gedanken nicht
ertragen, einen ſchlechten Buͤrger zu nehmen,
und ſie unterhielt ihre Hofnungen mit einigen
wenigen, wenigſtens in Vergleichung ſehr we-
nigen, Exempeln, (die ſie in ihrer Einbildung
als ganz gemeine Vorfaͤlle betrachtete) von
Maͤdgen, die ihr am Stande, an Gaben, Er-
ziehung, und ſelbſt an Mitteln weit nachſtehen
muͤßten, und denen es gegluͤckt waͤre, ‒ ‒ wie
ſie nicht zweifelte, daß es ihr auch gluͤcken wuͤr-
de. Artige Renten, und eigne Kutſche und
Pferde, dieſe Kleinigkeiten, welche die Eitel-

keit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0322" n="314"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
haltung, ihr ein Vermo&#x0364;gen hinterla&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde,<lb/>
welches mit ihrer Erziehung u&#x0364;bereinka&#x0364;me. Da<lb/>
es ihnen gar nicht eingefallen war, daß in je-<lb/>
der Haushaltung eine Spar&#x017F;amkeit zu beobach-<lb/>
ten &#x017F;ei, &#x017F;o konnten &#x017F;ie &#x017F;ie &#x017F;ich auch nicht wieder<lb/>
einziehen, und ihre Tochter &#x017F;chien es auch nicht<lb/>
zu wu&#x0364;n&#x017F;chen. Sie glaubten, daß ein gla&#x0364;nzen-<lb/>
der und pralender Aufzug einen guten Namen<lb/>
machte. Das hie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie <hi rendition="#fr">auf einen artigen<lb/>
Fuß leben.</hi> Und da &#x017F;ie einmal ihr Haupt u&#x0364;ber<lb/>
ihre Nachbaren erhoben hatten, &#x017F;o glaubten<lb/>
&#x017F;ie, es wu&#x0364;rde ihrem Credit nachtheilig &#x017F;eyn,<lb/>
wenn &#x017F;ie in ihrem Staat mehr zuru&#x0364;ck als vor-<lb/>
wa&#x0364;rts giengen. Sie &#x017F;chmeichelten &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
und ihrem Ma&#x0364;dgen, die vo&#x0364;llig ihrer Meinung<lb/>
war, daß &#x017F;ie Reizungen und Witz genug be-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, einen Mann vom Range oder wenig&#x017F;tens<lb/>
von gro&#x017F;&#x017F;en Reichthu&#x0364;mern an &#x017F;ich zu ziehen.<lb/>
Denn die&#x017F;e Tochter eines Kra&#x0364;mers, und eines<lb/>
Kra&#x0364;mers Tochter konnte den Gedanken nicht<lb/>
ertragen, einen &#x017F;chlechten Bu&#x0364;rger zu nehmen,<lb/>
und &#x017F;ie unterhielt ihre Hofnungen mit einigen<lb/>
wenigen, wenig&#x017F;tens in Vergleichung &#x017F;ehr we-<lb/>
nigen, Exempeln, (die &#x017F;ie in ihrer Einbildung<lb/>
als ganz gemeine Vorfa&#x0364;lle betrachtete) von<lb/>
Ma&#x0364;dgen, die ihr am Stande, an Gaben, Er-<lb/>
ziehung, und &#x017F;elb&#x017F;t an Mitteln weit nach&#x017F;tehen<lb/>
mu&#x0364;ßten, und denen es geglu&#x0364;ckt wa&#x0364;re, &#x2012; &#x2012; wie<lb/>
&#x017F;ie nicht zweifelte, daß es ihr auch glu&#x0364;cken wu&#x0364;r-<lb/>
de. Artige Renten, und eigne Kut&#x017F;che und<lb/>
Pferde, die&#x017F;e Kleinigkeiten, welche die Eitel-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">keit</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[314/0322] haltung, ihr ein Vermoͤgen hinterlaſſen wuͤrde, welches mit ihrer Erziehung uͤbereinkaͤme. Da es ihnen gar nicht eingefallen war, daß in je- der Haushaltung eine Sparſamkeit zu beobach- ten ſei, ſo konnten ſie ſie ſich auch nicht wieder einziehen, und ihre Tochter ſchien es auch nicht zu wuͤnſchen. Sie glaubten, daß ein glaͤnzen- der und pralender Aufzug einen guten Namen machte. Das hieſſen ſie auf einen artigen Fuß leben. Und da ſie einmal ihr Haupt uͤber ihre Nachbaren erhoben hatten, ſo glaubten ſie, es wuͤrde ihrem Credit nachtheilig ſeyn, wenn ſie in ihrem Staat mehr zuruͤck als vor- waͤrts giengen. Sie ſchmeichelten ſich ſelbſt, und ihrem Maͤdgen, die voͤllig ihrer Meinung war, daß ſie Reizungen und Witz genug be- ſaͤſſe, einen Mann vom Range oder wenigſtens von groſſen Reichthuͤmern an ſich zu ziehen. Denn dieſe Tochter eines Kraͤmers, und eines Kraͤmers Tochter konnte den Gedanken nicht ertragen, einen ſchlechten Buͤrger zu nehmen, und ſie unterhielt ihre Hofnungen mit einigen wenigen, wenigſtens in Vergleichung ſehr we- nigen, Exempeln, (die ſie in ihrer Einbildung als ganz gemeine Vorfaͤlle betrachtete) von Maͤdgen, die ihr am Stande, an Gaben, Er- ziehung, und ſelbſt an Mitteln weit nachſtehen muͤßten, und denen es gegluͤckt waͤre, ‒ ‒ wie ſie nicht zweifelte, daß es ihr auch gluͤcken wuͤr- de. Artige Renten, und eigne Kutſche und Pferde, dieſe Kleinigkeiten, welche die Eitel- keit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/322
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/322>, abgerufen am 24.11.2024.