nen Liebhaber, verachtet hat? Wird nicht eine jede Gefälligkeit eines solchen Mannes für eine weibische Zaghaftigkeit ausgeleget werden, und ihr ein Recht geben, ihn noch mehr zu verach- ten? - - Mein Herz ist zu voll. Vergeben Sie mirs also, wenn ich sage, der Fräulein Ho- we Aufführung gegen mich macht weder ihrer Erziehung, noch ihrem scharfsinnigen Verstan- de Ehre.
Weil es also zu offenbar ist, daß sie mich nicht hochachten kan; und weil, wie ich die vor- trefliche Fräulein Clarissa Harlowe habe an- merken hören, die Liebe keine freiwillige Leiden- schaft ist; würde es nicht niedrig gehandelt seyn, eine so werthe Tochter dem Unwillen einer Mut- ter auszusetzen, von welcher sie mit so vielem Rechte zärtlich geliebet wird? und Sie, Mada- me, die Sie so gütig gewesen sind, sich mei- ner anzunehmen, unruhig zu machen? Wenn ich auch gewiß wäre, endlich durch Jhre ge- neigte Partheilichkeit meine Absichten zu errei- chen; sollte ich denn wünschen, eine Person un- glücklich zu machen, welche meine ganze Seele liebet? Denn wenn wir nicht beide glücklich seyn können, so müssen wir beide auf Zeitle- bens unglücklich seyn.
Meine besten Wünsche sollen die theure, die ewig werthe Fräulein begleiten! Möchte sie doch eine glückliche Heirath treffen! Das wird sie gewiß thun, wenn sie einen Mann heirathet, den sie ihrer Liebe würdigen kann. Doch das
will
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nen Liebhaber, verachtet hat? Wird nicht eine jede Gefaͤlligkeit eines ſolchen Mannes fuͤr eine weibiſche Zaghaftigkeit ausgeleget werden, und ihr ein Recht geben, ihn noch mehr zu verach- ten? ‒ ‒ Mein Herz iſt zu voll. Vergeben Sie mirs alſo, wenn ich ſage, der Fraͤulein Ho- we Auffuͤhrung gegen mich macht weder ihrer Erziehung, noch ihrem ſcharfſinnigen Verſtan- de Ehre.
Weil es alſo zu offenbar iſt, daß ſie mich nicht hochachten kan; und weil, wie ich die vor- trefliche Fraͤulein Clariſſa Harlowe habe an- merken hoͤren, die Liebe keine freiwillige Leiden- ſchaft iſt; wuͤrde es nicht niedrig gehandelt ſeyn, eine ſo werthe Tochter dem Unwillen einer Mut- ter auszuſetzen, von welcher ſie mit ſo vielem Rechte zaͤrtlich geliebet wird? und Sie, Mada- me, die Sie ſo guͤtig geweſen ſind, ſich mei- ner anzunehmen, unruhig zu machen? Wenn ich auch gewiß waͤre, endlich durch Jhre ge- neigte Partheilichkeit meine Abſichten zu errei- chen; ſollte ich denn wuͤnſchen, eine Perſon un- gluͤcklich zu machen, welche meine ganze Seele liebet? Denn wenn wir nicht beide gluͤcklich ſeyn koͤnnen, ſo muͤſſen wir beide auf Zeitle- bens ungluͤcklich ſeyn.
Meine beſten Wuͤnſche ſollen die theure, die ewig werthe Fraͤulein begleiten! Moͤchte ſie doch eine gluͤckliche Heirath treffen! Das wird ſie gewiß thun, wenn ſie einen Mann heirathet, den ſie ihrer Liebe wuͤrdigen kann. Doch das
will
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nen Liebhaber, verachtet hat? Wird nicht eine
jede Gefaͤlligkeit eines ſolchen Mannes fuͤr eine
weibiſche Zaghaftigkeit ausgeleget werden, und
ihr ein Recht geben, ihn noch mehr zu verach-
ten? ‒ ‒ Mein Herz iſt zu voll. Vergeben Sie
mirs alſo, wenn ich ſage, der Fraͤulein Ho-
we Auffuͤhrung gegen mich macht weder ihrer
Erziehung, noch ihrem ſcharfſinnigen Verſtan-
de Ehre.
Weil es alſo zu offenbar iſt, daß ſie mich
nicht hochachten kan; und weil, wie ich die vor-
trefliche Fraͤulein Clariſſa Harlowe habe an-
merken hoͤren, die Liebe keine freiwillige Leiden-
ſchaft iſt; wuͤrde es nicht niedrig gehandelt ſeyn,
eine ſo werthe Tochter dem Unwillen einer Mut-
ter auszuſetzen, von welcher ſie mit ſo vielem
Rechte zaͤrtlich geliebet wird? und Sie, Mada-
me, die Sie ſo guͤtig geweſen ſind, ſich mei-
ner anzunehmen, unruhig zu machen? Wenn
ich auch gewiß waͤre, endlich durch Jhre ge-
neigte Partheilichkeit meine Abſichten zu errei-
chen; ſollte ich denn wuͤnſchen, eine Perſon un-
gluͤcklich zu machen, welche meine ganze Seele
liebet? Denn wenn wir nicht beide gluͤcklich
ſeyn koͤnnen, ſo muͤſſen wir beide auf Zeitle-
bens ungluͤcklich ſeyn.
Meine beſten Wuͤnſche ſollen die theure, die
ewig werthe Fraͤulein begleiten! Moͤchte ſie doch
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/31>, abgerufen am 16.02.2025.
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